DER BIEBRICHER, Nr. 362, Januar 2022
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich
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Otto-Stückrath-Schule – die ersten 50 Jahre<br />
In der Jubiläumsliste der Stadt<br />
Wiesbaden taucht das 50-jährige<br />
Jubiläum der Otto-Stückrath-Schule<br />
für den 24. Februar<br />
dieses Jahres auf. Doch Schulleiterin<br />
Nicola Wolfermann<br />
hat andere Unterlagen: Denen<br />
zufolge ist die Schule in der<br />
Albert-Schweitzer-Allee bereits<br />
1971 eröffnet worden. Somit<br />
hätte das 50-jährige Bestehen<br />
schon im vergangenen Jahr begangen<br />
werden müssen. Doch<br />
gefeiert werden kann zurzeit<br />
sowieso nicht: „Wir hätten so<br />
gerne ein tolles Zirkusprojekt<br />
gemacht“, bedauert die Schulleiterin.<br />
Einen kleinen Rückblick<br />
auf das erste halbe Jahrhundert<br />
kann man aber wenigstens in<br />
diesem Magazin geben.<br />
Die Schule wurde gemeinsam<br />
mit dem Wohngebiet „Parkfeld“<br />
geplant, das vom seinerzeit<br />
hoch geschätzten Planer<br />
Ernst May entworfen wurde.<br />
Schule und Kirche bildeten<br />
den Mittelpunkt<br />
des grünen Hochhausviertels.<br />
Und<br />
noch heute, so Nicola<br />
Wolfermann,<br />
die hier auch selbst<br />
eingeschult wurde,<br />
gehen nahezu ausschließlich<br />
Kinder aus dem Parkfeld in<br />
die Otto-Stückrath-Schule. Diese<br />
wurde nach dem britischen<br />
„Brockhouse-Schulbausystem“<br />
errichtet. Die Zeitung schrieb<br />
darüber: „Der Aufbau nach pädagogischen<br />
Gesichtspunkten<br />
hat sich dabei ebenso bewährt<br />
wie die Fertigbauweise.“<br />
Die Schulchronik verzeichnet<br />
tatsächlich den August 1971<br />
<br />
<br />
besteht.<br />
Feuer<br />
zerstörte<br />
Schulneubau vor<br />
Einweihung<br />
PRIVAT<br />
als Start des ersten Schuljahres.<br />
Erste Schulleiterin war Christel<br />
Sodemann. Bei der Eröffnung<br />
sagte sie: Die Kinder<br />
müssten lernen, sich<br />
einzuordnen, Toleranz<br />
zu üben und<br />
die Gesellschaft mitzuformen.<br />
Der alte<br />
Stil, eine Klasse zu<br />
führen, müsse abgelöst<br />
werden durch einen demokratischen<br />
Stil, bei dem die<br />
Kinder die Möglichkeit hätten,<br />
auch ihre Meinung zu äußern.<br />
Der erste Jahrgang sollte noch<br />
bis zum Winter in der Pestalozzischule<br />
in der Biebricher Gibb<br />
unterrichtet werden, da die<br />
Schule nicht rechtzeitig fertiggebaut<br />
war. Dann aber brannte<br />
der Neubau im Oktober 1971<br />
auch noch ab – bei letzten<br />
Schweißarbeiten hatte sich das<br />
Dach entzündet. Kurz vor Fertigstellung<br />
wurde das Gebäude<br />
also zum großen Teil gleich<br />
wieder vernichtet. Und daher<br />
rührt dann auch das städtische<br />
Jubiläumsdatum vom Februar<br />
1972, denn dann erst konnten<br />
die Kinder tatsächlich in das<br />
Gebäude einziehen, das heute<br />
noch in gleicher Form steht.<br />
Benannt ist die Schule nach<br />
Otto Stückrath, einem Pädagogen<br />
und Heimatforscher. Seine<br />
Ehefrau Olga war bei der Schuleinweihung<br />
zugegen. Stückrath<br />
wurde 1885 im Taunus<br />
geboren, wurde Lehrer und unterrichtete<br />
ab 1910 an der Biebricher<br />
Goetheschule. Das nationalsozialistische<br />
Regime duldete<br />
ihn nach 1933 zwar noch einige<br />
Zeit als Lehrer, entzog ihm jedoch<br />
die Erlaubnis, Geschichtsunterricht<br />
zu erteilen – wegen<br />
seiner Veröffentlichungen zur<br />
Heimatgeschichte. 1938 wurde<br />
er endgültig „aus dem Beruf<br />
entfernt“, 1944 in das Konzentrationslager<br />
Dachau gebracht.<br />
Er überlebte und wirkte nach<br />
Kriegsende sehr aktiv am Wiederaufbau<br />
des Schulwesens<br />
mit. Er wurde Rektor der Biebricher<br />
Freiherr-vom-Stein-Schule,<br />
saß im Landesschulbeirat<br />
und konzipierte Schulbücher.<br />
Stückrath sammelte leidenschaftlich<br />
Kinderreime, Lieder<br />
sowie Spiele der nassauischen<br />
Heimat. Und er verfasste selbst<br />
Kindergeschichten, aber auch<br />
heimatkundliche Beiträge und<br />
Texte für Erwachsene. Bereits<br />
beim Aufbau der „Siedlung Rosenfeld“<br />
nach dem Ersten Weltkrieg<br />
und später als Kommunalpolitiker<br />
der SPD zeichnete er<br />
sich als engagierter Demokrat<br />
aus. Stückrath verstarb 1968.<br />
„So steht es der Landeshauptstadt<br />
Wiesbaden wohl an, eine<br />
neue Grundschule nach einem<br />
bedeutenden Wiesbadener Pädagogen,<br />
Schriftsteller, Wissenschaftler<br />
und aufrechten Demokraten<br />
zu benennen“, hieß es<br />
bei der Schuleinweihung.<br />
Zusammen mit der Otto-Stückrath-Schule<br />
wurde auch die<br />
später wieder geschlossene<br />
Ludwig-Richter-Schule in der<br />
Nachbarschaft eingeweiht. Die<br />
Ihr Servicepartner<br />
Rathausstraße 61<br />
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Tel. 0611/92796619<br />
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8 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / JANUAR <strong>2022</strong>