cr-report - Globale Wirtschafts- und Ethikforum (GWEF)
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● 01 II CR-REPORT<br />
A U S B L I C K<br />
Zur Zukunft der CSR<br />
Die aktuelle Krise bedeutet mitnichten ein Ende unternehmerischer Verantwortung.<br />
Vielmehr trennt sie in punkto CSR die Spreu vom Weizen – <strong>und</strong> zeigt so Zukunftspers-<br />
pektiven auf.<br />
VON PROF. DR. ANDRÉ HABISCH<br />
André Habisch<br />
Professor für christliche So-<br />
zialethik & Gesellschaftspo-<br />
litik, Katholische Universität<br />
Eichstätt-Ingolstadt<br />
● Der griechische Begriff der krisis, abgeleitet von<br />
krino beziehungsweise krinein (scheiden, auswählen,<br />
beurteilen, aber auch entscheiden) war in der<br />
lateinischen Spät- <strong>und</strong> Nachantike (genauer: seit<br />
dem Corpus Hippo<strong>cr</strong>aticum) zunächst im medizinischen<br />
Bereich beheimatet. Er bezeichnet dort diejenige<br />
fieberhafte Zuspitzung einer Infektionskrankheit,<br />
die entweder auf den Tod oder auf eine Heilung<br />
hinausläuft. Im Falle der Heilung sinkt die Gefahr,<br />
dass der Patient in Zukunft am gleichen Übel noch<br />
einmal erkrankt: Im diesem Falle geht die Krise also<br />
mit einer katharsis (Reinigung) einher.<br />
Die gegenwärtige Entwicklung an den internationalen<br />
Finanz- <strong>und</strong> Gütermärkten wird sich in diesem<br />
Sinne als Krise der CSR-Praxis erweisen. Kostenträchtige,<br />
aber oberflächliche Programme ohne strategische<br />
Rückkopplung, werden die teilweise existenzbedrohliche<br />
wirtschaftliche Situation der Unternehmen nicht<br />
überleben: Sie werden sich als ‚überflüssiger Ballast‘<br />
erweisen. Nur diejenigen internen wie externen CSR-<br />
Aktivitäten, die mit dem Wertschöpfungsprozess verflochten<br />
<strong>und</strong> so zum Bestandteil der Unternehmenskultur<br />
geworden sind, werden festgehalten <strong>und</strong> noch<br />
weiter ausgebaut. Danach wird die deutsche ‚CSR-<br />
Szene‘ kleiner – aber authentischer sein.<br />
POLITIK UND CSR Das CSR Konzept ist nun<br />
auch in der deutschen Politik angekommen. Doch<br />
noch stellt es dort nicht viel mehr als eine Art Platzhalter<br />
der internationalen Diskussion dar. In der<br />
nächsten Legislaturperiode werden Fragen zu beantworten<br />
sein, wie: Was bedeutet CSR für ein zeitgemäßes<br />
Konzept von Bildungspolitik auf lokaler <strong>und</strong><br />
regionaler Ebene? Was bedeutet CSR für Integrationspolitik<br />
<strong>und</strong> Antidiskriminierung? Für Familienpolitik<br />
<strong>und</strong> Work-Life-Balance? Was bedeutet CSR<br />
in der Umweltdebatte <strong>und</strong> in der internationalen<br />
Entwicklungszusammenarbeit? Die Globalisierung<br />
tariert das Verhältnis von Staat, Wirtschaft <strong>und</strong> Zivilgesellschaft<br />
neu aus – dies muss problembezogen<br />
in entsprechende ordnungspolitische Leitkonzepte<br />
übersetzt werden. Politik <strong>und</strong> Verwaltung müssen<br />
dem CSR-Gedanken (als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips!)<br />
auch in der Alltagspraxis unserer Institutionen<br />
Rechnung tragen.<br />
UNTERNEHMERISCHE VERANTWORTUNG<br />
Für die Firmen bedeutet das, sich unter dem Stichwort<br />
CSR nicht nur auf defensive Compliance-Programme<br />
zu beschränken. Seriöse Geschäftspraktiken<br />
im In- <strong>und</strong> Ausland sind unverzichtbar; doch wenn<br />
der gegenwärtig medial vorherrschende Eindruck<br />
des Versagens von Führungskräften <strong>und</strong> der ‚Bonus-<br />
Jagd‘ auch in massiv subventionierten Unternehmen<br />
überw<strong>und</strong>en werden soll, dann muss Mitverantwortung<br />
auch augenfällig werden. Glaubwürdige Kommunikation<br />
setzt hier die Existenz glaubwürdiger<br />
Programme voraus. Nicht nur persönliche Integrität,<br />
sondern auch durchdachtes <strong>und</strong> wirksames Citizenship-Engagement<br />
ist gefragt.<br />
Die Abfederung der Finanzkrise wird öffentliche<br />
Mittel in Milliardenhöhe binden, die für die Bewältigung<br />
gesellschaftlicher Zukunftsaufgaben nicht<br />
mehr zur Verfügung stehen. Doch nicht nur Risiken,<br />
sondern auch Chancen sind systemisch. In einer zur<br />
Rettung durch den Staat komplementären Initiative<br />
werden Unternehmen stärker als bislang in Human-<br />
, Sozial-, Bildungs- <strong>und</strong> Umweltvermögen ihres Gemeinwesens<br />
investieren müssen – auch um die wirtschaftliche<br />
Wettbewerbsfähigkeit ihres Standortes<br />
<strong>und</strong> die Lebensqualität ihrer Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />
Mitarbeiter nachhaltig zu sichern.<br />
Nur Verantwortung kann Freiheit erhalten – das<br />
verstehen wir in der Krise besser als vorher. �