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Hebammenversorgung<br />
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Grafik: mgdrachal - stock.adobe.com<br />
Neben der Schichtarbeit im Krankenhaus<br />
können Hebammen in der<br />
Vor- und Nachsorge tätig sein. Für<br />
jeden Besuch schlägt die Krankenkasse<br />
25 Minuten an, die mit 38,46<br />
Euro abgerechnet werden können.<br />
„Was utopisch ist“, sagt Einsiedler.<br />
Bei einem Erstbesuch im Wochenbett<br />
sind Hebammen meist eine<br />
Stunde vor Ort. Dennoch erhalten<br />
sie nur den genannten Pauschalbetrag,<br />
der nicht einmal die Anfahrt<br />
einberechnet. Hebammen müssen<br />
ihre Termine deshalb so koordinieren,<br />
dass es für sie rentabel ist.<br />
Das <strong>Allgäu</strong>er-Hebammen-Netzwerk<br />
dient dabei als unterstützender<br />
Kommunikationskanal. Wenn<br />
Hebammen „frei“ sind, können<br />
Anfragen gezielt weitergeleitet<br />
werden. Der Arbeitsablauf wird so<br />
flüssiger. Ein weiterer Lichtblick für<br />
das Berufsfeld sind nun die Verhandlungen<br />
über die Gebührenverordnung.<br />
Grund dafür ist auch die<br />
Ausbildungsreform.<br />
Das Nachwuchsproblem<br />
Wer als Hebamme tätig sein will,<br />
musste sich lange einer Ausbildung<br />
unterziehen. Seit 2019 wurde<br />
diese mit dem Gesetz der Hebammenreform<br />
durch ein duales Studium<br />
mit hohem Praxisanteil ersetzt.<br />
Man möchte den Beruf damit attraktiver<br />
machen und eine evidenzbasierte<br />
Ausbildung garantieren.<br />
Früher wurde das Wissen von Generation<br />
zu Generation weitergetragen.<br />
Heute will man selbst forschen,<br />
Ergebnisse niederschreiben<br />
und handfest machen. Im Studium<br />
stehen nun spannende Inhalte wie<br />
Anatomie, Arzneimittellehre und<br />
Gynäkologie auf dem Lehrplan. Im<br />
Zuge der Reform verbessert sich<br />
außerdem die Stellung der Hebammen<br />
innerhalb der medizinischen<br />
Branche. Mit dem akademischen<br />
Abschluss soll eine Gleichstellung<br />
mit den behandelnden Ärzten angestrebt<br />
werden. Die laufenden<br />
Verhandlungen über die Gehaltsanpassungen<br />
tragen dazu bei. Man<br />
könnte meinen, das sind rosige<br />
Aussichten, doch nicht alle Lücken<br />
sind mit der Reform geschlossen.<br />
Auch wenn die Ausbildung generalüberholt<br />
wurde, hemmt das Sys-<br />
tem den Ausbildungsfluss. Denn<br />
pro Semester kann in Kempten<br />
und Memmingen nur eine Stelle<br />
pro Krankenhaus für die Praxisphase<br />
angeboten werden. Lernende<br />
brauchen Lehrende. Studenten<br />
sind auf einen Anleiter angewiesen,<br />
der sie gut betreuen und ihren<br />
Lernfortschritt sicherstellen kann.<br />
Es braucht also Hebammen, die<br />
ihre ohnehin schon geringe Zeit für<br />
eine zusätzliche Qualifikation investieren,<br />
um ihrem Beruf Zukunft<br />
zu geben.<br />
Greiter hat eine Praxis-Stelle im<br />
Krankenhaus Kempten bekommen.<br />
Ihre Theorie absolviert sie<br />
in der kooperierenden DHBW Heidenheim<br />
in Wiblingen. Das Studieren<br />
verfolgt sie jedoch trotzdem<br />
bis ins <strong>Allgäu</strong>. „Während ich 38,5<br />
Stunden die Woche arbeite, muss<br />
ich oft noch Projektarbeiten schreiben<br />
oder mich auf das Examen<br />
vorbereiten“, erzählt die Studentin.<br />
Der erhöhte Arbeitsaufwand spiegelt<br />
sich also nicht nur im Leben<br />
einer Hebamme, sondern bereits<br />
im Studium wider.<br />
Dennoch verliert Greiter ihr Ziel<br />
nicht aus den Augen. Sie möchte<br />
die Frauen, die im Krankenhaus<br />
gebären, mit einem positiven Gefühl<br />
nach Hause schicken. „Der<br />
Kreißsaal ist nicht mehr das, was<br />
sich viele darunter vorstellen“, erklärt<br />
sie. Es sind Räumlichkeiten, in<br />
denen man sich wohlfühlt. Frauen<br />
werden auch nicht als krank betitelt,<br />
nur weil sie im Krankenhaus<br />
gebären. Vielmehr sind sie gut<br />
aufgehoben. „Die Geburt soll ein<br />
schönes Erlebnis für die Frau sein“,<br />
schließt sie ab.<br />
E Der Kreißsaal in Immenstadt: der Ort, an dem neues Leben entsteht und aus<br />
einem Paar eine Familie wird. <br />
Fotos (2): Jasmin Lutz<br />
E Dorothea Einsiedlier (links) hat mit 19 Jahren die Ausbildung zur Hebamme<br />
begonnen und ist seit Ausbildungsende in Immenstadt tätig. Evelyn Greiter<br />
(rechts) befindet sich mitten in ihrem dualen Studium der Hebammenwissenschaften.<br />
<br />
Foto: Veronika Frank<br />
E Der Kreißsaal ist nicht mehr das, was sich viele darunter vorstellen. Es sind<br />
Räumlichkeiten, in denen man sich wohlfühlen kann. Es gibt sogar ein extra<br />
für Familien eingerichtetes Zimmer. Bei Bedarf können Familienmitglieder dort<br />
übernachten.