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Heinrich Bedford-Strohm | Peter Bubmann | Hans-Ulrich Dallmann | Torsten Meireis (Hrsg.): Kritische Öffentliche Theologie (Leseprobe)

Das Programm der Öffentlichen Theologie ist in unterschiedlichen internationalen Kontexten auf je eigene Weise entstanden und lässt sich als Diskursformat verstehen, das auf eine veränderte Öffentlichkeit reagiert und mittlerweile im Global Network for Public Theology zu einer eigenen akademischen Gestalt gefunden hat. Da diese Geschichte nicht nur im deutschsprachigen Kontext ohne Wolfgang Hubers Einfluss nicht nachvollzogen werden kann, ist es sinnvoll und angemessen, ihm einen Band zu widmen, der die Begründung und Weiterentwicklung der von ihm angestoßenen kritischen Spielart Öffentlicher Theologie zum Thema hat.

Das Programm der Öffentlichen Theologie ist in unterschiedlichen internationalen Kontexten auf je eigene Weise entstanden und lässt sich als Diskursformat verstehen, das auf eine veränderte Öffentlichkeit reagiert und mittlerweile im Global Network for Public Theology zu einer eigenen akademischen Gestalt gefunden hat. Da diese Geschichte nicht nur im deutschsprachigen Kontext ohne Wolfgang Hubers Einfluss nicht nachvollzogen werden kann, ist es sinnvoll und angemessen, ihm einen Band zu widmen, der die Begründung und Weiterentwicklung der von ihm angestoßenen kritischen Spielart Öffentlicher Theologie zum Thema hat.

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Grenzgänger 59<br />

Gläubigen geht. Daraus folgt, wie Huber klar darlegt, die doppelte Aufgabe einer<br />

»Kirche für alle«, nämlich das Eintreten für recht verstandene Freiheit und<br />

Solidarität als »Option für die Armen« (Huber, 2012: 52) sowie die Aufgabe der<br />

Mission (ebd.) bzw. der »gesellschaftlichen Diakonie« (a. a.O., 151), die den<br />

christlichenFreiheitsbegriff zur Geltungbringt. Diese doppelte Aufgabe hat nicht<br />

nur für diejenigen Konsequenzen, die kirchliche Verantwortung tragen, was<br />

Wolfgang Huber als Bischof und Ratsvorsitzender vorgelebt hat, sondern für eine<br />

jede Person, die den »Beruf zur Politik« (a. a. O., 139), wie Huber es im Anschluss<br />

an Max Weber formuliert, im christlichen Verständnis anerkennt.<br />

Huber zufolge muss die Kirche sich als »Anwalt der Freiheit« verstehen und<br />

darf keinen Monopolanspruch (a. a.O., 142) bezüglich der Begründung der Demokratieerheben<br />

bzw. für ihren Auftrag der Verkündigung »keinerlei staatliche<br />

Autorität« (ebd.) in Anspruch nehmen. Ihr kommt primär eine »demokratische<br />

Partizipationsfunktion« (ebd.) zu, und diese ist einerseits an Prinzipien der<br />

Menschenrechte und der demokratischen Solidarität orientiert, nimmt es andererseits<br />

aber auch auf sich, die interpretatio christiana der Freiheit gesellschaftlich<br />

zu verbreiten. Deshalb geht der christliche Beruf zur Politik nicht ganz im demokratischen<br />

Handeln auf; es kommt auch darauf an, den rechten Geist dieses<br />

Handelns zu befördern.<br />

Für die Kirche in der demokratischen Öffentlichkeit heißt das, dass sie<br />

sich als »öffentliche Kirche« (a. a. O., 159) versteht, die das Evangelium als eine<br />

der Gesellschaft »fremde Wahrheit« verkündet und zugleich dieser Wahrheit<br />

zur Praxis verhilft. Dabei ist sie sich dessenbewusst, dass sie sich in einer religiös<br />

pluralistischen und multikulturellen Gesellschaft bewegt und sich nach den<br />

Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats richten muss, der ein »Zusammenleben<br />

der Verschiedenen sichert« (a. a. O., 167). In Hubers profunder Reflexion<br />

auf den Begriff der Öffentlichkeit macht er klar, dass zwischen der<br />

Kommunikation innerhalb kultureller oder religiöser »Interpretationsgemeinschaften«<br />

(a.a. O., 170) und dem Diskurs zwischen ihnen als einer »Kommunikation<br />

zwischen den Verschiedenen« (a. a. O., 172) unterschieden werden muss.<br />

Letzterer muss im demokratischen Geiste geführt werden, aber nicht umden<br />

Preis der Relativierung eigener Wahrheitsansprüche, sondern geleitet von der<br />

»Suche nach einer für alle verpflichtenden Wahrheit« (a. a. O., 173). Entsprechend<br />

»widerspricht die Kircheder Tendenz zur kommunikativen Enthaltsamkeit über<br />

Wahrheitsfragen, die den gesellschaftlichen Dialog von allen Wahrheitsansprüchen<br />

entlasten soll« (a. a. O., 176). Der politische Diskurs soll kein von religiösen<br />

Wahrheiten gereinigter sein.<br />

An dieser Stelle ist eine Rückfrage, vielleicht ein Einwand, von Seiten einer<br />

philosophischen Konzeption der Gerechtigkeit angebracht (vgl. Forst, 1994:<br />

Kap. 3; Forst, 2003: Kap. 9–12). Denn die Kirche als »Anwalt der Freiheit« ist in<br />

einer Demokratie zwar nicht dazu verpflichtet, ihre Glaubenswahrheiten und die<br />

politischen Schlussfolgerungen daraus zu verheimlichen, aber sie hat, wie alle

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