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Leo Mai/Juni 2022

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Wahlverwandtschaften erleben durfte,<br />

ist mein großes Glück. Denn wenn ich<br />

nicht immer wieder in solchen Kontexten<br />

arbeiten könnte, hätte ich diesen Beruf<br />

vermutlich längst an den Nagel gehängt.<br />

Wie schnell fühlen Sie sich denn<br />

bei solchen künstlerischen<br />

Mitstreiter*innen wirklich zu<br />

Hause?<br />

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich,<br />

wie mit allen Freundschaften, aber mit<br />

der Zeit hat man schnell ein Gespür dafür,<br />

mit wem man gut harmoniert und mit<br />

wem nicht. In manchen Fällen kenne ich<br />

die Leute ewig, mit denen ich drehe, etwa<br />

Joanna Hogg, mit der ich befreundet bin.<br />

Joe und ich kennen uns, wie gesagt, auch<br />

schon 17 Jahre, Luca Guadagnino sind<br />

seit über 20 Jahren Weggefährten. Aber<br />

dann gibt es auch Fälle wie Pedro Almodóvar.<br />

Als der mich vor drei Jahren anrief,<br />

um einen Kurzfilm zu drehen, kannten<br />

wir uns eigentlich kaum, aber weil ich so<br />

vertraut war mit seinem Werk, spürte ich<br />

trotzdem eine enge Verbindung zu ihm.<br />

Gerade habe ich mit Julio Torres einen<br />

Film gedreht, der zum ersten Mal überhaupt<br />

Regie geführt hat. Doch auch ihn<br />

kannte ich zumindest als Comedy-Autor.<br />

So ein Minimum an Bezug zu jemandem<br />

muss ich schon haben, um mich darauf<br />

einzulassen.<br />

Lieben Sie denn alle Ihre Filmfamilien<br />

gleichermaßen?<br />

Ja, und ich habe Angst vor dem Tag,<br />

an dem das für mich zum Problem<br />

wird. Denn was mache ich,<br />

wenn Joe und Bong und<br />

Joanna alle gleichzeitig<br />

mit mir drehen wollen?<br />

Mich zwischen ihnen<br />

entscheiden zu<br />

müssen wäre mein<br />

Albtraum. Bislang ging<br />

das immer glatt, und wir<br />

zeitlich immer alles so<br />

geregelt bekommen, dass<br />

ich in Ruhe von Haus zu Haus<br />

wandern konnte, um es mal so<br />

auszudrücken. Die Organisation meines<br />

Kalenders ist in meinem Alltag wirklich<br />

die größte Herausforderung von allen.<br />

Denn natürlich hat man das Timing<br />

nicht immer im Griff. Ich vergleiche<br />

solche künstlerischen Kollaborationen<br />

immer mit der Arbeit eines Gärtners.<br />

Man pflanzt hier ein paar Rosen, dort<br />

ein paar Tulpen und auch noch einige<br />

Drillingsblumen – und dann wartet<br />

man. Aus mancher Blumenzwiebel wird<br />

nie etwas, andere Pflanzen brauchen<br />

– so wie zum Beispiel Guadagninos<br />

„Suspiria“-Projekt – 25 Jahre. Und<br />

mitunter geht es auch mal viel schneller<br />

als erwartet.<br />

Um noch einmal auf „Memoria“<br />

zurückzukehren: sind Sie denn<br />

letztlich dafür verantwortlich,<br />

dass Weerasethakul nun erstmals<br />

außerhalb von Thailand gedreht<br />

hat?<br />

Ich hatte zumindest von Anfang an<br />

gesagt, dass ich mir nicht wirklich<br />

vorstellen kann, wie ich auf stimmige<br />

Weise Teil seiner thailändischen Szenerie<br />

werden könnte. Und auch Joe hatte kein<br />

Interesse daran, mich als Fremdkörper<br />

in dieser Welt zu inszenieren. Er wollte<br />

nicht, dass ich „die Andere“ bin, sondern<br />

dass wir auf Augenhöhe miteinander<br />

arbeiten. So entstand die Idee, dass wir<br />

irgendwo drehen, wo wir beide fremd<br />

sind. Und so landeten wir letztlich in<br />

Kolumbien.<br />

Steckt in der Figur, die Sie nun<br />

verkörpern, eigentlich auch etwas<br />

von Ihnen? Oder denken Sie nicht<br />

in solchen Kategorien über Ihre<br />

Rollen nach?<br />

Es gibt zumindest Elemente, die ich konkret<br />

mit eingebracht habe. Die Schlaflosigkeit<br />

dieser Frau habe ich, genau wie<br />

übrigens auch Joe, schon selbst erlebt.<br />

Ich weiß, in welchen seltsamen Zustand<br />

man gerät, wenn man zwei Wochen lang<br />

eigentlich nicht schläft. Das fühlt sich<br />

fast an wie eine Art Drogentrip. Bei mir<br />

war das damals eine Nebenerscheinung<br />

von Trauer, eine Reaktion auf den Tod<br />

meiner Eltern. Deswegen verarbeitet nun<br />

auch die Figur in „Memoria“ einen Verlust<br />

und ringt mit diesem Gefühl<br />

der Entwurzelung. Diese<br />

Trauer-Erfahrung als<br />

Schwebezustand<br />

hat mich selbst<br />

sehr geprägt. Ich<br />

weiß noch, wie<br />

meine Mutter im<br />

Sterben lag und<br />

Luca Guadagnino<br />

mit mir „A Bigger<br />

Splash“ drehen wollte.<br />

Eigentlich wollte ich in<br />

dem Jahr keinen Film machen,<br />

aber er konnte mich überreden, weil ich<br />

Lust darauf hatte, Zeit mit ihm und dem<br />

Team zu verbringen. Meine Bedingung<br />

war nur, dass ich still sein kann, denn<br />

damals konnte ich nicht sprechen und<br />

wollte nichts sagen. Also verwandelten<br />

wir die Rolle von einer Schauspielerin<br />

in eine Rocksängerin nach einer<br />

Stimmbandoperation.<br />

*Interview: Patrick Heidmann<br />

Im vollständigen Interview auf<br />

männer.media erklärt Tilda Swinton,<br />

warum sie das Kino für so gar nicht<br />

tot hält. Trotz Netflix.<br />

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/Aline.DerFilm

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