altlandkreis - das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel
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Weilheim | 13 000 Fördermitglieder,<br />
150 Festangestellte und ein<br />
Jahresumsatz von zehn Millionen<br />
Euro: Der BRK-Kreisverband <strong>für</strong><br />
Weilheim-Schongau zählt zu <strong>den</strong><br />
größten Unternehmen im <strong>Pfaffenwinkel</strong>,<br />
obwohl er eigentlich gar<br />
kein richtiges Unternehmen ist. An<br />
seiner Spitze: Anke Ringel, 52, gebürtige<br />
Rheinländerin, jedoch mit<br />
Ehemann und drei Kindern seit 19<br />
Jahren glücklich und zufrie<strong>den</strong> im<br />
beschaulichen Antdorf zuhause.<br />
Im großen Interview auf der Roten<br />
Couch erklärt die studierte Diplom-<br />
Kulturwirtin <strong>den</strong> Unterschied zwischen<br />
haupt- und ehrenamtlich,<br />
warum <strong>das</strong> Weilheim-Schongauer<br />
BRK alleinverantwortlich <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />
hiesigen Rettungsdienst zuständig<br />
ist, warum sie beim Frühstück<br />
besser keiner anspricht, wie es in<br />
Zukunft mehr Frauen in Führungspositionen<br />
schaffen und warum<br />
ihr in Sachen Personalaufstockung<br />
die Hände gebun<strong>den</strong> sind.<br />
Frau Ringel, haben Sie schon mal<br />
Blut gespendet?<br />
Früher regelmäßig. Seit ein paar<br />
Jahren, aufgrund meiner Eisenwerte,<br />
jedoch nicht mehr.<br />
Warum ist Blutspen<strong>den</strong> so wichtig?<br />
Jede Blutspende kann drei Leben<br />
retten, hilft Menschen nach<br />
schweren Unfällen, bei bestimmten<br />
Therapien, bei Krankheiten.<br />
Und da Blut grundsätzlich ein<br />
Stoff ist, <strong>den</strong> wir nicht synthetisch<br />
herstellen können, insofern im<br />
Original verwen<strong>den</strong> müssen, sind<br />
Spen<strong>den</strong> so wichtig. Durchschnittlich<br />
braucht jeder dritte Mensch<br />
im Laufe seines Lebens eine Bluttransfusion.<br />
Netter Nebeneffekt<br />
außerdem: Im Rahmen einer<br />
Blutspende bekommt man einen<br />
kleinen kostenlosen Gesundheitscheck<br />
gratis mit dazu. So habe ich<br />
erfahren, <strong>das</strong>s mein Eisenwert<br />
nicht mehr passt.<br />
Das Angebotsspektrum des BRK-<br />
Kreisverbandes Weilheim-Schongau<br />
reicht weit über Blutspendetermine<br />
hinaus. Zählen Sie bitte auf:<br />
Unser größtes Spektrum sind unsere<br />
fünf ehrenamtlich besetzten<br />
Gemeinschaften: die Bereitschaften,<br />
die Wasserwacht, <strong>das</strong> Jugendrotkreuz,<br />
der Bereich Wohlfahrt<br />
und Soziales und die Bergwacht.<br />
In <strong>den</strong> Bereich der Bereitschaften<br />
fallen zum Beispiel Sanitätsdienst,<br />
Schnelleinsatzgruppen, Betreuungsdienst,<br />
Gruppen <strong>für</strong> Verpflegung<br />
und Transport, <strong>für</strong> Technik<br />
und Sicherheit. Wir haben die<br />
CBRNE <strong>für</strong> chemische, biologische,<br />
radiologische, nukleare und explosive<br />
Gefahrensituationen, <strong>das</strong> IuK –<br />
eine Schnelleinsatzgruppe <strong>für</strong> Information<br />
und Kommunikation zur<br />
Koordinierung von Großeinsätzen<br />
