May/Jun 2008 - German World Magazine
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38<br />
City Slickers<br />
auf der Dude Ranch<br />
Für Julia Kull beginnt der Arbeitsalltag mit dem<br />
Sonnenaufgang: Dann steht das Füttern von 25 Pferden auf<br />
dem Programm. Die 22jährige Dresdnerin arbeitet seit<br />
Januar als Cowgirl auf einer Dude Ranch mitten in den USA – in<br />
der Nähe von Ava, Missouri, unweit der Staatsgrenzen zu<br />
Oklahoma und Arkansas.<br />
Die Bucks and Spurs Ranch umfasst 400 Hektar Land – rund vier<br />
Millionen Quadratmeter. Ruhe und Einsamkeit sind hier garantiert:<br />
Der nächste Nachbar ist rund fünf Meilen entfernt.<br />
Auf der Ranch werden rund 150 Rinder gehalten, die meisten<br />
sind hochwertige Black Angus. Die eigene Zucht erfordert, dass<br />
neugeborene Kälber sofort erstversorgt werden: Jeden Morgen<br />
reiten Julia Kull, ihre aus Luxemburg stammende Kollegin Nadine<br />
Zeitler und Rancher Cecil Huff meilenweit die Weiden ab. Über<br />
Nacht geworfene <strong>Jun</strong>gtiere werden dann mit dem Lasso eingefangen,<br />
bekommen eine Zuchtnummer ins Ohr gestanzt und werden<br />
gewogen. Außerdem wird kontrolliert, ob das Kalb gesund ist<br />
und beim Muttertier Milch saugt.<br />
Zu Julia Kulls Arbeitskleidung gehört neben den ledernen und<br />
an den Säumen ausgefransten Chaps, Cowboyboots und<br />
Cowboyhut auch ein Revolver, den sie, wie im Film, im Holster an<br />
der Hüfte trägt – um damit notfalls wilde Tiere wie Coyoten oder<br />
Bären zu vertreiben, die immer wieder versuchen, die Kälber zu<br />
reißen. Denn wenn es um ihre Kälber geht, verstehen Cowboys<br />
und Cowgirls keinen Spaß: Sie sind schließlich das Kapital der<br />
Ranch.<br />
Neben den Rindern werden auf der Ranch auch Pferde gezüchtet:<br />
Dazu zählen Arbeitstiere für die Cowboys und Cowgirls, in der<br />
Regel American Quarterhorses. Es gibt auch Zugpferde wie zum<br />
Beispiel belgische Kaltblüter. Außerdem züchtet die Ranch<br />
besonders leichtgängige Sport- und Freizeitpferde wie die heimische<br />
Rasse Missouri Foxtrotter, in erster Linie für den Verkauf,<br />
aber auch für die Gäste.<br />
Denn die Ranch hat seit einigen Jahren den Tourismus als weitere<br />
Einnahmequelle entdeckt: Hier wird ein Erlebnisurlaub der<br />
besonderen Art angeboten. Wer will, kann mit den Cowboys und<br />
www.german-world.com <strong>May</strong>/<strong>Jun</strong>e <strong>2008</strong><br />
VON<br />
BY<br />
MIKE REMMERT<br />
Wo es noch echte Cowboys und Cowgirls<br />
gibt, hat der Tourist das Gefühl von<br />
Freiheit und Abenteuer<br />
Cowgirls ausreiten, und sie auf ihrem normalen Arbeitsalltag<br />
begleiten. Neben dem Füttern der Pferde und dem Versorgen der<br />
Kälber zählt dazu auch das Ausbessern von Zäunen, das<br />
Reparieren von Telefonleitungen, Schneeräumen im Winter,<br />
Umtriebe der Rinderherden von bereits abgegrasten auf frische<br />
Weiden, aber natürlich auch die Verbringung von Schlachtvieh<br />
auf Auktionen. Außerdem sind die Cowboys alle auch „Erste-<br />
Hilfe-Tierärzte”: Sie schienen angeknackste Knochen bei den<br />
Pferden, injizieren Medikamente und Impfstoffe oder schneiden<br />
Abszesse aus den Hufen.<br />
Urlauber können es aber gerne auch ruhig angehen lassen –<br />
niemand muss mitarbeiten. Auch wer nur geringe oder gar keine<br />
Reitkenntnisse hat, ist hier willkommen. Man kann, wenn man<br />
möchte, Reitunterricht nehmen, es gibt Kurse für Anfänger und<br />
Fortgeschrittene. Dabei werden besonders die Methoden des<br />
„Natural Horsemenship” eingesetzt – im Gegensatz zu der harten,<br />
of noch von militärischen Normen aus dem 19. Jahrhundert<br />
geprägtem „Zucht- und Ordnungsstil” der deutschen Reitschule<br />
versuchen die Amerikaner, die natürlichen Instinkte von Pferden<br />
zu „lesen” und dann beim Training einzusetzen. Ziel ist, zwischen<br />
Ross und Reiter eine Vertrauensbasis aufzubauen und so das<br />
Reiterlebnis für beide zu einem Vergnügen werden zu lassen.<br />
Wer allerdings dann im Sattel sitzt und mit den Cowboys über<br />
das weite Land reitet, wird einige unvergessliche Augenblicke<br />
erleben. Die Ranch liegt in den Ozark Mountains, einem<br />
Mittelgebirge mit hügeliger, reich bewaldeter Landschaft, zahlreichen<br />
Flüssen, Seen und viel unberührter Natur. Adler und<br />
Bussarde ziehen ihre Kreise, und im Sommer kommen<br />
Forellenangler in den Flüssen auf ihre Kosten.<br />
Die Bucks and Spurs Ranch hat immer wieder auch Urlauber<br />
aus Deutschland zu Gast – und gerade für Europäer lohnt sich die<br />
Reise nach Amerika dieses Jahr dank des günstigen<br />
Umtauschkurses von Euro zu Dollar besonders.<br />
Und mehr und mehr Ranches haben erkannt: Wenn man<br />
deutschsprechendes Personal hat, dann ist man der Konkurrenz<br />
um einiges voraus.