CONNECT Magazin 22-02
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Das hieß für ihn: anfangs fünf Tage Urlaub, später<br />
dann sieben Tage. Auf Dauer war für ihn ein<br />
solches lokales Arbeitsverhältnis nichts, wobei<br />
er sich auch Gedanken über seine Zukunft machte:<br />
„Wie ist das später, wenn man älter ist?“<br />
Rente und so. Er kam zu dem Entschluss: „Vielleicht<br />
ist es doch besser in Deutschland.“ 2016<br />
zog er zurück nach Deutschland, nach Sachsen-Anhalt<br />
– um genau zu sein.<br />
In Köthen an der Hochschule Anhalt machte er<br />
seinen Master in Software-Lokalisierung. Das<br />
hatte er ja bereits in seinem Job in China praktiziert.<br />
Nun holte er die Theorie nach.<br />
Software-Lokalisierung – was ist das genau?<br />
Bochmann erklärt: „Softwareprodukte wie zum<br />
Beispiel Spiele sind ja meistens in Englisch oder<br />
Chinesisch konzipiert und geschrieben. Sie müssen<br />
also auf den deutschen Markt angepasst<br />
werden. Es ist eine Verbindung zwischen Informatik<br />
und Übersetzung.“ In diesem Metier arbeitet<br />
Bochmann seit April 2019 bei GK Software,<br />
einem Unternehmen aus dem Vogtland, das über<br />
1.000 Beschäftigte hat und Software für Kassenlösungen<br />
anbietet. Mit China hat er dort allerdings<br />
nicht mehr viel zu tun.<br />
Aber er hat ja noch eine Nebentätigkeit – seinen<br />
Douyin-Auftritt. Und das kam so: Um die Weihnachtszeit<br />
2018 hatte er einen Hot Pot gekocht.<br />
Das ganze Drumherum hat er gefilmt und „ein<br />
bisschen lustig aufbereitet“, wie er sagt. Das<br />
kurze Video hat er dann bei Douyin hochgeladen<br />
und war total überrascht von der Resonanz: „Auf<br />
einmal hatten wir zehn Millionen Klicks.“ Er und<br />
sein chinesischer Partner TAO Ye waren begeistert<br />
und sie entwickelten das Format einfach<br />
weiter, produzierten immer mehr Videos. „Derzeit<br />
haben wir 560.000 Follower in China“, sagt<br />
Bochmann. In seinen Videos will Bochmann den<br />
Chinesen Deutschland und seine Besonderheiten<br />
etwas näherbringen. Dazu präsentiert er Geschichten<br />
aus dem deutschen Alltag, sei es beim<br />
Essen oder Einkaufen. Oder wie anders deutsche<br />
Familien ticken. Oder auch seriöse Themen wie<br />
das Leben des John Rabe, der beim Massaker in<br />
Nanjing viele Menschenleben rettete, den aber<br />
hierzulande kaum jemand kennt. Zum Jahrestag<br />
des Massakers im Dezember besuchte er das<br />
Grab von John Rabe in Berlin-Spandau und dreh-<br />
Hier geht es zum Douyin-Kanal<br />
von Michael Bochmann.<br />
te darüber ein Video. Es wurde von drei Millionen<br />
Chinesen angeklickt. Seine Videos sind aufwendig.<br />
„Für ein 2-Minuten-Video brauche ich<br />
schon einen halben, manchmal auch einen ganzen<br />
Tag“, erklärt er. Trotzdem hat er den Anspruch,<br />
jede Woche ein Video zu produzieren und<br />
online zu stellen.<br />
Ob er seinen Bekanntheitsgrad in China mal vermarkten<br />
will? Er will es nicht ausschließen: „Bei<br />
mir muss das aber einen Deutschland-Bezug<br />
haben, und ich muss das mal testen. Aber ich<br />
vermarkte derzeit lieber meine eigenen Deutschkurse.“<br />
Ach ja, der viel beschäftigte Herr Bochmann<br />
(er hat während seiner Shanghaier Zeit am<br />
Goethe Institut ein Zertifikat „Deutsch als Fremdsprache“<br />
erworben) unterrichtet auch noch Chinesen<br />
in Deutsch. Dazu haben er und sein Partner<br />
eine Firma auf Hainan gegründet. Am Wochenende<br />
versucht er, 40 Chinesen die deutsche Sprache<br />
näherzubringen. Online versteht sich.<br />
Gern würde er mal wieder leibhaftig nach China<br />
reisen. 2019 war er zum letzten Mal dort. „Ich<br />
halte mir immer im September drei Wochen für<br />
eine China-Reise frei, aber das hat bislang nicht<br />
geklappt“, sagt er. „Aber hoffentlich im nächsten<br />
Jahr.“<br />
www.chk-de.org