wie Evakuierungen bei Bombenfun<strong>den</strong>,<br />
die Rettungshundestaffel,<br />
die psychosoziale Notfallversorgung,<br />
die Helfer vor Ort. Weiterhin<br />
gibt es unseren Kleiderla<strong>den</strong>,<br />
ein Generationenprojekt und eine<br />
Gruppe im Hausnotruf-Hintergrunddienst.<br />
Und hauptamtlich?<br />
Rettungsdienst, Fahrdienst <strong>für</strong><br />
Menschen mit mobilen Einschränkungen,<br />
Hausnotruf, Bildungsangebote<br />
wie Erste-Hilfe-Kurse, Notfalltraining<br />
<strong>für</strong> Krankenhäuser und<br />
Arztpraxen sowie Schulsanitäter-<br />
Ausbildung und letztlich die Verwaltung<br />
unserer Mitarbeiter und<br />
Fördermitglieder.<br />
Wie behalten Sie hier <strong>den</strong> Überblick?<br />
In <strong>den</strong> ersten Monaten bin ich viel<br />
herumgefahren, habe sehr viel mit<br />
Mitarbeitern und Führungskräften<br />
aus allen Bereichen gesprochen.<br />
Aus all diesen Eindrücken hat sich<br />
mittlerweile eine Art Matrix in meinem<br />
Kopf gebildet, über die ich mir<br />
unsere Angebote gut merken kann.<br />
Das BRK ist in Weilheim-Schongau<br />
alleinverantwortlich <strong>für</strong> <strong>den</strong> Rettungsdienst<br />
zuständig. Warum?<br />
Der Rettungsdienst ist ein öffentlich-rechtlicher<br />
Auftrag. Bei Schaffung<br />
neuer Standorte wer<strong>den</strong> diese<br />
ausgeschrieben, worauf sich jeder<br />
bewerben kann – private Anbieter<br />
genauso wie Hilfsorganisationen.<br />
Bisher haben wir die Ausschreibungen<br />
in Weilheim-Schongau immer<br />
<strong>für</strong> uns gewinnen können, weil<br />
wir schlichtweg gute Arbeit leisten,<br />
gute Konzepte bezüglich Ausfallund<br />
Fahrzeugsicherheit haben, <strong>für</strong><br />
qualitativ hochwertige Aus- und<br />
Fortbildungen unserer Mitarbeiter<br />
sorgen und in allen Bereichen<br />
ein funktionierendes Qualitätsmanagement<br />
leben. Dadurch, <strong>das</strong>s<br />
wir an vielen Standorten vertreten<br />
sind, haben wir auch <strong>den</strong> Vorteil,<br />
sehr flexibel zu sein. Kurzfristige<br />
Personalnot in beispielsweise<br />
Penzberg oder Schongau kann gedeckt<br />
wer<strong>den</strong> durch Mitarbeiter in<br />
Weilheim oder umgekehrt. Wenn<br />
wo ein Fahrzeug ausfällt, steht an<br />
anderer Stelle eines zur Verfügung.<br />
Und wenn’s im hauptamtlichen<br />
Bereich mal personell eng wird,<br />
haben wir gutausgebildete Ehrenamtler,<br />
die gemeinsam mit einem<br />
hauptberuflichen Notfallsanitäter<br />
einspringen können. Letztlich<br />
konnten wir landkreisweit noch<br />
jede einzelne Schicht im Rettungsdienst<br />
personell besetzen und bei<br />
Notfällen <strong>für</strong> die Bevölkerung da<br />
sein. Und darauf können wir stolz<br />
sein – in anderen Regionen ist <strong>das</strong><br />
nämlich nicht der Fall. Und funktioniert<br />
auch nur, weil unsere hochengagierten<br />
Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter auch außerhalb ihrer<br />
eigentlichen Dienstzeiten immer<br />
wieder einspringen und auf ihre<br />
Freizeit verzichten, wenn ein Kollege<br />
kurzfristig ausfällt.<br />
