Festspielzeit Frühling 2024
Das Magazin der Bregenzer Festspiele
Das Magazin der Bregenzer Festspiele
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Doch auf die unfassbare Dimension<br />
der Seebühne musste ich mich erst<br />
einstellen. Als Zweitdirigentin hatte<br />
ich den Vorteil, nicht die Gesamtverantwortung<br />
zu tragen. Ich konnte<br />
helfen und beraten, aber ganz<br />
ohne Druck. Eine Besonderheit des<br />
Spiels auf dem See ist ja, dass das<br />
Orchester im Großen Saal des Festspielhauses<br />
spielt und live übertragen<br />
wird. Ich war überrascht, wie<br />
gut der Kontakt via Monitore nach<br />
draußen zu den Sänger:innen auf<br />
der Seebühne funktioniert. Einmal<br />
hörte ich merkwürdiges Räuspern<br />
über den Lautsprecher und machte<br />
mir Sorgen, doch später erfuhr ich,<br />
dass die Sängerin eine Mücke im<br />
Mund hatte.<br />
Sie dirigierten in den vergangenen<br />
zwei Festspielsommern insgesamt<br />
26 Vorstellungen von Madame<br />
Butterfly. Gab es ein besonders eindrückliches<br />
Erlebnis?<br />
Ja, mein allererstes Dirigat. Es war<br />
die Generalprobe und als ich zum<br />
Festspielhaus kam, sah ich die vielen<br />
Menschen am Vorplatz und war<br />
erst einmal geschockt. Fünf Minuten<br />
lang hatte ich echt Bammel.<br />
Während der Vorstellungen fehlte<br />
es mir aber dann doch, das Publikum<br />
zu spüren, das ja draußen auf<br />
der Tribüne saß. Umso schöner<br />
war es, am Ende auf die Seebühne<br />
zu kommen und die Zuschauer:innen<br />
beim Applaus endlich zu sehen.<br />
Die beiden Festspielsommer waren<br />
einzigartige Erfahrungen und ich<br />
freue mich sehr, mit Tancredi noch<br />
ein weiteres Jahr in Bregenz sein<br />
zu dürfen!<br />
Wie wurde in Ihnen der Wunsch<br />
geweckt, Dirigentin zu werden?<br />
Meine Mutter war Sopranistin.<br />
Sie hat mit 15 Jahren im Radio in<br />
Taiwan Johann Strauss’ Die Fledermaus<br />
gehört und war so begeistert<br />
von der Musik, dass sie nachforschte,<br />
woher sie kommt. Daraufhin gab<br />
sie drei Jahre Klavierunterricht,<br />
um sich das Flugticket leisten zu<br />
können und flog zum Studium nach<br />
Wien. Dort hat sie meinen Vater,<br />
einen Musiktheoretiker, kennengelernt.<br />
Zurück in Taiwan hatte sie,<br />
als ich sechs oder sieben Jahre alt<br />
war, den Wunsch, ihren Kindern für<br />
ein, zwei Jahre die Kultur zu zeigen,<br />
die sie so liebt und so sind wir gemeinsam<br />
nach Wien gegangen – wo<br />
meine Familie bis heute lebt.<br />
Meine zwei Geschwister und ich<br />
haben von Kindheit an Musik gemacht.<br />
Ich lernte Klavier bei Leonid<br />
Brumberg, einem Schüler von<br />
Heinrich Neuhaus und Dmitri<br />
Schostakowitsch. Er hat mir beigebracht,<br />
dass in den Klavierklängen<br />
auch die Töne der Violine, der<br />
Oboe, der Bässe stecken. Irgendwann<br />
reichen Klavier und Geige<br />
aber nicht mehr, um die Wirkung<br />
zu erzeugen, die man sich vorstellt.<br />
Mit einem ganzen Orchester gibt<br />
es einfach mehr Möglichkeiten, mit<br />
Klangfarben zu spielen. Also wählte<br />
ich das Doppelstudium von Violine<br />
und Dirigat.<br />
Nach Abschluss des Studiums wirkten<br />
Sie parallel als Geigerin in der<br />
Orchesterakademie der Oper Zürich,<br />
als Korrepetitorin in Valencia und<br />
als Dirigentin. Wann fiel der Fokus<br />
aufs Dirigat?<br />
Ich habe in Zürich wichtige Erfahrungen<br />
gesammelt und unter den<br />
Meistern Zubin Mehta, Bernard<br />
Haitink, Christoph von Dohnányi<br />
und Franz Welser-Möst im Orchester<br />
gespielt. 2019 wurde mir klar:<br />
Jetzt muss eine Seite die Oberhand<br />
gewinnen. So habe ich mich entschlossen,<br />
ausschließlich Dirigentin<br />
zu sein, war von 2020 bis Frühjahr<br />
2023 an der Deutschen Oper Berlin<br />
die Assistentin des Generalmusikdirektors<br />
und arbeite seitdem freiberuflich.<br />
Eine hoffentlich bald überflüssige<br />
Frage: Haben Sie die Erfahrung<br />
gemacht, als Frau am Pult unter<br />
Vorbehalt zu stehen?<br />
Vorbehalte gibt es allerlei. Gegen<br />
junge Menschen am Pult. Gegen<br />
Asiat:innen am Pult. Gegen Männer<br />
am Pult. Gegen Frauen am Pult.<br />
Letzteres ist jetzt sehr im Fokus.<br />
Deshalb genießen wir als Frauen<br />
momentan ein bisschen das Privileg,<br />
manchmal bevorzugt zu werden,<br />
damit gezeigt wird, dass ein Wandel<br />
stattfindet. Das ist an sich eine gute<br />
Sache. Aber ich persönlich würde<br />
es noch mehr gutheißen, wenn<br />
ich nur angefragt werde, weil die<br />
Leistung stimmt und nicht, weil ich<br />
eine Frau bin, wofür ich nichts kann.<br />
Letztendlich geht es doch darum,<br />
den Job gut zu machen und meine<br />
Erfahrung ist: Wenn man zusammen<br />
musiziert und alle sind mit an Bord,<br />
dann zählt ohnehin nur die Qualität.<br />
OPER IM FESTSPIELHAUS<br />
TANCREDI<br />
Gioachino Rossini<br />
Musikalische Leitung<br />
Yi-Chen Lin<br />
Insze nie rung Jan Philipp Gloger<br />
Bühne Ben Baur<br />
Kostüme Justina Klimczyk<br />
PREMIERE<br />
18. Juli <strong>2024</strong> – 19.30 Uhr<br />
WEITERE VORSTELLUNGEN<br />
21. Juli – 11.00 Uhr<br />
29. Juli – 19.30 Uhr<br />
Festspielhaus | Großer Saal<br />
TANCREDI<br />
17