KSSG_Magazin_150Jahre
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Höchste Effizienz<br />
«Wir abladieren mit 50 Watt», sagt der Arzt jetzt<br />
– nicht zu sich selbst, sondern zu Omar Natour,<br />
der sich im Kontrollraum zwei Meter zu seiner<br />
Rechten hinter einer Glasscheibe und vor zwölf<br />
Monitoren eingerichtet hat. Der Softwaretechniker<br />
arbeitet für die Firma Biosense Webster, die Entwicklerin<br />
der Herzmapping-Software Carto3, mit<br />
der sich Katheter im Herzen ohne Durchleuchtung<br />
steuern lassen. «50 Watt, verstanden», klingt es aus<br />
dem Lautsprecher zurück. Dann ein dumpfes Rauschen,<br />
das zehn, sogar 20 Sekunden anhält. Der<br />
Arzt hat per Fusspedal die Ablation ausgelöst, also<br />
den Verödungsprozess, bei dem das Gewebe mittels<br />
Hochfrequenzenergie vernarbt und leitungsunfähig<br />
gemacht wird. Auf dem Bildschirm poppt an der<br />
virtuellen Katheterspitze ein Kreis auf, der sich mit<br />
roter Farbe füllt, bis Ammann den Fuss vom Pedal<br />
nimmt. Ein erster Ablationspunkt ist gesetzt, mit<br />
drei bis vier Millimetern Abstand folgt der nächste.<br />
So arbeitet sich der Arzt einmal rund um die Lungenvene<br />
vor, während Natour den visualisierten<br />
Vorhof nach Bedarf vergrössert, dreht oder Hilfslinien<br />
einzeichnet.<br />
«Mit der neusten Kathetertechnologie haben wir<br />
die reine Ablationszeit auf zehn Minuten gesenkt»,<br />
erklärt der Softwaretechniker in einer ruhigen<br />
Minute, «davor dauerte es dreimal so lang.» Möglich<br />
ist das dank immer leistungsstärkerer Katheter wie<br />
etwa dem QDot Micro, der auf einer 3,5 mm langen<br />
Spitze drei Mikroelektroden mit einer Ablationsfläche<br />
von je 0,086 mm 2 , einen Drucksensor, sechs<br />
Wärmesensoren und ein Kühlungssystem vereint.<br />
Bis zu 4’000 Franken kostet ein solcher Hightech-<br />
Katheter. Und dennoch: Dank ihrer hohen Effizienz<br />
lohnt sich die Investition in eine Lungenvenenisolation,<br />
auch weil dadurch lebenslange Behandlungen<br />
von Rhythmusstörungen mit Medikamenten häufig<br />
vermieden werden können.<br />
Prof. Dr. Peter Ammann, Leiter Rhythmologie<br />
Am Puls der Zeit<br />
Die minimalinvasive Methode gibt es seit den späten<br />
1990er-Jahren. Ein Kardiologe in Bordeaux identifizierte<br />
damals die Lungenvenen als Ausgangspunkt<br />
von Vorhofflimmern. Die mehrstündigen Eingriffe<br />
fanden allerdings unter ständiger Röntgenbestrahlung<br />
statt, was eine hohe Belastung für die Ärztinnen<br />
und Ärzte sowie die Patientinnen und Patienten<br />
darstellte.<br />
Als Prof. Dr. Ammann 2004 eine Vollzeitstelle am<br />
<strong>KSSG</strong> antrat, steckte die Rhythmologie, die sich<br />
mit Herzrhythmusstörungen befasst, hier noch<br />
in den Kinderschuhen. Heute gehört das <strong>KSSG</strong> zu<br />
den eifrigsten Nutzern des Carto3-Mapping-Systems<br />
und arbeitet auf dem medizinischen Niveau eines<br />
Universitätsspitals. Und die Zukunft ist vielversprechend:<br />
Gemeinsam mit den Universitätsspitälern<br />
Bern und Basel ist für nächstes Jahr eine Studie<br />
zur Pulsed Field Ablation geplant – einer wiederentdeckten<br />
Energiequelle in der Elektrophysiologie,<br />
mit der die Ablation noch schneller und sicherer<br />
sein soll. Das <strong>KSSG</strong> wird als «early adopter» somit<br />
zu den Erstanwendern gehören.<br />
Waagrecht ist gut<br />
Waagrechte Striche auf schwarzem Hintergrund<br />
– die weissen Graphen auf dem Bildschirm vor<br />
Prof. Dr. Ammann weisen keine Lungenvenensignale<br />
mehr auf. In der Rhythmologie bedeutet dies,<br />
dass die elektrischen Impulse in den Lungenvenen<br />
erfolgreich isoliert wurden und den Herzrhythmus<br />
nicht mehr stören können. Der Diagnostikkatheter<br />
misst bei der Nachkontrolle keine elektrische<br />
Spannung mehr – deshalb die waagrechte Linie<br />
auf dem Elektrogramm. Nach 80 Minuten ist der<br />
Eingriff beendet.<br />
«Bist du zufrieden, Omar?», spricht Prof. Dr.<br />
Ammann ins Mikrofon, die Konzentration ist einem<br />
Lächeln gewichen. «Wenn du zufrieden bist, Peter,<br />
dann bin ich das auch.» Am wichtigsten aber ist,<br />
dass die Patientin zufrieden ist. Nach ein paar Stunden<br />
Bettruhe wird sie das Spital schon am nächsten<br />
Tag gesund verlassen.<br />
Auch Dr. David Altmann ist spezialisiert auf Lungenvenenisolationen.<br />
Wie auch für Prof. Dr. Ammann und zwei<br />
weitere Kollegen im Fachbereich Rhythmologie<br />
sind Navigations-Software, Katheter und Monitor seine<br />
wichtigsten Instrumente dabei.