Hinz&Kunzt 350 April 2022
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<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />
Aus einem alten VW-Bus kreierte Erwin Wurm (rechts)<br />
2018 einen aufgeblähten Hot-Dog-Wagen und stellte ihn<br />
vor der New Yorker Skyline aus.<br />
FOTOS: S. 46: LIZ LIGON, S. 47: JONATHAN WONG<br />
PICTURE ALLIANCE / NEWSCOM<br />
F<br />
ür Erwin Wurm haben Essiggurken<br />
und Menschen viel gemeinsam.<br />
Beide sind individuell<br />
verschieden, aber doch klar<br />
erkennbar als das, was sie sind, findet<br />
der Künstler und porträtierte sich selbst<br />
auch schon mal kurzerhand als Essiggurke.<br />
Ist das Kunst?<br />
Für Erwin Wurm kann alles zur<br />
Skulptur werden. Nicht nur Essiggurken,<br />
auch Alltagsobjekte verfremdet<br />
und deformiert er in seinen Arbeiten:<br />
Pistolen sind verfettet, Häuser stehen<br />
Kopf, Autos sind aufgebläht, riesige Bananen<br />
fliegen durch Fußgängerzonen.<br />
Erwin Wurm stellt die Wahrnehmung<br />
infrage und öffnet neue Sinnesebenen.<br />
Nichts ist so, wie es scheint, unter der<br />
Oberfläche lauert die Überraschung.<br />
Sein Humor ist speziell, eher ironisch<br />
als schenkelklopfend, oft spitz<br />
und entlarvend, wenn er sich die Obsessionen<br />
der Gesellschaft vornimmt:<br />
Schlankheitswahn und Fettsucht, Mode,<br />
Werbung und Konsumkult, Kapitalismus<br />
und Umweltzerstörung spießt er<br />
auf und hält den Menschen den Spiegel<br />
vor. Damit wurde der 1954 geborene<br />
Österreicher zu einem der bedeutendsten<br />
Künstler seiner Generation, international<br />
anerkannt für seinen einzigartigen<br />
Zugang zur Skulptur – durch die<br />
Verwendung von Video und 3D-Drucker,<br />
mit Zeichnungen, Fotografien und<br />
Performances hat er sie neu erfunden<br />
und gleichzeitig zugänglicher gemacht.<br />
Erwin Wurm wechselt Genres und<br />
Themen, Materialien und Techniken –<br />
und so ändert sich auch der Blickwinkel<br />
auf die Gesellschaft. Mit seinen fotografisch<br />
dokumentierten „One Minute<br />
Sculptures“ hat er sich final beim Publikum<br />
und in der globalen Kunstszene<br />
etabliert. Betrachter:innen werden Teil<br />
seiner Kunst, wenn sie sich darauf einlassen<br />
und Wurms Handlungsanweisungen<br />
folgen: Menschen interagieren<br />
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