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faktor Frühjahr 2022

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mensch<br />

» Für Grundlagenforscher ist die Max-Planck-Gesellschaft das<br />

Nonplusultra. Hinzu kommt, dass unser Institut in Göttingen<br />

eine tolle unterstützende Infrastruktur hat – hier kann man<br />

wirklich unter großartigen Bedingungen forschen.«<br />

Labor des US-amerikanischen Biochemikers Roger D.<br />

Kornberg im kalifornischen Stanford arbeitete. Kornberg<br />

erhielt 2006 den Nobelpreis für Chemie für seine<br />

Forschungsergebnisse zur Gentranskription. Cramer<br />

hatte hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet: Als weltweit<br />

erstem Wissenschaftler war es ihm gelungen, die<br />

dreidimensionale Struktur der Polymerase II aufzuklären.<br />

In der Folge konnte der Transkriptionsmechanismus<br />

entschlüsselt werden.<br />

INZWISCHEN WIRD IMMER DEUTLICHER, wie relevant<br />

die Ergebnisse solcher Grundlagenforschung für die Medizin<br />

sind: Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie in<br />

Europa filmte Cramers Team, wie das Virus sein Erbgut<br />

verdoppelt und welche dreidimensionale Struktur die<br />

Polymerase des Erregers während des Kopierens einnimmt.<br />

Später fanden die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen<br />

heraus, warum das Medikament Remdesivir<br />

nur begrenzt gegen das Coronavirus wirksam ist,<br />

während Molnupiravir mehr Potenzial besitzt. Inzwischen<br />

arbeiten sie an der Entwicklung von ganz neuen<br />

Wirkstoffen. In Kooperation mit dem Max-Planck-Institut<br />

für molekulare Physiologie in Dortmund durchforsten<br />

sie mithilfe eines Roboters eine riesige molekularbiologische<br />

,Bibliothek‘. Das Screening soll klären, welche<br />

dieser vielen Hunderttausend Substanzen in der Lage sein<br />

könnte, den Prozess der Virusvermehrung im Erbgut zu<br />

blockieren. Ist ein solcher Kandidat gefunden, wollen sie<br />

gemeinsam mit Partnern versuchen, besser wirkende<br />

Medikamente gegen Coronaviren zu entwickeln.<br />

Die entscheidenden Impulse für seine Forschungen bekam<br />

Cramer bei verschiedenen Studien- und Forschungsaufenthalten<br />

im Ausland. Während seines Chemiestudiums<br />

in Stuttgart und Heidelberg hatte er zunächst kaum<br />

etwas mit Struktur- und Molekularbiologie zu tun gehabt.<br />

Dies änderte sich, als er Anfang der 1990er-Jahre<br />

als Erasmus-Stipendiat an die Universität Bristol in England<br />

kam. „Dort habe ich erstmals dreidimensionale Molekülstrukturen<br />

gesehen“, erzählt Cramer schwärmend.<br />

Später lernte er in Cambridge einige der Gründer väter<br />

der Molekularbiologie kennen, darunter den Chemie-<br />

Nobelpreisträger Max Perutz, der mithilfe der Röntgenkristallografie<br />

erstmals die dreidimensionale Struktur<br />

eines Proteins aufgeklärt hatte.<br />

Cramer war von der Komplexität und Schönheit molekularer<br />

Strukturen so fasziniert, dass er sich dazu entschloss,<br />

zu promovieren. Eigentlich wollte er am Hauptsitz<br />

des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie<br />

(EMBL) in Heidelberg forschen, weil seine damalige<br />

Freundin – und heutige Ehefrau – zu der Zeit in Kassel<br />

studierte. Stattdessen bekam er eine Stelle am französischen<br />

EMBL-Standort in Grenoble. Dies entpuppte<br />

sich indes als Glücksfall: Kurz zuvor war dort das europaweit<br />

stärkste Elektronensynchrotron in Betrieb gegangen,<br />

und Cramer konnte an dem Teilchenbeschleuniger<br />

das Geheimnis der Gentranskription erforschen. „Dort<br />

habe ich die Röntgenkristallografie im Detail gelernt“,<br />

erzählt er.<br />

Ausgerüstet mit diesem umfangreichen methodischen<br />

Rüstzeug zog er nach seiner Promotion 1998 gemeinsam<br />

mit seiner Frau und der in Grenoble geborenen Tochter<br />

in die USA, um an der Elite-Uni Stanford im Labor von<br />

Roger D. Kornberg zu arbeiten. Zwei Jahre später hatte<br />

das Forscherteam eines der großen Rätsel der Molekular-<br />

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