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Hinz&Kunzt 350 April 2022

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Reportage<br />

resozialisieren hier kein Tier, sondern<br />

bereiten die Hunde auf ein Leben<br />

außer halb unseres geschützten Settings<br />

vor“, sagt Bokr. Es geht nicht um<br />

„Sitz!“ und „Platz!“, sondern darum, die<br />

Tiere im Umgang mit Menschen zu<br />

schulen und ihre Frustrationstoleranz<br />

zu erhöhen.<br />

Das braucht Zeit. Deshalb wird jeder<br />

neue Höllenhund zunächst drei<br />

Monate nur beobachtet: Wie verhält er<br />

sich in der Gruppe? Was sind seine Probleme?<br />

Wie reagiert er auf Konflikte?<br />

Zu den Hunden, die in die Hellhound<br />

Foundation kommen, gehören Schäferhunde,<br />

Malinois, Pitbulls oder nervenschwache<br />

Straßenhunde mit besonders<br />

kurzer Zündschnur. Sie gut einschätzen<br />

zu können, ist wichtig. Auf viele Menschen<br />

wirke das lange Zuschauen befremdlich,<br />

sagt Bokr: „Aber hier kannst<br />

du nur mit Ruhe und Geduld arbeiten.<br />

Denn du stehst vor Problemen, an<br />

denen andere vor dir gescheitert sind.“<br />

Veterinärämter und Tierheime sind<br />

mit solchen Hunden oft überfordert. In<br />

der Kurzbeschreibung heißt es dann<br />

häufig nur: Hund aus schwierigen Verhältnissen.<br />

Das sei unfair den Leuten<br />

gegenüber, die einem Tier helfen wollen,<br />

aber keine fachgerechte Aussage bekommen.<br />

Und gefährlich, findet Bokr. Sie<br />

fordert neben gewissenhafteren Vermittlungen<br />

auch eine Reform der Ausbildung<br />

zum Tierpfleger: „Nach drei<br />

Jahren kennst du die Grundlagen über<br />

Katzen, Hunde und Reptilien – weißt<br />

aber nicht, wie ein Hund guckt, wenn er<br />

dich fressen will. Über spezielle Fortbildungen<br />

ließe sich dieses Problem lösen.“<br />

Wer sich ihrer Anlage nähert, hört<br />

lautes, heftiges Bellen. Knapp ein Dutzend<br />

Hunde, fast alle tragen Maulkorb,<br />

stehen angespannt vor dem Eingang.<br />

Doch schon ein paar Minuten später:<br />

Ruhe. Die Hunde dösen auf der Terrasse<br />

oder schmiegen sich an einen Mitarbeiter.<br />

Aggression und Gelassenheit,<br />

beide Pole symbolisieren den Alltag<br />

ebenso wie die Charaktere der Hunde.<br />

„Wir haben hier außergewöhnlich viele<br />

Tiere, die intelligenter sind und deutlich<br />

mehr infrage stellen als ihre Artgenossen.<br />

Aus den verschiedensten Gründen<br />

haben sie verlernt, in Stresssituationen<br />

angemessen zu reagieren. Deswegen<br />

sind sie hier. Doch kein Hund will per­<br />

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