Studierendenzeitschrift der FHTW Berlin - uni:que
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Verloren<br />
von Dennis Giese<br />
Schreiben ist ei ne sehr diffizi le Angelegen<br />
heit. Vielmehr ist es eigentlich nicht das<br />
Schreiben an sich, denn das aufschrei ben<br />
ist nur <strong>der</strong> Schlussakt in ei nem Prozess, in<br />
welchem sich <strong>der</strong> Schreibende im Kopf eine<br />
Story zurechtgelegt hat. Er hat dann schon<br />
Wo chen o<strong>der</strong> auch Monate ei nen Roten Fa<br />
den zusammengebastelt. Sich überlegt, was<br />
er dem Leser anbietet, wie er eine Pointe<br />
schaffe n kann die vielleicht traurig ist o<strong>der</strong><br />
lustig. Irgendwas jedenfalls, was dem Le<br />
ser die Geschichte im Endeffe kt lesenswert<br />
macht.<br />
Manchmal hat man auch gar keine Zeit o<strong>der</strong><br />
vielmehr kei ne Lust, sich so lange mit etwas<br />
so komp li ziertem herumzuschlagen. We nn<br />
man dann trotzdem muss, ko mmt meist<br />
nichts sehr lesendwertes heraus. Aber ich<br />
schrei be gern und sofern ich Zeit finde, fin<br />
det sich mei st auch ein passen<strong>der</strong> roter Fa<br />
den. Ich sitze j etzt jedenfalls hier, hab mir<br />
schon wie<strong>der</strong> ein paar Wo chen gedanklich<br />
um die Ohren geschlagen, mich gefragt was<br />
46 <strong>uni</strong>:<strong>que</strong><br />
So wie mir jeden Frü hling ei n weibliches We<br />
sen fe hlt. Und ich dachte daran, wie schön<br />
Geschichten sind. Sie si nd wie Trä ume. Man<br />
kann sich eine Welt aufbauen in <strong>der</strong> alles<br />
passt. In <strong>der</strong> das, was in Wi rklichkeit nicht<br />
mehr sein ka nn o<strong>der</strong> sein darf, dann doch<br />
noch so ist, wie man es selbst gern hätte.<br />
In meiner künstlerischen Freiheit überlegte<br />
i ch mir, eine Geschichte zu erzä hlen von<br />
einem jungen Studierenden, <strong>der</strong> plötzlich<br />
ich für ei ne Geschichte erzählen möchte und und unerwartet einen Brief bekommt vo n ei -<br />
vor allem, wie ich sie erzählen möchte. ner Mitstudentin, die ei n Auslandssemester<br />
Ich erinnere mich noch meinen Ausflug in<br />
das alte Kabelwerk. Damals mit den Stu<br />
dierenden die mir so vortreffli ch eine Ge<br />
schichte p räsentierten. Trotzdem o<strong>der</strong><br />
gerade deswegen wollte ich etwas an<strong>der</strong>es<br />
schreiben. Aber wer konnte mir schon einen<br />
p assen den Gedankenanstoß geben!? Es war<br />
frühlingshaft und sommerlich warm in den<br />
letzten Tagen. Ich wollte mir eine Geschich<br />
te zurechtlegen die von Frühlingsgefü hlen<br />
und Sehnsüchten nach ei ner großen Liebe<br />
handelt. Das würde zum Frühling p assen -<br />
jedenfalls besser als ein Mord o<strong>der</strong> jeden<br />
fa lls etwas, was man dafür halten konnte.<br />
So ti gerte ich um den Campus herum, die<br />
letzten Wochen. Ich sah grünwerdende Bäu<br />
me, schaute auf wie<strong>der</strong> wachsendes Gras und<br />
sah überall kleine Gruppen von Studieren<br />
den stehen - im Hof, wo die Sonne schien<br />
und man das Wetter vortreffli ch genießen<br />
konnte. Und dann wu rde ich wie<strong>der</strong> senti<br />
mental. So wie ich es jeden Frühling werde.<br />
macht. Und <strong>der</strong> Student wü rde sich freuen.<br />
Er würde den Brief mehrfach lesen, ihn un<br />
ter sein Kopfkissen packen. Ei n heimliches<br />
Lächeln durchfuhr mich innerlich. So etwas<br />
hätte ich auch gern mal. Eine große Li ebe,<br />
die eigentlich keine Liebe war und dann doch<br />
vie lleicht sich noch anbahnt. Aber ich muss<br />
te noch ei ne Poi nte suchen. Ich brauchte<br />
noch mehr für meinen roten Faden.<br />
Ich schaute mich auf dem Campus um. Ich<br />
suc hte wi ld nach irgendwelchen lustigen<br />
o<strong>der</strong> aussergewöhnlichen Vorkommnissen.<br />
Müsste ich denn wirklich a lles erfinden!?<br />
Klar, eine Geschichte schei nt immer erfun<br />
den zu sein. Das schöne an ei ner Geschichte<br />
ist nun mal, dass nur sehr weni ge Pe rsonen<br />
wissen, was Fi ktion und was Wirklichkeit an<br />
ihr ist.<br />
Es war jedenfalls nun kurz vor meinem<br />
fünfundzw a n zi gsten Geburtstag, eine Zeit,<br />
in <strong>der</strong> ich traditionell immer etwas nach<br />
denklicher we rde. Natürlich werde ich nicht