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KSSG_Magazin_150Jahre

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CHEFÄRZTIN<br />

NUMMER EINS<br />

Eine medizinische Methode, die alles verändert, ein visionäres Arbeitsmodell<br />

– die ehemalige Chefärztin Prof. Dr. Christa Meyenberger hat<br />

das Kantonsspital St.Gallen in vielerlei Hinsicht geprägt.<br />

Prof. Dr. Christa Meyenberger deutet es als gutes<br />

Omen, dass der Einladung zum Bewerbungsgespräch<br />

am Kantonsspital St.Gallen (<strong>KSSG</strong>) nicht nur<br />

eine Parkkarte, sondern sogar eine handgeschriebene<br />

Notiz des Spitaldirektors beiliegt. Hier scheint<br />

sich der Chef persönlich um die Mitarbeitenden<br />

zu kümmern.<br />

Das Bewerbungsgespräch mit Hans Leuenberger<br />

wird zu einem beidseitigen Vergnügen, und so<br />

wechselt Meyenberger 1996 als Leitende Ärztin<br />

ans <strong>KSSG</strong>. Vier Jahre später wird sie im Rahmen<br />

der Umstrukturierung des Departements Innere<br />

Medizin zur Chefärztin befördert – notabene als<br />

erste Frau in der Geschichte des Kantonsspitals.<br />

Die letzte Sprosse der Karriereleiter erklimmt sie<br />

wiederum vier Jahre später, als sie Mitglied der<br />

Geschäftsleitung wird.<br />

Niemals Zürich oder St.Gallen<br />

Dabei hat sich die Hausarzttochter aus Wil einst<br />

geschworen: «Nach St.Gallen oder – noch schlimmer<br />

– Zürich will ich nie!» Riesig stellte sie sich die<br />

dortigen Spitäler vor, anonym und kalt das Arbeitsklima.<br />

Doch dann kam alles anders: Nachdem sie<br />

von 1971 bis 1978 in Zürich studiert hatte, bewarb sie<br />

Bild: Archiv Robert Willi<br />

Gastroenterologie und Viszeralchirurgie<br />

Die Gastroenterologie ist ein Teilgebiet der Inneren Medizin<br />

und befasst sich mit Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts<br />

sowie den damit verbundenen Organen Leber, Gallenblase<br />

und Bauchspeicheldrüse.<br />

Die Viszeralchirurgie umfasst Operationen des Magen-Darm-<br />

Trakts und der umgebenden Organe.<br />

sich erfolgreich am drittgrössten Spital der Schweiz,<br />

am Universitätsspital Zürich – nicht zuletzt des hervorragenden<br />

Rufes der Inneren Medizin und der<br />

Forschung wegen. Doch das universitäre Umfeld<br />

war herausfordernd: Den Umgang empfand sie oft<br />

als rau, den Konkurrenzkampf als hart. Auch mit<br />

ihrer Habilitation über die Endosonographie, den<br />

endoskopischen Ultraschall, musste sich Meyenberger<br />

am Universitätsspital Zürich erst einmal<br />

durchsetzen: Ein Radiologe schimpfte, sie würde<br />

ihm durch die Nutzung bildgebender Verfahren<br />

seine Domäne streitig machen.<br />

Die entscheidende Technik<br />

Die Endosonographie ist eine der bahnbrechenden<br />

Innovationen in der Gastroenterologie, die<br />

Meyenberger am <strong>KSSG</strong> etabliert und weiterentwickelt:<br />

Ein Endoskop, also ein Beobachtungsschlauch<br />

mit Kamera, verschafft zusammen mit einem Ultraschallkopf<br />

Einblick in Körper und Organe. Das<br />

ist etwa bei einer schweren Bauchspeicheldrüsenentzündung<br />

nützlich: Mit durch den Mund eingeführten,<br />

endoskopischen Instrumenten und viel<br />

Fingerspitzengefühl wird der Eiterherd von innen<br />

aufgeschnitten, damit der Eiter durch einen zwischen<br />

Bauchhöhle und Magen platzierten Stent<br />

abfliessen kann.<br />

Die von Meyenberger vorangetriebene minimalinvasive<br />

Technik wird die Gastroenterologie und weitere<br />

medizinische Disziplinen grundlegend verändern<br />

und dazu beitragen, die Mortalität zu senken, Traumata<br />

zu minimieren sowie die Aufenthaltsdauer in<br />

Spitälern – und damit die Gesundheitskosten – zu<br />

reduzieren.<br />

i<br />

Arbeitszeiten wählen<br />

Meyenbergers Pioniergeist erschöpft<br />

sich aber nicht im Medizinischen;<br />

auch als Führungsperson<br />

geht sie neue Wege. Anfang der<br />

2000er-Jahre, als Teilzeitarbeit und<br />

Jobsharing in der Schweiz noch<br />

Fremdwörter sind, überlässt sie<br />

ihren Teammitgliedern die Wahl,<br />

welches Pensum sie arbeiten<br />

möchten. Sitzungen werden nie<br />

nach 18:00 Uhr terminiert. Damit<br />

wird Meyenberger zu einer Vorreiterin<br />

für familienfreundliche Arbeitsmodelle, die<br />

das <strong>KSSG</strong> bis heute als fortschrittliches Unternehmen<br />

auf dem Arbeitsmarkt auszeichnen.<br />

Sich selbst hingegen gönnt die Gastroenterologin<br />

kaum eine Verschnaufpause. Wenn sie den Heimweg<br />

antritt, sind die Gänge im <strong>KSSG</strong> meist leer. Stetig<br />

treibt sie Neues um. Anfang der 2000er-Jahre<br />

fährt sie mit dem Kollegen Prof. Dr. Jochen Lange<br />

nach München, um sich ein sogenanntes Tumorboard<br />

zeigen zu lassen. Wenig später lanciert das <strong>KSSG</strong><br />

mit ihrer Unterstützung sein erstes Tumorboard,<br />

an dem die Viszeralchirurgie und die Gastroenterologie<br />

(siehe Box) interdisziplinär nach der besten<br />

Behandlung von Krebserkrankungen im Magen-<br />

Darm-Trakt suchen. 2006 skizziert sie mit einem<br />

befreundeten Hausarzt ein Weiterbildungssystem<br />

für angehende Hausärztinnen und Hausärzte, ein<br />

schweizweites Pilotprojekt, das Direktor Leuenberger<br />

unbürokratisch unterstützt und etabliert.<br />

Meyenbergers Pioniergeist erschöpft<br />

sich nicht im Medizinischen;<br />

auch als Führungsperson geht sie<br />

neue Wege.<br />

Nach 20 Jahren am <strong>KSSG</strong> wird Christa Meyenberger<br />

2016 pensioniert. Seitdem steht sie dem <strong>KSSG</strong> als<br />

Konsiliarärztin zur Verfügung und gibt ihr Wissen<br />

als Senior Teacher an zukünftige Kadermitarbeitende<br />

weiter.<br />

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