24 <strong>VNW</strong> Drei Szenarien Die Wissenschaftler haben drei Szenarien berechnet. Szenario 1: Es geschieht nicht viel mehr als gegenwärtig. Die Sanierungsrate liegt zwischen einem und 1,3 Prozent. Zielstandard bei der Bestandssanierung ist das Effizienzhaus 115. Szenario 2: Die Sanierungsrate wird schrittweise deutlich, „aber noch machbar“ von durchschnittlich einem auf 1,7 Prozent gesteigert. Das Szenario beinhaltet ein hohes Maß an minimalinvasiven Maßnahmen. Diese sind günstig und bewirken rasch eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Beispiele wären eine flächendeckende Installation elektronischer Thermostate, der hydraulische Abgleich von Heizungs- und Warmwasserverteilungen oder eine rasche Umstellung der Wärmeversorgung auf emissionsfreie Energieträger. Zugleich setzen die Wissenschaftler auf eine „serielle Sanierung mit hohem Vorfertigungsgrad“. Im Kern wird allein schon aus Kostengründen die Sanierung von Bestandsgebäuden nur zulasten des Neubaus im erforderlichen Maß steigen können. Szenario 3: Hierbei wird die Sanierungsrate von einem auf zwei Prozent verdoppelt. Wirtschaftlich betrachtet bedeutet das eine Vervier- bis Verachtfachung der Investitionen, weil die Eingriffe in die Bausubstanz viel weitgehender (und damit teurer) sind. Vor allem müssen Bauteile erneuert werden, die das Ende ihrer Nutzungsdauer noch nicht erreicht haben, was aus Gründen der Nachhaltigkeit fragwürdig ist. Viele dieser Arbeiten sind keine Instandhaltung mehr, sondern eine Modernisierung – und damit komplett umlagefähig. 50 Prozent aller auch bereits heute sanierten Gebäude müssten noch einmal saniert werden. Um bis zum Jahr 2045 Klimaneutralität zu erreichen, unterscheiden sich nach Darstellung der Wissenschaftler die Szenarien 2 und 3 nicht grundlegend. „Wir werden mit beiden Szenarien 2045 im Hinblick auf den Ausstoß von Treibhausgasen klimaneutral sein. Das Szenario 3 erreicht Klimaneutralität keinen Tag früher“, sagte Prof. Dietmar Walberg. Die vermeintlich größere Effizienz am Gebäude zeigt am Ende bei der Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen keinen nennenswerten Vorteil. Gravierend sei allerdings der Unterschied bei der Höhe der nötigen Investitionen: Bei Szenario 3 lägen die Investitionen statt bei rund 40 Milliarden bei mehr als 50 Milliarden Euro. Entscheidend ist am Ende die Dekarbonisierung von Strom und Wärme So unverzichtbar die energetische Sanierung der Hamburger Wohngebäude auf ein moderat-ambitioniertes Niveau ist: Entscheidend ist am Ende, wie sich die Dekarbonisierung des Stroms und der Hamburger Fernwärme entwickelt. Emissionsfrei erzeugter Strom und emissionsfrei erzeugte Fernwärme haben das mit Abstand größte Potenzial, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Es sei denkbar, dass in den kommenden beiden Jahrzehnten technologische Entwicklungen reifen, die eine dekarbonisierte Energieversorgung im Quartier ermöglichen, sagte Walberg. Dadurch könnten möglicherweise bestimmte Maßnahmen am Gebäude, die heute als unverzichtbar angesehen würden, relativiert werden. Der Wissenschaftler verwies darauf, dass ein umfassend energetisch saniertes Gebäude nur rund 25 bis 30 Prozent weniger Energie pro Quadratmeter verbrauche als ein unsaniertes Gebäude. Das sei der Unterschied zwischen theoretisch errechnetem Bedarfswert und der Realität. Der Trugschluss sei, dass sanierte Gebäude einen deutlich geringeren Verbrauch an Energie hätten als unsanierte Gebäude. „Das ist eine Lücke zwischen Theorie und Praxis.“ Auf „Überoptimierung“ von Gebäuden verzichten ARGE-Geschäftsführer Dietmar Walberg mahnte, auf eine Überoptimierung der Gebäude zu verzichten. Ein nicht energetisch saniertes Gebäude unreflektiert an eine Wärmepumpe anzuschließen, sei allerdings ebenfalls technischer Unsinn. Wärmeversorgung und Wärmeschutz des Gebäudes müssten zusammenpassen. Über Lösungen mit regenerierbaren Wärmespeichern oder „kalten Netzen” könnten Wärmepumpen mit einem bereits vortemperierten Medium auch in Bestandsgebäuden gute Wirkungsgrade erzielen. Hier liege das Potenzial von Quartierskonzepten, sagte Walberg. Es gehe beim Klimaschutz darum, nicht nur alle mitzunehmen, sondern ihn auch allen zu ermöglichen. Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt machte deutlich, dass sie die einvernehmliche Empfehlung der Gutachter, die Sanierungsrate auf 1,7 Prozent zu erhöhen, unterstütze. Mit der Investitions- und Förderbank (IFB) werde man ein Förderinstrumentarium entwickeln, das einen starken Anreiz für die Sanierung von Bestandsgebäuden enthalte. Als Erstes stelle der Senat in den kommenden vier Jahren insgesamt 210 Millionen Euro an Fördermitteln zusätzlich zur Verfügung. <strong>VNW</strong>-Direktor Andreas Breitner begrüßte die Ankündigung der Senatorin, mahnte aber zugleich: „Die Frage der Finanzierbarkeit wird in den kommenden Jahren nicht von der Tagesordnung verschwinden. Hier darf die Hamburger Politik die Wohnungswirtschaft nicht im Regen stehen lassen und sollte gewaltig nachlegen.“ Gut sei es, dass die Senatorin ausdrücklich Flotten- und Quartiersansätze für die Energieversorgung und die Sanierung von Wohnungsbeständen als zentrale Elemente zur Erreichung der Klimaneutralität benannt habe. „Am Ende geht es darum, wie mit leistbarem Aufwand der größtmögliche Nutzen für den Klimaschutz erlangt werden kann“, sagte <strong>VNW</strong>-Direktor Andreas Breitner. Senatorin Dr. Stapelfeldt wandte sich dagegen, Zwang auf die Hauseigentümer auszuüben. Man habe sich bislang immer dagegen entschieden, Klimaschutzziele mithilfe des Ordnungsrechts durchzusetzen und sei damit gut gefahren, sagte die SPD-Politikerin. Zwang sei nicht der richtige Weg. „Wir müssen die ganze Stadt mitnehmen.“h
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