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Festspielzeit Frühling 2024

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Vom 14. auf den 15. August<br />

1810 übernachtete der<br />

23-jährige Carl Maria von<br />

Weber auf Schloss Neuburg, einem<br />

damals säkularisierten Stift bei<br />

Heidelberg. Schenkt man Webers<br />

Sohn und Biographen Max Maria<br />

Glauben, so habe sein Vater dort<br />

gemeinsam mit seinem Freund, dem<br />

Juristen und späteren Diplomaten<br />

Alexander von Dusch, ein erst kürzlich<br />

in Leipzig veröffentlichtes Buch<br />

entdeckt, das im ganzen deutschsprachigen<br />

Raum für Furore sorgte:<br />

August Apels und Friedrich Launs<br />

Gespensterbuch. Insbesondere die<br />

von Apel verfasste tragisch-düstre<br />

Eröffnungsgeschichte Der Freischütz,<br />

in der ein Schreiber um Mitternacht<br />

in der verwunschenen Wolfsschlucht<br />

Freikugeln anfertigt, um am nächsten<br />

Tag durch einen erfolgreichen<br />

Probeschuss die Hand seiner Geliebten<br />

zu erringen, gefiel den beiden<br />

so sehr, dass sie sofort ein Opernszenarium<br />

entwarfen. Doch erst<br />

1817, als Weber zum königlichen<br />

Kapellmeister auf Lebenszeit und<br />

Leiter des sogenannten Deutschen<br />

Departements der Dresdner Oper<br />

berufen wurde, sollte er gemeinsam<br />

mit dem Schriftsteller Friedrich<br />

Kind, einem Schulfreund Apels, das<br />

Projekt wieder aufnehmen.<br />

Nach mehreren unvorhersehbaren<br />

Komplikationen und intensiv<br />

diskutierten Titelvarianten – »Der<br />

Probeschuß«, »Die Jägersbraut« –<br />

fand schließlich am 18. Juni 1821<br />

die langersehnte Uraufführung der<br />

romantischen Oper Der Freischütz<br />

statt. »Ins Schwarze getroffen«,<br />

schrieb Weber jubilierend seinem<br />

Librettisten Kind nach Dresden.<br />

Das Premierenpublikum im kürzlich<br />

eingeweihten Königlichen Schauspielhaus<br />

in Berlin feierte enthusiastisch<br />

das neue Werk, das mit<br />

seiner emotionsgeladenen und<br />

packenden Musik schon bald zum<br />

Inbegriff der deutschen romantischen<br />

Oper werden sollte.<br />

Weber und Kind waren allerdings<br />

nicht das erste Duo, das Apels<br />

Freischütz vertonte. Schon 1812<br />

hatten Franz Xaver von Caspar<br />

(Libretto) und Carl Borromäus<br />

Neuner (Komposition) das dramatische<br />

Potenzial der Erzählung<br />

erkannt und die letztlich nicht<br />

aufgeführte romantische Tragödie<br />

Der Freyschütze geschrieben.<br />

1816 folgten gleich zwei Produktionen<br />

in Wien: Am 20. November hob<br />

sich im Theater in der Leopoldstadt<br />

der Vorhang für Ferdinand Rosenaus<br />

romantisch-komische Volkssage<br />

mit Gesang Der Freyschütze, am<br />

28. Dezember im Theater in der<br />

Josefstadt das Schauspiel mit Musik<br />

Die Schreckensstunde am Kreuzwege<br />

um Mitternacht oder Der Freyschütze<br />

von Joseph Alois Gleich<br />

(Libretto) und Franz de Paula Roser<br />

(Komposition). Auch Louis Spohr<br />

arbeitete an einem Werk mit dem<br />

Titel Der schwarze Jäger, gab<br />

es jedoch auf, als er von Webers<br />

Opernprojekt erfuhr.<br />

All diese Titel belegen nicht zuletzt<br />

auch die allgemeine Beliebtheit<br />

von Gespenster- und Gruselgeschichten<br />

zur Zeit der sogenannten<br />

Schauerromantik oder schwarzen<br />

Romantik. Mit ihren unheimlichen,<br />

phantastisch-abseitigen und<br />

dämonisch-grotesken Tendenzen<br />

belegen sie eine gewisse Abkehr der<br />

damaligen Menschen von der vernunftgeleiteten<br />

Aufklärung – und<br />

stehen in unmittelbarer Verbindung<br />

zu den mit Gewalt und Schrecken<br />

geführten napoleonischen Kriegen.<br />

Schlösser, Klöster, Ruinen und<br />

Friedhöfe, aber auch der Wald sind<br />

die Schauplätze dieser Geschichten.<br />

Beschwörungsrituale, Hexenmagie,<br />

Erbflüche, Inzest, untote Ahnen<br />

und unerklärliche Naturspektakel<br />

bilden das Inventar dieser Stücke.<br />

Der Mythos vom Freischütz, der<br />

durch schwarzmagische Praktiken<br />

oder durch sogenannte Freikugeln<br />

die Fähigkeit erlangt haben soll,<br />

jedes Ziel zu treffen, sei es auch weit<br />

entfernt, nicht zu sehen oder um<br />

die Ecke gelegen, ist in vielen Volkserzählungen,<br />

Sagen, aber auch in<br />

den Akten zu Hexenprozessen überliefert.<br />

Die älteste heute bekannte<br />

Quelle zum Freischütz-Mythos aus<br />

dem Jahr 1449 stammt aus einer<br />

solchen Akte aus Basel. Darin wird<br />

einem Söldner vorgeworfen, er<br />

habe drei Schüsse auf ein Jesusbild<br />

abgegeben und dadurch Freikugeln<br />

geschaffen, mit denen er anschließend<br />

mehrere Menschen ermordet<br />

habe. Er wurde durch Ertränken<br />

hingerichtet. Diese Ausgestaltung<br />

des Mythos findet sich nicht nur<br />

prominent im Malleus maleficarum,<br />

im Hexenhammer von 1486, sondern<br />

auch in mehreren Sagenbüchern,<br />

auch in einem aus Vorarlberg.<br />

Laut einer Legende soll im Bregenzerwald<br />

auf der Schnepfegg, einer<br />

Anhöhe oberhalb der Ortschaft<br />

Schnepfau, ein Schütze einen Pakt<br />

mit dem Teufel geschlossen und in<br />

DER FREISCHÜTZ<br />

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