altlandkreis - das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel
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Freywis-Orgel in Rottenbuchs Mariä Geburt<br />
Weltkultur aus 2 647 Pfeifen<br />
Rottenbuch | Wenn Organist Florian<br />
Löffler ein ganz bestimmtes Register<br />
zieht, erfüllt plötzlich Vogelgezwitscher<br />
<strong>den</strong> Kirchenraum von<br />
Mariä Geburt in Rottenbuch. Sehr<br />
ähnlich zu echten Vögeln hören<br />
sich die Töne an, die die Freywis-<br />
Orgel in der katholischen Pfarrkirche<br />
von sich gibt. Ein Blick in <strong>das</strong><br />
Innere des riesigen Instruments<br />
zeigt: Allein Wind und Wasser erzeugen<br />
die fast schon schrillen<br />
Töne, gefiederte Tiere sitzen hier<br />
keine. Das Prinzip funktioniert<br />
ähnlich einer Wasserflöte: In der<br />
Barock-Orgel befindet sich ein kleiner<br />
Wasserbehälter, in dem verkehrtherum<br />
vier Pfeifchen stecken.<br />
Das Wasser wird durch die Luft in<br />
Bewegung versetzt, die Wellen erzeugen<br />
unterschiedlich lange Luftsäulen,<br />
die in die Pfeifen gedrückt<br />
wer<strong>den</strong>. Heraus kommen Töne, die<br />
sich so anhören, als wür<strong>den</strong> Vögel<br />
ihr Liedchen trällern. „Wir setzen<br />
<strong>das</strong> Register nur an besonderen<br />
Festtagen ein“, sagt Kirchenmusiker<br />
Löffler. Und Rottenbuchs Pfarrer<br />
Josef Fegg ergänzt: „Für uns<br />
sind es Schwalben, die da singen –<br />
schließlich ist die Schwalbe ein<br />
Mariensymbol.“<br />
Die Freywis-Orgel fügt sich perfekt in die Rokoko-Kirche ein.<br />
Neben <strong>den</strong> vier Pfeifchen sind 2 643<br />
weitere Pfeifen in der Freywis-<br />
Orgel verbaut. Sie sind entweder<br />
aus Metall oder Holz gefertigt und<br />
ganz unterschiedlicher Form und<br />
Länge: Es gibt runde Pfeifen, aber<br />
auch quadratische. Die kleinste<br />
misst gerade einmal 1,2 Zentimeter,<br />
die größte ist 4,45 Meter lang.<br />
Das Musikinstrument verfügt über<br />
zwei Manuale, ein Pedal und 29<br />
Register. Insgesamt wiegt es etwa<br />
elf Tonnen. Die Marmor-Optik<br />
entsteht übrigens allein durch die<br />
Farbe, <strong>das</strong> Orgelgehäuse besteht<br />
ausschließlich aus Holz. Und wer<br />
direkt vor der Orgel steht, erkennt<br />
Verzierung, die dem Kirchgänger<br />
im Erdgeschoss der Rokoko-Kirche<br />
verborgen bleiben. So sind in<br />
Grüntönen Bibelstellen aufgemalt,<br />
die mit Musik zu tun haben.<br />
Die Freywis-Orgel zählt zu <strong>den</strong><br />
bedeutendsten Orgeln im südbayerischen<br />
Raum. „Sie ist ein Meisterstück<br />
der Technik, der Handwerkskunst<br />
und der Musik“, sagt<br />
Pfarrer Josef Fegg. Erbaut wurde<br />
sie in <strong>den</strong> Jahren 1746 und 1747 von<br />
Balthasar Freywis, einem deutschen<br />
Orgelmacher aus Aitrang.<br />
Von ihm stammt auch die bis heute<br />
gut erhaltene Orgel der Klosterkirche<br />
in Irsee im Ostallgäu. Sie gilt<br />
als „Schwesternorgel“ der Freywis-<br />
Orgel in Rottenbuch und ist gleichzeitig<br />
eine wichtige Referenzquelle<br />
<strong>für</strong> sie. Denn die Rottenbucher Orgel<br />
wurde über die Jahrhunderte<br />
mehrfach repariert und zum Teil<br />
tiefgreifend verändert.<br />
Von Rottenbuch nach<br />
Bonn<br />
Ein erster Umbau fand bereits<br />
1783 statt, ausgeführt durch <strong>den</strong><br />
Schongauer Orgelmacher Andreas<br />
Handmann. Weitere Umbauten<br />
folgten unter anderem in <strong>den</strong><br />
Jahren 1878 und 1963, seit 1922<br />
kann die Orgel elektrisch betrieben<br />
wer<strong>den</strong>. Den Blasebalg muss also<br />
keiner mehr treten. „Außer, es fällt<br />
der Strom aus“, sagt Löffler und<br />
lacht dabei. Er ist seit drei Jahren<br />
Kirchenmusiker im Pfarrverband<br />
Rottenbuch und spielt regelmäßig<br />
auf der Freywis-Orgel. Weil er als<br />
Organist immer mit dem Rücken<br />
20 | <strong>altlandkreis</strong>