11.08.2022 Aufrufe

Die Wirtschaft Köln - Ausgabe 05 / 2022

Mehr Wissen, besser entscheiden, erfolgreich unternehmen: Die Wirtschaft Köln bietet Ihnen mit exklusiven Einblicken in Branchen, Märkte und Betriebe acht Mal jährlich einen spannenden Mix aus aktuellen Nachrichten der Kölner Wirtschaft, Unternehmensportraits und Interviews mit Entscheidern der Region.

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Sonderthema Recht & Steuern | Geld & Geschäft |<br />

Rohstoffe nicht mehr oder nur noch stark<br />

verteuert zur Verfügung stehen, durch den<br />

Lockdown notwendige Lieferungen ausbleiben<br />

oder sich die Folgen eines Gasboykotts<br />

und der hoheitlich angeordneten Abschaltung<br />

von Unternehmen vom Gasnetz<br />

durch die Wertschöpfungskette fressen.<br />

Zum einen stellen sich schwierige materielle<br />

Rechtsfragen, z. B. ob im konkreten<br />

Fall höhere Gewalt oder ein Wegfall der<br />

Geschäftsgrundlage vorliegt und was die<br />

daraus resultierenden Folgen sind. <strong>Die</strong>se<br />

Fragen können in verschiedenen Rechtsordnungen<br />

unterschiedlich beantwortet<br />

werden. Zum anderen bringen Streitigkeiten<br />

in der Lieferkette zahlreiche prozessuale<br />

Probleme mit sich. <strong>Die</strong>s gilt insbesondere<br />

in Konstellationen, in denen gleichzeitig<br />

auf der einen Seite ein Kunde Ansprüche<br />

geltend macht und man auf der anderen<br />

Seite selbst diese Schäden an einen Vorlieferanten<br />

weiterreichen will.<br />

Vorsicht bei Vereinbarung<br />

von Streitschlichtungsmechanismen<br />

Sind mit Kunden und Vorlieferanten unterschiedliche<br />

Streitschlichtungsmechanismen<br />

vereinbart, gibt es vieles zu beachten.<br />

Denn besonders kritisch ist es, wenn die<br />

Ansprüche des Kunden auf der einen Seite<br />

zugesprochen werden, in einem eigenen<br />

Prozess gegenüber dem Vorlieferanten Ansprüche<br />

aus demselben Sachverhalt hingegen<br />

abgelehnt werden. Um auf solchen<br />

Schäden nicht „sitzen zu bleiben“ und divergierende<br />

Entscheidungen zu vermeiden,<br />

gibt es bei innerdeutschen Gerichtsverfahren<br />

die Möglichkeit der Streitverkündung<br />

(§§ 72 ff. ZPO). Durch die mit einer<br />

Streitverkündung ausgelöste sogenannte<br />

„Interventionswirkung“ sind tatsächliche<br />

und rechtliche Feststellungen des Erstgerichts<br />

auch für einen Folgeprozess gegen<br />

den Vorlieferanten bindend. Zudem hemmt<br />

die wirksame Streitverkündung die Verjährung<br />

möglicher Regressansprüche gegen<br />

den Vorlieferanten.<br />

Aber was ist, wenn der Vorlieferant seinen<br />

Sitz im Ausland hat, zumal in einem Staat,<br />

der das Institut der Streitverkündung nicht<br />

kennt? Und welche Auswirkungen hat es,<br />

wenn mit dem Kunden und/oder Vorlieferanten<br />

eine Schiedsabrede getroffen wurde?<br />

Jedenfalls wenn der Vorlieferant seinen<br />

Sitz in der EU hat, ist gemäß Art. 65 Abs.<br />

2 EuGVVO gewährleistet, dass das Gericht<br />

des Folgeprozesses an die Wirkungen der<br />

Streitverkündung gebunden ist, auch<br />

wenn der jeweilige Staat das Institut der<br />

Ebenso führen Lockdown-Maßnahmen in China zu Lieferausfällen und -Störungen<br />

Streitverkündung nicht kennt. Wichtig ist<br />

jedoch, die besonderen Voraussetzungen<br />

nach der EuZVO bei Zustellung zu beachten.<br />

Zudem sollte – auch wenn dies bei innerdeutschen<br />

Prozessen nicht Aufgabe des<br />

Erstgerichts und daher unüblich ist – unbedingt<br />

auf eine Feststellung der Streitverkündungswirkung<br />

durch das Erstgericht<br />

hingewirkt werden, wenn der Staat des Folgeprozesses<br />

das Institut der Streitverkündung<br />

(so) nicht kennt.<br />

Streitverkündung<br />

außerhalb der EU noch<br />

schwieriger<br />

Foto: Jörg Modrow, laif, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />

Außerhalb der EU ist die internationale<br />

Streitverkündung jedoch noch schwieriger<br />

und hängt unter anderem von der sogenannten<br />

Verbürgung der Gegenseitigkeit<br />

bei der Vollstreckung ab. Sitzt der Vorlieferant<br />

in Russland oder China, ist die internationale<br />

Streitverkündung daher wenig<br />

erfolgversprechend.<br />

Wenn für Streitigkeiten mit dem Kunden<br />

und/oder Vorlieferanten eine Schiedsvereinbarung<br />

getroffen wurde, ist ebenfalls<br />

fraglich, ob eine Streitverkündung möglich<br />

ist. In aller Regel wird es in diesen<br />

Fällen nicht ohne Weiteres möglich sein,<br />

durch einseitige Streitverkündung eine<br />

Bindungswirkung herzustellen, ohne dass<br />

sich nicht alle Parteien hierauf einigen.<br />

Nur wenige Schiedsordnungen sehen die<br />

Möglichkeit einer Streitverkündung vor.<br />

In manchen Fällen mag ein Mehrparteienschiedsverfahren<br />

möglich sein.<br />

<strong>Die</strong> dargestellten Beispiele verdeutlichen,<br />

dass es eine Standardlösung für diese Fragen<br />

nicht gibt. Weder sind die Sanktionen<br />

und Maßnahmen final noch sind alle Situationen<br />

miteinander vergleichbar. <strong>Die</strong> „richtige“<br />

Lösung ist jeweils die, die die Risiken<br />

für ein Unternehmen minimiert. Eine Einzelfallbetrachtung<br />

ist unabdingbar.<br />

Fazit<br />

<strong>Die</strong> direkten und indirekten Auswirkungen<br />

der Sanktionen und Maßnahmen führen<br />

im Streitfall zu komplexen Rechtsfragen,<br />

da nicht nur kollidierende Rechtsordnungen,<br />

sondern auch kollidierende Streitbeilegungsmechanismen<br />

eine Rolle spielen können.<br />

Insbesondere Unternehmen, die sich<br />

in einer Lieferkette befinden, sollten vorab<br />

sorgfältig ihre Prozessstrategie prüfen. W<br />

Gastautoren: Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl.-Reg.-Wiss., Rechtsanwältin,<br />

Regionalwissenschaftlerin Ostasien (China), Senior Associate im Complex Disputes Team<br />

und Dr. Linda Jarosch, Rechtsanwältin, Associate im Complex Disputes Team,<br />

beide Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />

Foto: Jörg Modrow, laif, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />

Foto: Maksym Yemelyanov- stock.adobe.com<br />

www.diewirtschaft-koeln.de 33

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