Wie viele Rettungswachen gibt es<br />
in Weilheim-Schongau?<br />
Mit Weilheim, Penzberg, Peißenberg,<br />
Schongau, Steinga<strong>den</strong>, Rottenbuch<br />
und Bernried sieben.<br />
Und wie ist der Rettungsdienst personell<br />
aufgestellt?<br />
Für die Besetzung unserer Rettungswagen<br />
mit je zwei Personen<br />
BRK-Chefin Anke Ringel mit „<strong>altlandkreis</strong>“-Redakteur Johannes Schelle<br />
im Einsatzleitfahrzeug des Weilheim-Schongauer Katastrophenschutzes.<br />
brauchen wir mindestens einen<br />
ausgebildeten Notfallsanitäter. Von<br />
<strong>den</strong>en fehlen bayernweit 500. Und<br />
auch wir wür<strong>den</strong> sofort drei Vollzeitkräfte<br />
einstellen können.<br />
Trotz hauseigener Ausbildung?<br />
Ja. Wir bil<strong>den</strong> hier im Landkreis an<br />
mehreren Wachen eigenständig<br />
aus, bekommen aber vom Kostenträger<br />
– unter anderem gemessen<br />
an Landkreisgröße und Einwohnerzahl<br />
– vorgegeben, wie viele<br />
Notfallsanitäter wir ausbil<strong>den</strong> dürfen.<br />
Unser Kontingent wurde <strong>für</strong><br />
heuer von sechs auf acht Azubis<br />
erhöht, am 1. Oktober haben auch<br />
acht neue Azubis angefangen. Aber<br />
<strong>das</strong> dauert natürlich drei Jahre, bis<br />
wir sie als vollwertige Arbeitskräfte<br />
einsetzen dürfen – vorausgesetzt,<br />
sie bleiben uns erhalten.<br />
Klingt nach vergebener Müh.<br />
Notfallsanitäter sind sehr gefragt.<br />
Wir bil<strong>den</strong> sie zwar aus, gebraucht<br />
wer<strong>den</strong> sie aber auch in Leitstellen,<br />
Krankenhäusern, Arztpraxen<br />
oder bei Berufsfeuerwehren. Wieder<br />
andere studieren danach, beispielsweise<br />
Medizin.<br />
Zudem ist es sicherlich ein sehr fordernder<br />
Beruf, <strong>den</strong> die wenigsten<br />
bis zur Rente durchstehen?<br />
Richtig. Man muss stressresistent<br />
sein, im Team arbeiten können,<br />
gut mit Menschen umgehen, mit<br />
verschie<strong>den</strong>sten Lebenssituationen<br />
klarkommen, Unfallsituationen<br />
aushalten, körperlich anpacken,<br />
im schlimmsten Falle Freunde oder<br />
Bekannte retten und in der Lage<br />
sein, sich vom Beruf abgrenzen zu<br />
können, nicht alles mit nach Hause<br />
zu nehmen.<br />
Wie sieht’s in Sachen Fuhrpark aus?<br />
Im Rettungsdienst sind aktuell<br />
18 Fahrzeuge im Einsatz – RTWs,<br />
KTWs und NEFs. Also Rettungswagen,<br />
Krankentransportwagen und<br />
Notarzteinsatzfahrzeuge. Hinzu<br />
kommen 75 Fahrzeuge <strong>für</strong> Fahrdienste,<br />
Hausnotruf und ehrenamtliche<br />
Dienste, acht Rettungsboote<br />
sowie 32 Anhänger, die mit Material<br />
<strong>für</strong> beispielsweise Versorgung,<br />
Zeltaufbau oder Notfallküche bestückt<br />
sind.<br />
Die Einsatzbilanz des Rettungsdienstes?<br />
2022 hatten wir 31 000 Einsätze mit<br />
einer Million zurückgelegten Kilometern,<br />
davon 9 835 Notarzt- oder<br />
Notfalleinsätze. Das entspricht<br />
rund 87 Rettungsdienst-Einsätzen<br />
pro Tag, was eine echte Hausnummer<br />
ist. Außerdem auffallend:<br />
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