faktor Frühjahr 2022
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mensch<br />
nicht geschafft.“ Besonders freut ihn, dass sein Labor<br />
auch eine Talentschmiede für wissenschaftliche Karrieren<br />
ist: „Inzwischen haben 15 frühere Angehörige unseres<br />
Labors anderswo eigene Forschungsgruppen aufgebaut.“<br />
Inzwischen ist er vor allem damit beschäftigt, Forschungsstrategien<br />
zu entwickeln: „Welche Ansätze verfolgen<br />
wir, damit wir in fünf Jahren immer noch zur<br />
Weltspitze gehören? Welche Methoden brauchen wir dafür?<br />
Welche Geräte?“ Weil neue Fragen auch neue Lösungswege<br />
nötig machen, hat Cramers Team das Methodenspektrum<br />
ständig erweitert. Manche Methoden habe<br />
man komplett aufgegeben, so Cramer. Darunter auch<br />
jene, die damals den Durchbruch in Stanford ermöglichte:<br />
„Die Röntgenkristallografie war lange Zeit die bestimmende<br />
Methode für unsere Arbeitsgruppe, inzwischen<br />
sind wir auf die Elektronenmikroskopie umgestiegen.“<br />
Nicht nur die Methoden werden immer vielfältiger,<br />
auch die Forschergruppe selbst ist sehr divers zusammengesetzt.<br />
Zu ihr gehören nicht nur Chemiker und Biologen,<br />
sondern auch Mathematiker, Statistiker und Mediziner.<br />
„Erst diese Kombination an Expertise ermöglicht<br />
es uns, Dinge zu tun, die für andere Gruppen schwer<br />
machbar sind.“<br />
Für Cramer ist Interdisziplinarität eine Grundvoraussetzung,<br />
um erfolgreich Forschung betreiben zu können.<br />
Auch deshalb war er gern bereit, Anfang des Jahres erster<br />
geschäftsführender Direktor des neu gebildeten Max-<br />
Planck-Instituts für interdisziplinäre Naturwissenschaften<br />
in Göttingen zu werden. Der Zusammenschluss der<br />
bisherigen Institute für biophysikalische Chemie und für<br />
experimentelle Medizin biete große Chancen. „Zum ersten<br />
Mal sind in einem Max-Planck-Institut Natur- und<br />
Medizinwissenschaften unter einem Dach vereint“, so<br />
der Wissenschaftler. Damit werde es auch möglich, Ergebnisse<br />
aus der Grundlagenforschung schneller in die<br />
Anwendung zu bringen.<br />
BLIEBE ZUM SCHLUSS NOCH EINE FRAGE: Was ist eigentlich<br />
die zutreffende Berufsbezeichnung für den vielseitigen<br />
Wissenschaftler? „Ich bin Chemiker, der physikalische<br />
Methoden anwendet, um biologische Probleme<br />
so zu adressieren, dass man neue Ansätze für die Medizin<br />
finden kann.“ Gut, dass Herlinde Koelbl anders gefragt<br />
hat – diese Antwort hätte wohl kaum auf eine<br />
Handfläche gepasst. ƒ<br />
Zur Person<br />
Patrick Cramer studierte Chemie in Stuttgart und Heidelberg.<br />
Nach Abschluss seiner Doktorarbeit in Frankreich<br />
forschte er ab 1999 an der Stanford University (USA) im<br />
Labor des späteren Nobelpreisträgers Roger S. Kornberg.<br />
2001 wechselte er als Professor für Biochemie an die<br />
Ludwig-Maximilians-Universität in München und wurde<br />
dort von 2004 bis 2013 Direktor.<br />
2014 wurde er Leiter der Abteilung Molekularbiologie<br />
am Max-Planck- Institut für biophysikalische Chemie in<br />
Göttingen, das zum Jahresbeginn <strong>2022</strong> mit dem Institut<br />
für experimentelle Medizin fusionierte. Cramer ist der erste<br />
geschäftsführende Direktor des daraus entstandenen<br />
Max-Planck-Instituts für multidisziplinäre Naturwissenschaften.<br />
Zudem ist er Mitglied der Nationalen Akademie<br />
der Wissenschaften Leopoldina und der National Academy<br />
of Sciences (USA).<br />
Für seine Forschungsarbeiten erhielt der 53-Jährige<br />
zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Gottfried-Wilhelm-<br />
Leibniz-Preis, den Ernst-Jung-Preis für Medizin, den<br />
Centenary Award der British Biochemical Society und<br />
den Louis-Jeantet-Preis für Medizin. 2012 erhielt er das<br />
Bundes verdienstkreuz. In seiner Freizeit unternimmt der<br />
verheiratete Vater von zwei erwachsenen Kindern gern<br />
Wander- und Radtouren.<br />
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