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Heinrich Bedford-Strohm | Peter Bubmann | Hans-Ulrich Dallmann | Torsten Meireis (Hrsg.): Kritische Öffentliche Theologie (Leseprobe)

Das Programm der Öffentlichen Theologie ist in unterschiedlichen internationalen Kontexten auf je eigene Weise entstanden und lässt sich als Diskursformat verstehen, das auf eine veränderte Öffentlichkeit reagiert und mittlerweile im Global Network for Public Theology zu einer eigenen akademischen Gestalt gefunden hat. Da diese Geschichte nicht nur im deutschsprachigen Kontext ohne Wolfgang Hubers Einfluss nicht nachvollzogen werden kann, ist es sinnvoll und angemessen, ihm einen Band zu widmen, der die Begründung und Weiterentwicklung der von ihm angestoßenen kritischen Spielart Öffentlicher Theologie zum Thema hat.

Das Programm der Öffentlichen Theologie ist in unterschiedlichen internationalen Kontexten auf je eigene Weise entstanden und lässt sich als Diskursformat verstehen, das auf eine veränderte Öffentlichkeit reagiert und mittlerweile im Global Network for Public Theology zu einer eigenen akademischen Gestalt gefunden hat. Da diese Geschichte nicht nur im deutschsprachigen Kontext ohne Wolfgang Hubers Einfluss nicht nachvollzogen werden kann, ist es sinnvoll und angemessen, ihm einen Band zu widmen, der die Begründung und Weiterentwicklung der von ihm angestoßenen kritischen Spielart Öffentlicher Theologie zum Thema hat.

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Kirche –gesellschaftskritische Instanz oder Moralagentur? 51<br />

bewegungen sein –, sondern diejenigen, die »mit der natürlichen Gebundenheit<br />

der Religion an Staat, Blut und Ort und mit der Verflechtung der Gottheit in<br />

Naturkräfte und Naturerscheinungen« gebrochen und die Vorstellung einer<br />

»deutlich in die Sinnenwelt hineintretenden übersinnlichen Welt absoluter jenseitiger<br />

religiöser Güter« hervorgebracht haben (Troeltsch, 1998: 191–193). Individualisierung<br />

der Religion und Universalisierung erscheinen hier als logisch<br />

miteinander verknüpft, weil die Beziehung der Gottheit »nicht mehr nur auf<br />

Familie, Sippe, Staat und Bundesschließung« sowohl das Individuum wie eine<br />

alle Partikularitäten überschreitende universale Sozialität ins Zentrum der Religion<br />

rückt.<br />

Zu diesen Formen des Universalismus rechnete Troeltsch, wie wir gesehen<br />

haben, auch die philosophischen Schulen des Platonismus und der Stoa, aber an<br />

anderen Stellen auch indische religiöse Traditionen, Ansätze im Neuplatonismus<br />

und Gnostizismus der Spätantike sowie in Judentum und Islam, die er aber als<br />

bloße »Gesetzesreligionen« von den »Erlösungsreligionen« im Vollsinn unterscheidet.<br />

Damit befindet sich das Christentum in einem Feld des Vergleichs religiöser<br />

und philosophischer Formen des moralischen Universalismus. Es kann<br />

der Frage nicht ausgewichen werden, wie konsequent das Christentum in seiner<br />

Geschichte dem moralischen Universalismus seiner Grundinspiration eigentlich<br />

treu geblieben ist, welche institutionellen und intellektuellen Formen dieser<br />

Universalismus annahm oder wie sehr er sich zu neuen Partikularismen wandelte.<br />

Das Christentum kann weiterhin im Vergleich der Religionen dann nicht<br />

wie selbstverständlich eine Überlegenheit in Hinsicht auf moralischen Universalismus<br />

in Anspruch nehmen.<br />

Die Ideale des moralischen Universalismus sind in der Welt der Politik und<br />

der Wirtschaft oder gar des Krieges und der Rüstung allerdings nie einfach zu<br />

verwirklichen. Das ist bei der Kritik anden Institutionen des Christentums immer<br />

auch zu berücksichtigen. Waswäre aus dem Christentum in seiner Frühzeit<br />

geworden, wenn es sich entschieden gegen die Institution der Sklaverei gestellt<br />

hätte?Anpassungen und Kompromissbildungen erscheinen im Rückblick, wenn<br />

dieser ohne die wohlfeile moralische Überlegenheitsgeste von Nachgeborenen<br />

erfolgt, als nötig, wenn schon nicht als geboten, dann doch als nachvollziehbar.<br />

Eben aber wegen dieser Schwierigkeit der Idealverwirklichung werden diejenigen,<br />

die das einmal Erkannte auch nicht zynisch ins Reich der nutzlosenTräume<br />

verbannenwollen, sich bemühen, diese Ideale zusammen mit anderen am Leben<br />

zu erhalten, sie den Nachkommen weiterzugeben, neuen Menschen die Augen<br />

für sie zuöffnen, die eigene Gemeinschaft zuschützen vor den Übergriffen von<br />

Staaten, welche in jedem Universalismus mangelnde Loyalität zum partikularen<br />

Gemeinwesen argwöhnen, in gemeinsamen Ritualen die Ideale immer wieder<br />

neu zu verlebendigen und eigene Formen des Zusammenlebens zu entwickeln,<br />

die wenigstens in etwas größerer Harmonie mit den Idealen sich befinden als das<br />

alltägliche Leben sonst.

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