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MEDIAkompakt Ausgabe 34

Die Zeitung des Studiengangs Mediapublishing an der Hochschule der Medien Stuttgart - www.mediapublishing.org

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4 FREI<br />

mediakompakt<br />

Reichbach. Dabei mag sie Liebesgeschichten sehr<br />

gerne, kritisiert jedoch: „Romantik ist schon überall.“<br />

In Filmen, Fernsehsendungen und Werbung<br />

wird oft das Bild vermittelt, dass für ein glückliches<br />

Leben eine romantische Beziehung anzustreben<br />

ist. Dies führt zu einer Verstärkung der gesellschaftlichen<br />

Norm, die so auch zu einer Stigmatisierung<br />

von Menschen führt, die sich nicht in romantischen<br />

Beziehungen befinden, wie zum Beispiel<br />

Singles oder alleinerziehende Eltern.<br />

„Es bedarf nur eines kurzen Augenblicks des<br />

Nachdenkens, um zu erkennen, dass eine Paarbeziehung<br />

oder eine Ehe die Menschen nicht automatisch<br />

verantwortungsbewusster, erwachsener<br />

oder sogar glücklicher macht – manchmal ist sogar<br />

das Gegenteil der Fall“, erklärt die US-amerikanische<br />

Philosophie-Professorin Elizabeth Brake,<br />

auf die der Begriff Amatonormativität zurückzuführen<br />

ist.<br />

Die Annahme, eine romantische Beziehung<br />

sei das Wichtigste und Wertvollste im Leben, könne<br />

dazu führen, dass Beziehungsmissstände aus<br />

Angst, sonst alleine zu sein, ignoriert oder nicht<br />

ernst genommen werden.<br />

Liebe ist mehr<br />

Die Vorstellung, dass romantische Liebe<br />

und Partner:innenschaften die<br />

höchste Form von Beziehungen darstellen,<br />

wird oft als selbstverständlich<br />

betrachtet. Diese Annahme wird<br />

Amatonormativität genannt und hat weitreichende<br />

Auswirkungen auf unser Denken und<br />

Handeln.<br />

Auch die sich als asexuell identifizierende<br />

Studentin Jana Reichbach* hat sich bereits ausführlich<br />

mit dem Thema Amatonormativität auseinandergesetzt.<br />

Der Begriff wird von der asexuellen<br />

und aromantischen Community verwendet,<br />

um ihre Diskriminierungserfahrungen zu beschreiben.<br />

Die Vorherrschaft der romantischen<br />

Beziehungsnorm führt dazu, dass Menschen, die<br />

keine solchen Beziehungen eingehen möchten<br />

oder können, sich ausgegrenzt und unverstanden<br />

Illustration: Julia Gramlich<br />

Romantische Beziehungen werden in unserer Gesellschaft als<br />

der Inbegriff von Liebe und Glück angesehen. Doch was passiert,<br />

wenn man diesem Ideal nicht entspricht oder nicht entsprechen<br />

möchte?<br />

VON JULIA GRAMLICH<br />

fühlen. Im Interview erzählt die Medienstudentin<br />

von Unsicherheiten und Druck, die sie empfand,<br />

da sie keine romantische Beziehung führe und<br />

auch nicht anstrebe: „Gefühlt ist jeder in einer Beziehung<br />

und ich denke mir nur so okay, cool für<br />

euch.“ Ihr selbst habe die Identifizierung als asexuell<br />

geholfen, damit umzugehen: „Für mich<br />

nimmt dieses Label den Druck raus, sodass ich<br />

denke: Es ist okay, wie ich empfinde, und es ist<br />

nicht irgendwie, weil irgendetwas falsch ist.“<br />

Romantische Liebe ist überall<br />

Das Führen einer glücklichen romantischen<br />

Beziehung wird oft als der ultimative Lebensinhalt<br />

angesehen. Daher bildet diese oft den Hauptfokus<br />

in der Popkultur. In den Medien habe fast<br />

alles eine romantische Komponente, selbst wenn<br />

diese gar keinen Nutzen erfülle, verdeutlicht Jana<br />

Mehr Liebe ins Leben bringen<br />

Amatonormativität prägt die Vorstellungen<br />

von Glück und hat Auswirkungen auf die Art und<br />

Weise, wie Beziehungen eingegangen und gelebt<br />

werden. So werde durch die Annahme eines besonderen<br />

Werts von romantischer Liebe der Wert<br />

anderer liebevoller Beziehungen übersehen, analysiert<br />

Brake. Die Aussage „Wir sind ‚nur‘<br />

Freund:innen“ kennt fast jede:r. Dabei fällt oft<br />

nicht auf, dass dieser Satz schon wie eine Floskel<br />

automatisch mit dem Füllwort „nur“ gesagt wird,<br />

mit dem somit direkt eine Wertung vorgenommen<br />

wird.<br />

Die Bedeutung von Freund:innenschaften, Familie<br />

und anderen Formen von Beziehungen zu<br />

würdigen und zu unterstützen, indem man ein<br />

breiteres Verständnis von Beziehungen fördert<br />

und sich die existierende Beziehungsvielfalt bewusst<br />

macht, wäre wichtig, um die Auswirkungen<br />

der Amatonormativität zu verringern, betonen<br />

Fachleute wie Blake. So könne man ein inklusives<br />

Umfeld schaffen, in dem alle Menschen respektiert<br />

und wertgeschätzt werden. „Klar, feste Beziehungen<br />

sind schön, aber mein Leben ist nicht weniger<br />

schön, nur weil ich nicht in einer Beziehung<br />

bin. Ich habe viele gute Beziehungen, die nicht romantisch<br />

und mir sehr wichtig sind. Ich bin echt<br />

glücklich, so wie mein Leben jetzt ist“, sagt Jana<br />

Reichbach.<br />

Liebe und Verbindungen sind ein wesentlicher<br />

Bestandteil des menschlichen Lebens, jedoch<br />

konzentrieren sich Menschen oft auf romantische<br />

Verbindungen und reduzieren damit<br />

die Gesamtheit der Liebe in ihrem Leben. So<br />

schreibt auch die US-amerikanische Journalistin<br />

und Autorin Angela Chen in ihrem Buch „Ace:<br />

What Asexuality Reveals About Desire, Society,<br />

and the Meaning of Sex“ über ihren Glauben an<br />

eine Zukunft, die mehr Freude und Liebe für alle<br />

bereit hält, indem man sich von dieser Norm<br />

befreit.<br />

*Name von der Redaktion geändert

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