Hinz&Kunzt 350 April 2022
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Wie geht Frieden?<br />
also all die Dinge gar nicht sagen, mit denen er jetzt<br />
erklärt, warum er trotzdem geflohen ist: „Es war schon immer<br />
meine Position, dass ich nicht kämpfen möchte. Ich<br />
glaube auch, ich wäre nicht gut darin. Es gibt viele andere,<br />
die darin ausgebildet sind. Ich habe gearbeitet, ich habe<br />
Steuern dafür gezahlt, dass mein Land möglichst gut vorbereitet<br />
ist. Das würde ich jetzt weiter gerne machen:<br />
arbeiten, um die Ukraine zu unterstützen. Und natürlich<br />
meine Familie. Was wäre aus ihr geworden ohne mich?<br />
Am besten helfe ich, wenn ich ihr helfe.“<br />
Eine Stunde ist vergangen, doch Artem hat seinen<br />
Kaffee nicht mal angerührt. Sobald er die Tasse anhebt,<br />
fällt ihm sofort noch etwas ein. Er weiß, er ist nicht der<br />
Einzige, der so denkt: Viele seiner Freunde hatten dieselben<br />
Gedanken, auch andere wollten fliehen, manche haben es<br />
wohl auch geschafft.<br />
Natürlich leide er mit den Menschen in seiner Heimat.<br />
Mit den Freund:innen, mit denen er regelmäßig telefonierte,<br />
für die er und seine Frau auch Medikamente organisierten,<br />
denen sie bei der Flucht halfen. Aber an diesem<br />
Nach mittag in Berlin wirkt es auch, als versuche er sich<br />
von seiner Heimat zu lösen. Vielleicht wäre er zurückgekehrt<br />
oder gar nicht erst geflohen, irgendwo in der Westukraine<br />
geblieben, hätte versucht von dort zu helfen. Aber<br />
so? „Ich gehöre diesem Land nicht“, dieser Gedanke begleitet<br />
ihn, seit er im Auto gen Westen die Nachrichten las.<br />
An etwas muss er sich aber noch gewöhnen, und zwar an<br />
die Behäbigkeit Berlins. Alles sei so langsam hier. „Ja, in<br />
Kiew geht alles viel schneller, die Läden sind immer geöffnet,<br />
sofort bekommst du alles, was du brauchst“, sagt er. Hier<br />
müssten sie zwei Wochen auf eine Bankkarte warten, ihr<br />
Deutschkurs beginnt im Mai. „Es ist eine komische Situation<br />
für mich, noch nie war ich ohne Arbeit und ohne Heimat“,<br />
sagt Artem. Pünktlich zum nächsten <strong>April</strong>regen verschwindet<br />
er in den Straßen von Berlin, einer unter vielen. •<br />
Buchpräsentation<br />
Die Neuerscheinung von Hamburgs<br />
unabhängigem Literaturfestival<br />
Montag<br />
9. Mai, 19.30 Uhr<br />
Gängeviertel<br />
Valentinskamp 34<br />
Eintritt frei<br />
FRISCH IN DEN FRÜHLING...<br />
Anna-Elisa Jakob beobachtet in diesen Wochen,<br />
wie sich Männer in ihrem Bekanntenkreis gegenseitig<br />
die Frage stellen: Würdest du kämpfen?<br />
Und oft ganz andere Antworten geben als gedacht.<br />
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