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CONNECT Magazin 22-02

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Wie kamen chinesische Kunstgegenstände in deutsche Museen?<br />

Objekte erzählen Geschichte<br />

Abb.: MARKK / Paul Schimweg<br />

Abb.: Staatliche Museen zu Berlin, Zentralarchiv / Kerstin Pannhorst<br />

In Ostfriesland gehen die Museumsdetektive um. Ein Forschungsprojekt der<br />

Provenienzforschung versucht, Klarheit über mehr als 500 Objekte aus China zu<br />

bekommen, berichtet der NDR in einem Filmbeitrag. Gleich in vier ostfriesischen<br />

Museen werden die Bestände untersucht: bei der Naturforschenden Gesellschaft in<br />

Emden, dem Ostfriesischen Teemuseum in Norden, dem Fehn- und Schiffahrtsmuseum<br />

Westrhauderfehn und dem Deutschen Sielhafenmuseum in Carolinensiel.<br />

Wurden die Mitbringsel aus China, die hier gezeigt werden, rechtmäßig erworben?<br />

Wie gelangten sie überhaupt hierher? Es ist nicht klar, wie umfangreich sich die deutschen<br />

Kolonialtruppen in China an Plünderungen beteiligt haben. Darüber aber wird<br />

wenig öffentlich diskutiert. „Aus westlicher Sicht dürfte es viel damit zu tun haben,<br />

dass China aufgrund seiner heutigen Stellung – wenn es um die internationale Politik,<br />

um Wirtschaft und Ähnliches geht – kaum als Opfer tauglich scheint, das sozusagen<br />

koloniale Gewalt erlitten hat, sondern auch in der gegenwärtigen Berichterstattung<br />

eher als Täter dargestellt wird“, so der Historiker Cord Eberspächer. In Carolinensiel<br />

etwa wird die 300 Objekte umfassende ostasiatische Sammlung untersucht, unter der<br />

sich auch die Nachlässe zweier in Qingdao stationierter deutscher Seesoldaten befinden.<br />

Die Familien der Männer hatten dem Museum unter anderem Möbel, Teegeschirr,<br />

Alltagsgegenstände und eine wertvolle Porzellanschale aus der ehemaligen<br />

deutschen Kolonie überlassen. In Emden will man die Provenienzgeschichte von 65<br />

Exponaten erforschen, die Seeleute und Kolonialbeamte aus China mitbrachten. Das<br />

Vareler Heimatmuseum fragt sich: Wie kam der lange Zopf eines Chinesen ins Museum,<br />

welche Geschichte könnte er erzählen?<br />

Als neues Schlagwort ergreift die Provenienzforschung, die Forschung der Geschichte<br />

der Herkunft (Provenienz) von Kunstwerken und Kulturgütern, europaweit die Museen.<br />

Dazu wird ein großer Verbund aufgebaut. Erstmals tun sich unter der Leitung<br />

des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin in einem Projekt sieben große<br />

deutsche Museen zusammen, um ihre Bestände systematisch nach Plünderware aus<br />

dem Boxerkrieg zu untersuchen, melden die Staatlichen Museen<br />

zu Berlin. Anlässlich des vierten Tags der Provenienzforschung<br />

im April dieses Jahres unter dem Motto „Spuren des<br />

Boxerkriegs in deutschen Museumssammlungen“ stellten sie<br />

erste Arbeitsergebnisse vor. Susanne Knödel vom MARRK<br />

Hamburg berichtete, dass viele Objekte nach dem Boxerkrieg<br />

in das Hamburger Völkerkundemuseum kamen. Die riesigen<br />

China-Bestände werden jetzt nicht nur erfasst, sondern auch<br />

digitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht. Dies dient auch<br />

dem Austausch mit anderen Museen und der interessierten<br />

Öffentlichkeit. Digital oder durch gemeinsame Projekte mit<br />

chinesischen Partnern.<br />

Noch vor wenigen Jahren gab es in den deutschen Museen<br />

kaum ein Bewusstsein für die oft problematische Herkunft der<br />

Objekte. Die Sammlungen würden in der europäischen Tradition<br />

der Kunstgeschichte und der Museumsgestaltung zusammengestellt,<br />

die es in den Herkunftsländern kaum gebe. Mit diesem<br />

westlich-überheblichen Blickwinkel raubte man diesen Ländern<br />

nicht nur die Gegenstände, sondern auch ihre kulturelle Deutung.<br />

Dies ändert sich durch die Provenienzforschung zurzeit<br />

grundlegend.<br />

Spuren des Boxerkriegs in deutschen<br />

Museumssammlungen – eine gemeinsame<br />

Annäherung >><br />

NDR-Beitrag „Raubgut oder Mitbringsel?<br />

Museen in Ostfriesland erforschen ihren<br />

Bestand“ >><br />

Abb.: NRICH/MARKK / Seo Heunkang<br />

www.chk-de.org

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