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faktor Frühjahr 2022

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mensch<br />

» Ich würde mich freuen, wenn Leute<br />

nach dem Besuch eines Konzerts sagen:<br />

,So habe ich das noch nicht gehört‘. «<br />

LESEZEIT: 6 MINUTEN<br />

Die Stadt Göttingen und ihre Menschen<br />

haben mich mit offenen Armen aufgenommen“,<br />

erzählt Jochen Schäfsmeier<br />

dankbar, der seit Mai vergangenen<br />

Jahres offiziell Geschäftsführender Intendant<br />

der Händel-Festspiele in der<br />

Leinestadt ist. Im gleichen Atemzug hebt er seinen Vorgänger<br />

Tobias Wolff hervor, der aus seiner Sicht über<br />

zehn Jahre eine fantastische Arbeit geleistet hat. „Ich<br />

habe mit ihm in meinen ersten drei Monaten zusammengearbeitet<br />

– und wir haben das beide als überraschend<br />

wohltuend empfunden“, sagt er und schmunzelt bei dem<br />

Gedanken an seine ersten Tage im Amt. „Während der<br />

eine seine liebgewonnene Aufgabe aufgeben musste,<br />

wollte sich der andere profilieren. Letztlich haben wir<br />

uns gegenseitig den Übergang erleichtern können.“<br />

Wolff, der als Intendant an die Oper Leipzig gewechselt<br />

ist, habe ihm zudem vor dem Abschied noch einige<br />

Türen geöffnet. „Schnell habe ich gemerkt, dass hier<br />

viele Leute einfach große Lust auf Händel haben und<br />

wissen, was wir machen“, sagt Schäfsmeier. „Ich musste<br />

und muss das in Gesprächen so gut wie nie erklären.“<br />

Es gäbe außerdem immer hilfsbereite Menschen, die ihm<br />

Fragen beantworteten oder Kontakte vermittelten. Im<br />

Laufe des Gesprächs wird klar, dass Göttingen und die<br />

Händel-Festspiele für den gebürtigen Hannoveraner<br />

aus noch viel mehr Gründen ein Volltreffer zu sein<br />

scheinen.<br />

BEVOR ER DIE AUFGABEN als Intendant übernahm, war<br />

der studierte Klarinettist in der Welt viel herumgekommen.<br />

„Ich habe mit verschiedenen Orchestern bei Konzertreisen<br />

rund 50 Länder rund um den Globus besucht“,<br />

sagt er bei einer Tasse Kaffee auf seine bisherigen Stationen<br />

zurückblickend. So war er von 1995 bis 2001 als<br />

Orchester-Manager mit dem Jeunesses Musicales Weltorchester<br />

unterwegs und verantwortete im Anschluss als<br />

Geschäftsführer die Geschicke der Hamburger Camerata.<br />

Bevor er in Göttingen startete, war er mehr als 15 Jahre<br />

Geschäftsführer des Concerto Köln gewesen, eines auf<br />

historische Aufführungen der Musik des 18. und frühen<br />

19. Jahrhunderts spezialisierten Orchesters.<br />

„Ich habe jede dieser vielen Reisen genossen, fand dabei<br />

das gemeinsame Erleben der Musik immer aufregend<br />

und habe mir einen großen Freundeskreis in der Musikerwelt<br />

aufbauen dürfen“, betont Schäfsmeier. Nach 25 Jahren<br />

des Umherreisens habe er jedoch schließlich einen<br />

Platz zum Ankommen gesucht. „Ich wollte einen Ort<br />

finden, an dem ich langfristig wirken und die Gemeinschaft<br />

aktiv mitgestalten kann.“ Dass es Göttingen geworden<br />

ist, freut ihn gleich doppelt. Zum einen kann er<br />

hier – gemeinsam mit dem neuen künstlerischen Leiter<br />

George Petrou – eine der renommiertesten Händel-Veranstaltungen<br />

weltweit weiterentwickeln und ihr mit seinen<br />

Ideen neue Impulse verleihen. Zum anderen ist es<br />

eine Rückkehr an den Ort, mit dem er viele Kindheitserinnerungen<br />

verbindet. „Meine Großeltern haben in<br />

der Nähe der Stadthalle gelebt – meine Eltern haben sich<br />

hier kennen und lieben gelernt“, sagt er und gewährt damit<br />

einen sehr persönlichen Einblick. „Als ich zu den<br />

ersten Gesprächen hier angekommen bin, war das ein<br />

Déjà-vu. Obwohl ich zuvor 30 Jahre nicht in Göttingen<br />

war, habe ich mich sofort an viele Plätze, Orte und Erlebnisse<br />

erinnert.“ Göttingen sei zwar eine kleine, aber sehr<br />

lebendige, junge Stadt, die im Vergleich zu anderen Orten<br />

auf der Welt voller Buchhandlungen sei.<br />

AUF DIE FRAGE, wie es mit den Händel-Festspielen unter<br />

seiner Leitung weitergehen wird, kommt die erste Antwort<br />

von Schäfsmeier sehr spontan: „Zusammen mit George<br />

Petrou will ich dem Publikum weiterhin ein Festival<br />

bieten, das begeistert. Als die Neuen dürfen und werden<br />

wir dabei Dinge einfach ausprobieren. Das reizt mich an<br />

dieser Aufgabe sehr.“ Auch das Motto des diesjährigen<br />

Festivals – des ersten, das er mit Petrou zusammengestellt<br />

hat –, deutet in diese Richtung: ,Neue Horizonte‘.<br />

Wichtig sei ihm zukünftig, nicht immer das Erwartbare<br />

zu bedienen und nichts Langweiliges anzubieten. „Ich<br />

würde mich freuen, wenn Leute nach dem Besuch eines<br />

Konzerts sagen: ‚So habe ich das noch nicht gehört‘“,<br />

erklärt der Intendant und macht damit den eigenen Anspruch<br />

an sich und die Festspiele klar.<br />

Gelingen soll das mit einer ausbalancierten Mischung<br />

aus neuen Ideen und Perspektiven sowie bereits erfolgreich<br />

etablierten Formaten und Ansätzen. „Schon in<br />

meiner Tätigkeit als Orchester-Manager ging es darum,<br />

bestehende Dinge auszubauen, weiterzuentwickeln und<br />

immer auch dafür zu sorgen, neue Richtungen einzuschlagen.“<br />

Für das diesjährige Programm hat Schäfsmeier zum<br />

Beispiel Musiker aus seinem persönlichen Netzwerk,<br />

etwa Concerto Köln oder Julia Lezhneva, eingeladen,<br />

aber auch bekannte Gesichter wiederholt engagiert, die<br />

bereits Teil der Händel-Familie sind. Dazu gehören das<br />

NDR Vokalensemble und Ensembles aus dem ,EEEEemerging+<br />

Programm‘ wie Cembaless oder L‘Apothéose.<br />

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