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FINE Das Weinmagazin, 57. Ausgabe - 02/2022

ASSMANNSHÄUSER HÖLLENBERG ZEITREISE MIT SPÄTBURGUNDERN Das Hauptthema dieser Ausgabe ist: WEIN & ZEIT Der Assmannshäuser Höllenberg TASTING Höllenberg-Spätburgunder ab 1882 Weitere Themen dieser Ausgabe: EDITORIAL Von Geschmack und Perspektiven CHARTA Die FINE-Weinbewertung TOSKANA Loto: Der Traum des Ingenieurs BORDEAUX Tertre Roteboeuf: Feinste Aromenmusik TASTING Bordeaux des Jahrgangs 1970 SAUTERNES Château Rieussec: Umbruch in Sauternes TASTING Château de Lamarque im Haut-Médoc DIE PIGOTT-KOLUMNE Châteauneuf-du-Pape und Côtes du Rhône CHAMPAGNE Die 100 wichtigsten Champagner, Teil 5 WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase im »Atelier« in München WHISKY Glenmorangie: Im Zeichen der Giraffe KATALONIEN Torres, Teil 5: Priorat – Klasse aus der Einöde INNOVATION Willkommen im Metaversum! NEUE REBSORTEN Piwi-Rebsorten: Wehrhafte Weinstöcke WORTWECHSEL Alkoholfreie Weine? Nun ja ... DAS GROSSE DUTZEND Gereifte Rosés TASTING Schätze der Bischöflichen Weingüter Trier GENIESSEN Hefe im Wein: Ungeklärte Verhältnisse OBSTBRAND Ziegler: Frucht ohne Verfallsdatum RHEINHESSEN Weingut Wittmann: Triumph des Charakters ABGANG Die Kraft der Visionen

ASSMANNSHÄUSER HÖLLENBERG
ZEITREISE MIT SPÄTBURGUNDERN

Das Hauptthema dieser Ausgabe ist:
WEIN & ZEIT Der Assmannshäuser Höllenberg
TASTING Höllenberg-Spätburgunder ab 1882

Weitere Themen dieser Ausgabe:

EDITORIAL Von Geschmack und Perspektiven
CHARTA Die FINE-Weinbewertung
TOSKANA Loto: Der Traum des Ingenieurs
BORDEAUX Tertre Roteboeuf: Feinste Aromenmusik
TASTING Bordeaux des Jahrgangs 1970
SAUTERNES Château Rieussec: Umbruch in Sauternes
TASTING Château de Lamarque im Haut-Médoc
DIE PIGOTT-KOLUMNE Châteauneuf-du-Pape und Côtes du Rhône
CHAMPAGNE Die 100 wichtigsten Champagner, Teil 5
WEIN & SPEISEN Jürgen Dollase im »Atelier« in München
WHISKY Glenmorangie: Im Zeichen der Giraffe
KATALONIEN Torres, Teil 5: Priorat – Klasse aus der Einöde
INNOVATION Willkommen im Metaversum!
NEUE REBSORTEN Piwi-Rebsorten: Wehrhafte Weinstöcke
WORTWECHSEL Alkoholfreie Weine? Nun ja ...
DAS GROSSE DUTZEND Gereifte Rosés
TASTING Schätze der Bischöflichen Weingüter Trier
GENIESSEN Hefe im Wein: Ungeklärte Verhältnisse
OBSTBRAND Ziegler: Frucht ohne Verfallsdatum
RHEINHESSEN Weingut Wittmann: Triumph des Charakters
ABGANG Die Kraft der Visionen

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Abbildung: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden<br />

