D'HANDWIERK 02/2024
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MAGAZINE<br />
EDITO<br />
PROZESS<br />
Der Sozialdialog ist tot.<br />
Es lebe der Sozialdialog.<br />
Sozialdialog ist ein Prozess, in dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
gemeinsame Anliegen diskutieren und versuchen,<br />
einvernehmliche Lösungen zu finden. Dieser Prozess findet jeden<br />
Tag innerhalb der Unternehmen statt. Daneben, wesentlich<br />
mediatisierter, existiert er aber auch auf der institutionellen<br />
Ebene zwischen den sogenannten Sozialpartnern. Paradebeispiel<br />
dafür hierzulande ist die berühmt-berüchtigte Tripartie.<br />
Idealerweise basiert der Dialog auf einer gemeinsamen<br />
Analyse des Ist-Zustandes welche zwischen gleichberechtigten,<br />
vernünftigen Partnern zu ausgewogenen Ergebnissen<br />
führt, die langfristig die Überlebensfähigkeit der Unternehmen<br />
und somit der Arbeitsplätze absichert und die<br />
Arbeits- und Lohnbedingungen verbessert.<br />
Soweit zur Theorie. In Luxemburg geht die Bedeutung weit<br />
über den eigentlichen Prozess hinaus. Der Sozialdialog<br />
scheint zum kollektiven Selbstverständnis zu gehören und<br />
fungiert spätestens seit der erfolgreichen Abwicklung der<br />
Stahlindustrie, neben der Lohnindexierung, als eine Art<br />
Nationalheiligtum, welches bei jeder passenden und<br />
unpassenden Gelegenheit bemüht wird.<br />
„Vielleicht wäre es an der Zeit, sich ernsthaft mit Sinn<br />
und Zweck des Sozialdialoges auseinanderzusetzen.“<br />
Im politischen Sprachgebraucht geht es aber weder besonders<br />
um Soziales noch um Dialog sondern vorrangig um die<br />
Durchsetzung von Interessen Seitens der Gewerkschaften.<br />
Insbesondere auf politischer Ebene stellt die Gewerkschaft<br />
unilaterale Forderungen. Werden diese akzeptiert, funktioniert<br />
der Sozialdialog. Werden diese aus welchen Gründen<br />
auch immer nicht akzeptiert, liegt der Sozialdialog in<br />
Scherben. Win-Win Situationen zwischen Arbeitgebern und<br />
Arbeitnehmern oder auch der Politik sind im gewerkschaftlichen<br />
Weltbild, welches nach wie vor auf Klassenkampf ausgerichtet<br />
ist, nicht vorgesehen. Dieser Umstand ist bedauerlich,<br />
da der Dialog auf Betriebsebene sehr wohl funktioniert.<br />
Das Verständnis, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufeinander<br />
angewiesen sind, schafft nicht den Sprung auf die<br />
Ebene des institutionelle Sozialdialoges. Hinzu kommt noch<br />
ein extrem restriktives Arbeitsrecht, welches kleinste Abänderungen<br />
oder gar eine Modernisierung der Arbeitsbeziehungen<br />
quasi unmöglich macht.<br />
Diese enge Sichtweise macht auch die Aushandlung von<br />
Kollektivverträgen zu einem schwierigen Unterfangen, da<br />
alleine schon die Idee, dass auch die Arbeitgeberseite gewisse<br />
Vorstellungen und Forderungen haben könnte – sei<br />
es im gegenseitigen Geben und Nehmen - quasi als Majestätsbeleidigung<br />
gewertet wird.<br />
Das Handwerk sieht den potenziellen Mehrwert von<br />
kollektiven Arbeitsbeziehungen durchaus ein, doch dürfen<br />
solche Verhandlungen nicht im luftleeren Raum stattfinden<br />
und sie müssen darüber hinaus Lösungen produzieren,<br />
welche sowohl die Arbeitnehmer als auch die Unternehmen<br />
weiterbringen.<br />
Die Regierung ist mit dem Anspruch angetreten, die<br />
Arbeitsbeziehungen wieder näher an die Menschen zu<br />
bringen. Das ist zu begrüssen, da wir ja jeden Tag erleben,<br />
dass in eigentlich allen Betrieben das Miteinander funktioniert<br />
und gelebt wird.<br />
Dieser Anspruch hat leider nicht ganz den Weg ins<br />
Koalitionsabkommen geschafft. Anstatt dass die Politik eine<br />
Meinung hat und diese durchzusetzen versucht, stellt sie in<br />
vorauseilendem Gehorsam alles, was man sich in puncto<br />
Arbeitsbeziehungen vorstellen könnte, unter den Vorbehalt<br />
des vollständigen gewerkschaftlichen Einverständnisses.<br />
Dass die Gewerkschaften mit nichts einverstanden sind und<br />
sein werden, was sich nicht auf weniger Arbeit und mehr<br />
Lohn reimt, braucht in diesem Zusammenhang wohl nicht<br />
extra erwähnt zu werden. Eine andere Schlussfolgerung<br />
lassen die zuletzt geführten Verhandlungen zum Tarifvertrag<br />
des sich in einer tiefen Strukturkrise befindlichen<br />
Bauhauptgewerbes auf jeden Fall nicht zu.<br />
Vielleicht wäre es an der Zeit, sich ernsthaft mit Sinn und<br />
Zweck des Sozialdialoges auseinanderzusetzen. Was erwarten<br />
wir uns vom Sozialdialog? Wo macht er Sinn und<br />
wo muss die Politik mehr Verantwortung übernehmen?<br />
Wie schaffen wir es, dass überall wo Dialog drauf steht<br />
auch Dialog drin ist, und nicht Diktat? Eine ergebnisoffene<br />
Dialogkultur würde dem Land bestimmt besser stehen, als<br />
die systematische Reduktion der Arbeitsbeziehungen auf<br />
Klassenkampfmotive, die im Endeffekt weder den Arbeit-<br />
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