75_Ausgabe September 2009
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Der<br />
zwischen<br />
Marienplatz<br />
Altstadt und Stadtzentrum<br />
Jahrzehnten bevölkerten dann originelle<br />
und kindertümlich gestaltete Figuren<br />
aus Grimms Märchen oder dem Kinderfernsehen<br />
das leere Bassin und stimmten<br />
auf den Weihnachtsmarkt ein. Das<br />
Christkindel mit dem Weihnachtsmann<br />
wurde hier empfangen, auf der Bühne<br />
am Turm gab es weihnachtliche Musik<br />
zu erleben. Im Sommer war die Lottobude<br />
an der Südostecke dicht umlagert;<br />
man hoffte auf den Hauptgewinn, einen<br />
davor ausgestellten nagelneuen “Trabant”.<br />
Nach 1990 konnten das Naturkundemuseum,<br />
der Dicke Turm und das Warenhaus<br />
sowie die zwei neuen Bankgebäude<br />
und die Wohnhäuser denkmalgerecht<br />
und zugleich modern saniert werden.<br />
Noch empfing das Wasserbecken die<br />
Gäste und fand Bewunderer für diese<br />
sinnvolle Umwidmung einer Hinterlassenschaft<br />
aus Kriegszeiten in einen<br />
friedlichen, freundlichen Publikumsmagneten.<br />
Leider blieb der Platz nicht von<br />
zeittypischen Merkwürdigkeiten und<br />
Verwerfungen verschont. Das frühere<br />
Kaufhaus von Bargou, danach Konsum-<br />
Kaufhaus, wurde nun Sitz der Deutschen<br />
Bank, die ihr Stammhaus an der Berliner<br />
Straße (1923), das der fernen Bankzentrale<br />
für das schrumpfende Görlitz zu<br />
groß vorkam, verliess. Das bei der Bevölkerung<br />
beliebte Bassin verschwand.<br />
Mit Spendenmitteln der Allianz-Versicherung,<br />
die anderswo sinnvoller hätten genutzt<br />
werden können, wurde der Platz<br />
mit sarkophagartigen Hochbeeten, einer<br />
vorgeblichen Brunnenanlage mit unförmig-kantigen<br />
Steinklötzern und gestutzten<br />
Bäumchen umgestaltet. Die mit dicken<br />
Steinplatten belegte Fläche wurde<br />
im Winter zur Rutschbahn, im Sommer<br />
zum Reflektor der Sonnenglut. Tourismuswerber<br />
und junge Architekten bejubelten<br />
das als Meisterwerk der Moderne,<br />
die damit endlich in das spießige Görlitz<br />
gekommen sei. Erfahrene Weltenbummler<br />
empfanden den Anblick als kalt, brutal<br />
und steril. Die jungen Skater brettern<br />
in gewagten Kurven über die glatte Fläche.<br />
Gegen Mitternacht machen Bierflaschen<br />
die Runde, zum Ärger der Hotelgäste.<br />
Nun hat die Globalisierungskrise<br />
das architektonisch hochwertige Warenhaus<br />
von 1913 erwischt, inzwischen in<br />
ausländischem Besitz. Das Museum bekam<br />
unter fremdem Namen eine westliche<br />
Zuordnung.<br />
anzeige<br />
Titel |<br />
13