KSSG_Magazin_150Jahre
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ZWISCHEN MENSCH<br />
UND MEDTECH<br />
Auch in der Pflege sind Digitalisierung und Hightech nicht wegzudenken.<br />
Im Mittelpunkt steht jedoch immer die Beziehung<br />
von Mensch zu Mensch.<br />
Ruth Koster ist schnell. Flugs zieht sie in Zimmer<br />
2 den Vorhang zurück, tritt zum Perfusor, checkt<br />
Dosierung und Laufrate und sagt zum Patienten:<br />
«Es geht aufwärts.» Dann aber drosselt sie das<br />
Tempo, nimmt sich Zeit, setzt sich auf einen Stuhl<br />
und zeigt fragend auf die Kinderzeichnung auf dem<br />
Nachttisch. Der Patient lächelt – und erzählt von<br />
seinen Enkeln in Neuseeland. Fünf Minuten, dann<br />
muss seine Zuhörerin ein Zimmer weiter. Aber die<br />
300 Sekunden Aufmerksamkeit sind für ihn heilsam<br />
– so wie das Medikament, das über den Perfusor und<br />
eine Infusion in seinen Körper gelangt.<br />
Sorge tragen<br />
Ruth Koster ist diplomierte Pflegefachfrau und<br />
arbeitet seit 15 Jahren auf derselben Bettenstation.<br />
Heute ist sie für sieben Patientinnen und Patienten<br />
verantwortlich. Diese sollen sich hier im 8. Stock<br />
von Haus 04 medizinisch bestmöglich betreut fühlen,<br />
menschlich wertgeschätzt und umsorgt. Ruth<br />
Koster und ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten<br />
nach dem Konzept der zuwendenden empathischen<br />
Pflege, dem sogenannten Caring (englisch für «Fürsorge»).<br />
Dazu gehört das Dasein – vom Ansprechen<br />
bis Zuhören – und auch das Plaudern über Enkelkinder,<br />
Gott und die Welt.<br />
Apropos Gott: Es waren Ordensschwestern, die am<br />
Ursprung der auf Fürsorge basierenden Pflege am<br />
Kantonsspital St.Gallen (<strong>KSSG</strong>) standen. 1878 stellte<br />
das Spital die ersten vier Ingenbohler Schwestern<br />
ein – gegen Kost und Logis und 150 Franken Jahresgehalt.<br />
Der Rest war Gotteslohn. Das war in<br />
der Schweiz nichts Aussergewöhnliches: Ende des<br />
19. Jahrhunderts war die Pflege vielerorts in der<br />
Hand von Ordensschwestern.<br />
Am <strong>KSSG</strong> waren die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz<br />
106 Jahre Teil des Pflegepersonals. Es waren lebensfrohe Frauen,<br />
zuverlässig, diszipliniert und selbstbewusst. Sie pflegten nach einem<br />
christlichen Menschenbild, waren Tag und Nacht für die Patientinnen<br />
und Patienten da – und besassen doch nicht viel mehr als ihre beiden<br />
Trachten: eine für werktags und eine für sonntags.<br />
Doch mit der Loslösung von der Kirche und der Professionalisierung<br />
des Pflegeberufs wurden die Ordensschwestern immer weniger. Weltliche<br />
Pflegefachkräfte traten an ihre Stelle. 1984 verabschiedeten<br />
sich die letzten «Ingenbohlerinnen» aus dem <strong>KSSG</strong> – ihr Geist, ein<br />
auf Nächstenliebe beruhendes Pflegemodell, ist hingegen geblieben.<br />
Die grosse Kunst<br />
In Zimmer 6 bereitet Pflegefachfrau Ruth Koster das digitale Blutzuckermanagement<br />
vor. Die Applikation misst den Blutzucker und<br />
berechnet die nötige Insulindosierung, alles vollautomatisch, schnell<br />
und exakt. Auch der Perfusor beim Patienten in Zimmer 2 läuft immer<br />
noch mit höchster Präzision. Von so viel Hightech hätten die Ingenbohler<br />
Schwestern nur träumen können. Sie mussten die Laufrate,<br />
die Anzahl der Tropfen pro Minute, selbst ausrechnen und manuell<br />
einstellen.<br />
Die Technik ist ein Segen, gewiss. Und im besten Fall spart sie auch<br />
Zeit. Dennoch: Wenn sie nur der zunehmenden Effizienz dient, wo<br />
bleibt da noch Zeit für einen warmen Händedruck oder ein tröstendes<br />
Wort? Findet eine Pflegefachperson noch genug Zeit für das<br />
Caring, wenn Regulation, Technik und Spardruck immer mehr Platz<br />
einnehmen?<br />
Ein Lächeln, eine Berührung: Pflegefachfrau Ruth Koster arbeitet wie ihre<br />
Kolleginnen und Kollegen nach dem Konzept der zuwendenden empathischen<br />
Pflege, dem Caring (englisch für «Fürsorge»).<br />
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