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75_Ausgabe September 2009

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Der<br />

zwischen<br />

Marienplatz<br />

Altstadt und Stadtzentrum<br />

Jahrzehnten bevölkerten dann originelle<br />

und kindertümlich gestaltete Figuren<br />

aus Grimms Märchen oder dem Kinderfernsehen<br />

das leere Bassin und stimmten<br />

auf den Weihnachtsmarkt ein. Das<br />

Christkindel mit dem Weihnachtsmann<br />

wurde hier empfangen, auf der Bühne<br />

am Turm gab es weihnachtliche Musik<br />

zu erleben. Im Sommer war die Lottobude<br />

an der Südostecke dicht umlagert;<br />

man hoffte auf den Hauptgewinn, einen<br />

davor ausgestellten nagelneuen “Trabant”.<br />

Nach 1990 konnten das Naturkundemuseum,<br />

der Dicke Turm und das Warenhaus<br />

sowie die zwei neuen Bankgebäude<br />

und die Wohnhäuser denkmalgerecht<br />

und zugleich modern saniert werden.<br />

Noch empfing das Wasserbecken die<br />

Gäste und fand Bewunderer für diese<br />

sinnvolle Umwidmung einer Hinterlassenschaft<br />

aus Kriegszeiten in einen<br />

friedlichen, freundlichen Publikumsmagneten.<br />

Leider blieb der Platz nicht von<br />

zeittypischen Merkwürdigkeiten und<br />

Verwerfungen verschont. Das frühere<br />

Kaufhaus von Bargou, danach Konsum-<br />

Kaufhaus, wurde nun Sitz der Deutschen<br />

Bank, die ihr Stammhaus an der Berliner<br />

Straße (1923), das der fernen Bankzentrale<br />

für das schrumpfende Görlitz zu<br />

groß vorkam, verliess. Das bei der Bevölkerung<br />

beliebte Bassin verschwand.<br />

Mit Spendenmitteln der Allianz-Versicherung,<br />

die anderswo sinnvoller hätten genutzt<br />

werden können, wurde der Platz<br />

mit sarkophagartigen Hochbeeten, einer<br />

vorgeblichen Brunnenanlage mit unförmig-kantigen<br />

Steinklötzern und gestutzten<br />

Bäumchen umgestaltet. Die mit dicken<br />

Steinplatten belegte Fläche wurde<br />

im Winter zur Rutschbahn, im Sommer<br />

zum Reflektor der Sonnenglut. Tourismuswerber<br />

und junge Architekten bejubelten<br />

das als Meisterwerk der Moderne,<br />

die damit endlich in das spießige Görlitz<br />

gekommen sei. Erfahrene Weltenbummler<br />

empfanden den Anblick als kalt, brutal<br />

und steril. Die jungen Skater brettern<br />

in gewagten Kurven über die glatte Fläche.<br />

Gegen Mitternacht machen Bierflaschen<br />

die Runde, zum Ärger der Hotelgäste.<br />

Nun hat die Globalisierungskrise<br />

das architektonisch hochwertige Warenhaus<br />

von 1913 erwischt, inzwischen in<br />

ausländischem Besitz. Das Museum bekam<br />

unter fremdem Namen eine westliche<br />

Zuordnung.<br />

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