Hiesigen Rotwein hingegen erwähnte<br />

Simon gar nicht erst, und auch Marvel<br />

und Schoonmaker fanden keine allzu<br />

freundlichen Worte dafür: Ihnen sei in Deutschland<br />

kein Roter von Rang aufgefallen, obwohl die<br />

besseren Weine aus der »aristokratischen« Pinot-<br />

Traube gekeltert und nach dem Stand der (weltweit<br />

bewunderten) Wissenschaft vinifiziert würden.<br />

Doch das reiche bestenfalls für »dünne, instabile und<br />

damit im Grunde uninteressante« Weine. Welch<br />

ein Kontrast zu dem Lob, das Rudolf Gareis, seit<br />

1918 Direktor der Preußischen Staatsdomänen im<br />

Rheingau, wenige Jahre zuvor für »seine« roten<br />

Assmannshäuser Spätburgunder übrig gehabt hatte:<br />

»Je nach dem Reifezustand der Traube liefert sie einen<br />

feurig-roten bis dunkelgranatroten, gut gedeckten<br />

Edelrotwein mit einem leichten charakteristischen<br />

Mandelgeschmack von samtig milder, feiner Herbe<br />

und vollendet harmonischer Abrundung.«<br />

Die so gepriesenen Weine hatten im 19. Jahrhundert<br />

im Angebot keines Grandhotels in Berlin,<br />

Baden-Baden oder Bad Ems fehlen dürfen. Gleich<br />

drei Assmannshäuser standen 1904 auf der legendär<br />

voluminösen Weinkarte im Wiesbadener Kurhaus:<br />

eine Originalabfüllung des herausragenden Jahrgangs<br />

1893 aus der Königlich-Preußischen Domäne zum<br />

Preis von neun Mark, eine Auslese von 1890 aus der<br />

Lage Hinterkirch (»Blume von Assmannshausen«)<br />

zu sieben und ein 1897er aus der Domäne zu<br />

fünf Mark – alles freilich deutlich günstiger als<br />

Riesling-Auslesen aus dem Rheingau oder von Mosel,<br />

Saar und Ruwer. Auch mit »echten« Burgundern<br />

konnten die Assmannshäuser »Edelrotweine« nicht<br />

mithalten. Sonst hätte Wilhelm Ruthe, der Pächter<br />

der Restaurationsbetriebe des von Kaiser Wilhelm<br />

II. hochgeschätzten Kurhauses, wohl kaum Spitzenweine<br />

aus Burgund zu entschieden höheren Preisen<br />

auf die Karte gesetzt, zum Beispiel einen 1897er<br />

Chambertin für zehn Mark oder einen La Tâche für<br />

13 Mark. Die Preise für Schlossabzüge stiegen gar<br />

bis in schwindelerregende Höhen von 50 Mark und<br />

mehr. Damals stand der Assmannshäuser selbst in<br />

Deutschland nicht in einem solchen Ruf, dass man<br />

für Weine aus den besten Fässern der besten Jahrgänge<br />

so viel Geld hätte anlegen müssen wie für<br />

französische vins fins.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel Schoonmakers<br />

