Ausgabe 3 (April 2022) | FNG-Magazin
Entdecken Sie die 3. Ausgabe des blätterbaren FNG-Magazins. FNG Fitness News Germany - Das Fachmagazin für die deutsche Fitnessbranche
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Gesundheit<br />
MINIMUM UND OPTIMUM<br />
WIE VIEL AKTIVITÄT IST GESUNDHEITSFÖRDERLICH?<br />
Jede Aussage, die sich auf den Wert des gesundheitsförderlichen körperlichen Trainings bezieht, ist immer nur so zutreffend und<br />
haltbar, wie die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnis dazu. Und die ist, wie in der Geschichte oft schon belegt, immer nur eine Momentaufnahme,<br />
die für uns heute im Rückblick manchmal irritierend, z. T. sogar unverständlich wirkt.<br />
Risikofaktor „Bewegungsmangel“<br />
Heutzutage ist kaum noch vorstellbar, dass der „Bewegungsmangel“<br />
(heute eher als „sedentary behaviour“, „sitzende (bewegungsarme)<br />
Lebensweise“, gelegentlich auch „Hypokinetose“ bezeichnet)<br />
als Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen, vor allem<br />
die koronare Herzkrankheit, erst seit den 80er Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts von den führenden wissenschaftlichen Fachgesellschaften<br />
nur allmählich als bedeutsamer Faktor akzeptiert<br />
wurde. Zuvor galten fast ausschließlich klinische Symptome, wie<br />
erhöhter Blutzuckerspiegel (Diabetes), erhöhter Blutdruck (Hypertonie)<br />
oder erhöhter Blutfettspiegel (Hypercholesterinämie<br />
bzw. Hypertriglyzeridämie) als wichtige Risikofaktoren, die dann<br />
i. d. R. medikamentös behandelt werden sollten. Von den verhaltensbedingten<br />
Faktoren, also Bewegung, Ernährung, Psychoregulation<br />
(Entspannung) und Genussmittelkontrolle, wurde lediglich<br />
das inhalierende Rauchen als Risikofaktor erwähnt – Letzteres<br />
allerdings gegen stetige, massive und teils auch erfolgreiche Interventionen<br />
der Tabakindustrie! Seit den 50er Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts hat sich so u. a. aus diesen medizinischen Vorstellungen<br />
heraus eine bis heute milliardenschwere Pharmaindustrie<br />
entwickelt, die nach wie vor die ärztlichen Therapien dominiert.<br />
Das deutsche „Gesundheitswesen“ ist seither i. W. immer noch<br />
ein Krankheitswesen.<br />
Schutzfaktor „körperliche Aktivität“<br />
Dabei gilt heutzutage vor allem ausreichende Bewegungsaktivität<br />
als einer der wesentlichsten Schutzfaktoren für zahlreiche<br />
Krankheiten – wenn diese nicht sogar an erster Stelle für ein tatsächlich<br />
wirksames Gesundheitsverhalten steht. Doch immer<br />
noch wird diesem Faktor im „Gesundheitswesen“ viel zu wenig<br />
Beachtung geschenkt, was vor allem für die niedergelassenen<br />
Ärzte gilt. Daher war es sehr zu begrüßen, dass kürzlich auf der<br />
FIBO <strong>2022</strong> die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention<br />
(DGSP) in ihrem Symposium den Fokus auf die Initiative<br />
„exercise is medicine“ (E = M) gelegt und die Verbände DFAV<br />
e.V., Rehavitalis e.V. und BVGSD e.V. ihr Symposium mit „Der Weg<br />
zum Gesundheitsstudio“ überschrieben hatten. Denn heute besteht<br />
bekanntlich doch auch seitens der WHO Konsens darüber,<br />
dass regelmäßige körperliche Aktivität für den Erhalt und die<br />
Steigerung der Gesundheit unumgänglich ist (WHO, 2020).<br />
Aktivitäts-Minimum und Optimum<br />
Aktuell werden daher aufgrund der heute verfügbaren wissenschaftlichen<br />
Evidenz von allen entsprechenden Fachgesellschaften,<br />
wie auch von der WHO (Weltgesundheits-Organisation), pro<br />
Woche etwa 150 Minuten (2 ½ Stunden) moderate ausdauernde<br />
Aktivität plus zwei ca. 20-30 minütige Einheiten Ganzkörperkräftigung<br />
sowie die bestmögliche Einschränkung des sitzenden<br />
Verhaltens für den Schutz vor Krankheiten und frühzeitige Todesfälle<br />
empfohlen, was für weite Bevölkerungskreise bereits eine<br />
gut umsetzbare Orientierung darstellt. Allerdings ist besonders<br />
für Trainingsanfänger oder bisherige „Bewegungsmuffel“ auch<br />
schon etwas körperliche Aktivität hilfreich, die dann durchaus<br />
auch schon einen - natürlich aber geringeren - Nutzen hat. Das<br />
WHO-Ziel kann und sollte für diese genannte Gruppe folglich<br />
über mehrere Monate langsam aufbauend erreicht werden. Dafür<br />
kann etwa als Einstieg auch gut ein Präventionskurs nach §<br />
20 SGB V (z. B. im Sinne eines „Fitnessführerscheins“) oder auch<br />
ein Rehasport-Angebot nach § 64 SGB IX dienen, die beide zwar<br />
eher im unteren Bereich des empfohlenen Bewegungsumfangs<br />
der WHO liegen, die aber damit zumindest das Minimum von<br />
etwa 30-45 Minuten wöchentlicher Aktivität erfüllen.<br />
Auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Studien stellt sich<br />
aber auch immer klarer heraus, wo das gesundheitsförderliche<br />
(präventive) Optimum für die häufigsten Zivilisations-Krankheiten<br />
(Herz-Kreislauf, Atemwege, Krebs) liegen könnte. Dieses wird<br />
heute bei etwa 50 MET-Stunden pro Woche gesehen (vgl. zuletzt<br />
dazu Lee et al., 2021). Bei einer moderaten Belastungsintensität<br />
mit 5 MET (1 MET = Ruheumsatz) würde das somit 10 Stunden<br />
körperliche Aktivität pro Woche bedeuten (z. B. durch etwas anstrengende<br />
gymnastische Übungen plus Radfahren mit 15 km/h<br />
oder Walking mit 5 km/h). Für bereits Trainierte, die mit einem<br />
Tempo von etwa 10 km/h zügig laufen können und die außerdem<br />
intensives Muskeltraining im Gesundheitsstudio betreiben,<br />
was jeweils mit ca. 10 MET zu Buche schlägt, halbiert sich dann<br />
die Belastungsdauer auf 5 Stunden pro Woche. Trainingsumfänge<br />
darüber hinaus haben dann allerdings nur noch einen geringfügig<br />
höheren Nutzen, sind aber, anders als in früheren Studien<br />
aufgrund statistischer Fehelberechnungen behauptet, durchaus<br />
weiter gesundheitsförderlich (vgl. Lee et al., 2021).<br />
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