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faktor Frühjahr 2022

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mensch<br />

„Ich habe mich früh für die Musik von Händel begeistert<br />

– sie ist eine meiner großen Lieben“, erzählt Petrou<br />

schwärmerisch, um im Anschluss auf charmante Weise<br />

tiefzustapeln. „Mittlerweile gibt es viele Menschen, die<br />

glauben, dass ich ein Händel-Spezialist bin.“ Es spricht<br />

einiges dafür: zum einen die unzähligen Auftritte bei<br />

Händel-Festspielen in Halle und Karlsruhe oder 2014<br />

der Auftritt mit dem ersten griechischen Orchester bei<br />

der BBC Night of the Proms, zum anderen die vielen<br />

CD- Einspielungen wie beispielsweise die Gesamtaufnahmen<br />

von Händels Alessandro für das Musiklabel Decca.<br />

Vor allem sind es die begeisterten Besprechungen und<br />

Kritiken, die das musikalische Wirken von George Petrou<br />

begleiten: Immer wieder ist die Rede von „furiosen“<br />

oder „aufsehenerregenden“ Aufführungen, „musikalischen<br />

Höhepunkten“ und „maßstabsetzenden“ Aufnahmen.<br />

DABEI HÄTTE ES AUCH GANZ ANDERS KOMMEN können,<br />

denn der Musiker stammt nicht aus einer künstlerisch<br />

orientierten Familie, wie er selber sagt. „Aber<br />

Kunst war immer ein Teil meines Lebens. Meine Eltern<br />

haben mich in meinem Interesse für Theater, Musik und<br />

Museen immer unterstützt“, sagt er heute dankbar zurückblickend.<br />

„Das ist auch so geblieben, als ich mein<br />

Jurastudium abgebrochen habe, um mich auf Musik und<br />

das Klavierspielen zu konzentrieren.“ Nach dem Studium<br />

am Athener Konservatorium sowie am Royal College<br />

und an der Royal Academy of Music in London<br />

machte der Musiker sich dann auch zunächst als Konzertpianist<br />

einen Namen. Doch sein Interesse an Musik<br />

habe sich mit der Zeit verändert, „weil Klavierspielen<br />

manchmal einsam sein kann“.<br />

Er schlug, gemeinsam mit dem Orchester Armonia<br />

Atena und auch als Solokünstler, eine Karriere als Dirigent<br />

ein, die schnell internationale Engagements und<br />

Auftritte mit sich brachte. Sein musikalisches Interesse<br />

erstreckte sich dabei von Händel und Verdi bis zur<br />

zeitgenössischen Oper. Die intensive Beschäftigung mit<br />

Opern habe einen weiteren großen Effekt auf seine<br />

Weiterentwicklung als Musiker und Künstler gehabt. „Je<br />

mehr ich mich mit Opern auseinandergesetzt habe, desto<br />

mehr wollte ich meine eigenen Vorstellungen in die Inszenierung<br />

einbringen“, erklärt Petrou. „Mich hat die<br />

Idee fasziniert, sowohl die Interpretation der Musik als<br />

auch die Gestaltung der Bilderwelt und Dramaturgie in<br />

meiner Hand zu vereinen.“<br />

AUCH HIER HABEN ES IHM DIE WERKE HÄNDELS besonders<br />

angetan. „Händel war nicht nur ein begnadeter<br />

Komponist, sondern einer der größten Dramatiker in der<br />

Opern-Geschichte“, sagt Petrou beinahe euphorisch. „Er<br />

hatte einen ausgeprägten Instinkt für Theater, für Geschichten.<br />

Er hat aus meiner Sicht unübertroffene Meisterstücke<br />

geschrieben, die sich auch heute noch modern<br />

anfühlen und die Zuschauer ansprechen.“<br />

ER SEI ÜBERZEUGT, DASS HÄNDELS MUSIK von jedem<br />

verstanden werden könnte, nicht nur von Experten.<br />

„Verstehen Sie das nicht falsch, natürlich sind die Interpretation<br />

und die Inszenierung seiner Musik enorm<br />

wichtig, um sie für möglichst jeden zugänglich zu machen“,<br />

sagt er ergänzend. Eine Oper sei dabei ein Gesamtkunstwerk,<br />

in das viele Menschen ihr Herzblut, ihre<br />

ganze Energie steckten und etwas Wunderbares erschaffen<br />

würden. Wie das aussieht, könne das Göttinger Publikum<br />

in diesem Jahr besonders gut an der Oper ,Giulio<br />

Cesare‘ sehen, die Petrou als Dirigent und Regisseur<br />

während der diesjährigen Festspiele im Mai mit der Nederlandse<br />

Reisopera aufführen wird. In den Niederlanden<br />

wurden die ersten Aufführungen, unter anderem in<br />

Amsterdam und Groningen, begeistert aufgenommen.<br />

Ihm sei es vor allem darum gegangen, die intensive Geschichte<br />

mit Abenteuer, großen Gefühlen und Humor als<br />

Ohren- und Augenschmaus mit großen Bildern zu inszenieren.<br />

„Mit dem wundervollen Ensemble ist das eine<br />

reine Freude, da alle tolle Sängerinnen und Sänger zugleich<br />

Schauspieler sind“, sagt Petrou begeistert.<br />

ER KÖNNE ES KAUM ERWARTEN, die Reaktion des Göttinger<br />

Publikums zu sehen und zu hören. Sein Ziel sei, so<br />

betont Petrou, den Menschen in jeder der zahlreichen<br />

Vorstellungen einen guten Grund zu geben, immer wieder<br />

zu kommen. „Ich lebe für den Applaus. Ich bin<br />

glücklich, wenn ich ihn zusammen mit den Musikern<br />

bekomme. Das motiviert mich, treibt mich an“, sagt der<br />

künstlerische Leiter unumwunden. „Kritiken lese ich<br />

auch – und bin traurig, wenn es schlechte sind.“ Aber er<br />

höre gern, wenn Menschen über eine Inszenierung diskutierten.<br />

„Wenn es uns gelingt, dass wenigstens ein<br />

paar Menschen im Publikum sagen, dass sie diese Oper<br />

lieben, dann haben wir einen guten Job gemacht.“ ƒ<br />

Zur Person<br />

Der in Griechenland geborene George Petrou macht nach<br />

seinem Musikstudium in Athen und London zunächst als<br />

Konzertpianist Karriere. Während seiner anschließenden<br />

Laufbahn als Dirigent ist er von 2012 bis 2021 künstlerischer<br />

Leiter des renommierten Orchesters Armonia<br />

Atenea, vormals Camerata Athen, und tritt zudem als<br />

Gastdirigent bei diversen europäischen Orchestern und<br />

Opernhäusern auf. Seit Mai 2020 ist Petrou Chefdirigent<br />

des Griechischen Nationalradioorchesters. Ab der Spielzeit<br />

2021/22 übernimmt er die künstlerische Leitung der<br />

Händel- Festspiele Göttingen. Darüber hinaus hat er<br />

bereits zahlreiche hochgelobte Alben veröffentlicht, für die<br />

er Auszeichnungen wie den Gramophone Editor’s Choice,<br />

Diapason d’Or und den Echo Klassik 2008 erhielt.<br />

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