Urteil über deutsche Rotweine nicht günstiger aus.<br />

Sie glichen doch eher französischen Landweinen,<br />

hielt er 1957 in seinem erfahrungsgesättigten Buch<br />

»German Wines« fest. Sogar die Spätburgunder von<br />

der Ahr und aus der hochgelobten Staatsdomäne in<br />

Assmannshausen entsprächen selbst in den besten<br />

Fällen ziemlich leichten und gewöhnlichen Weinen<br />

aus den weniger berühmten Ecken der Côte d’Or<br />

oder guten Burgundern eines schwächeren Jahrgangs.<br />

Nun mag man den Vergleich zwischen Weinen<br />

aus einem kleinen Seitental des Rheins nördlich<br />

von Rüdesheim und der viel südlicher gelegenen<br />

1886 wurde die fiskalische Übersichtskarte der<br />

Assmannshäuser Weinberge erstellt. Die Luftaufnahme<br />

des Gebietes entstand nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

WEIN & ZEIT XLIII<br />

Côte d’Or für unpassend halten, zumal aus dem<br />

Mund eines Amerikaners. Doch Schoonmaker<br />

war kein Außenseiter. Aus der Innensicht des<br />

Weinhändlers Fritz Hallgarten, im Rheingau als<br />

Sohn eines jüdischen Weinkommissionärs aufgewachsen<br />

und 1933 nach London emigriert, war<br />

der regionalen Assmannshausen-Propaganda ebenfalls<br />

nicht zu trauen. Was da oft als bester deutscher<br />

Rotwein bejubelt werde, stellte der Exilant 1951<br />

in seinem Buch »Rhineland – Wineland« ganz<br />

unsentimental fest, sei halt kein Burgunder, auch<br />

wenn er von Burgunderreben stamme. Es sei vielmehr<br />

ein Rheinwein, der einige burgundische Qualitäten<br />

besitze. Den Unterschied mache der Boden:<br />

Was das Rheinische Schiefergebirge hervorbringe,<br />

sei weniger fein als die französischen Burgunder, aber<br />

vielleicht aus denselben Gründen zugleich kräftiger.<br />

Wenn aber keiner dieser Blicke von außen<br />

sonderlich vorteilhaft ausfiel: Führt die »deutsche«<br />

Sicht auf den Assmannshäuser möglicherweise noch<br />

immer zu einem Selbstbetrug – angefangen mit<br />

der Legende, die Deutschen hätten den »roten«<br />

Burgundern damit wenigstens in guten Jahren die<br />

Stirn bieten können?<br />

Ob schon die Zisterzienser rote<br />

Trauben angebaut haben, ist unklar<br />

Zunächst ist die weit verbreitete Ansicht ins Reich<br />

der Fabel zu verweisen, die Zisterzienser hätten im<br />

12. Jahrhundert die Pinot-Trauben von Burgund an<br />

den Rhein geholt und Assmannshausen zu einem<br />

Rotwein-Dorado gemacht. Von dem Problem<br />

abgesehen, für Mittelalter und frühe Neuzeit rückblickend<br />

Rebsorten zu bestimmen (die Ampelografie<br />

ist ein Kind des 19. Jahrhunderts): In einer<br />

Preisliste der Staatsdomäne von 1968 hieß es in aller<br />

Nüchternheit, zwar sei Weinbau in Assmannshausen<br />

schon im Jahr 1108 und damit vor der Ankunft der<br />

Zisterzienser urkundlich belegt, der »Anbau von<br />

Rotweinsorten« lasse sich jedoch erst ab 1740<br />

nachweisen. Tatsächlich fehlt bis heute ein Nachweis,<br />

dass sich unter den Spitzenweinen der Abtei<br />

(rote) Weine aus Assmannshausen befunden hätten.<br />

Gewiss ist hingegen, dass die Eberbacher Zisterzienser<br />

mit einer zusammenhängenden Fläche von<br />

17 (nassauischen?) Morgen imstande gewesen wären,<br />

ähnlich wie im Steinberg und in anderen herausragenden<br />

Rheingauer Lagen Qualitäts weinbau zu<br />

treiben und »Cabinet-Weine« zu erzeugen.<br />

1806 kam dann Friedrich August von Nassau-<br />

Usingen als Oberhaupt des neuen, von den Franzosen<br />

errichteten Herzogtums Nassau in der Rechtsnachfolge<br />

der Abtei über Nacht zu Weinbergsbesitz in<br />

Assmannshausen. Aber als Grundbesitzer war er<br />

nur einer von vielen: Eine wohl erheblich größere<br />

Rebfläche hatte sich vor der Säkularisierung in den<br />

Händen des Mainzer Domkapitels und des Zisterzienserinnenklosters<br />

Marienhausen im nahen<br />

Aulhausen befunden, und auch andere Adlige waren<br />

in Assmannshausen reich begütert. Als Graf Hugo<br />

von Waldbott-Bassenheim, offenkundig in Geldnöten,<br />

dem nassauischen Fiskus neben anderen<br />

Rebbergen 35 mit »rothem Wein« bepflanzte<br />

Morgen in Assmannshausen verkaufte, stieg der<br />

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