SPIEL AUF DEM SEE NUR EIN SUMPF TRENNT BÜHNE UND PUBLIKUM Auf dem See, zwischen Tribüne und Seebühne, entsteht ein riesiges Wasserbecken. Für Der Freischütz wandelt sich dieser »See im See« zur unwirtlichen Landschaft. Eine Herausforderung für die Festspieltechnik.
Frösteln soll es die Besucher:innen beim Anblick der Seebühne, wünscht sich Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl. Er lässt auf dem Bodensee ein zerstörtes mittelalterliches Dorf in winterlicher Landschaft entstehen. Schneebedeckte Hügel, verfallene Holzhäuschen in einer unwirtlichen Landschaft und kahle Bäume bilden die Kulisse für Carl Maria von Webers Der Freischütz. Zum Greifen nahe wird das Drama um Liebe und Teufelspakt für das Publikum sein. Denn zwischen Bühnenkern und Tribüne wird auf und mit dem Bodensee eine künstliche Wasserlandschaft geschaffen, die Bühne und Zuschauerraum beinahe verschmelzen lässt. anzeigen, wird Wolfgang Urstadt, technischer Leiter der Bregenzer Festspiele, aufatmen. Dann liegen hinter dem Technikteam Monate intensiver Arbeit. Eine noch nie da gewesene logistische Herausforderung musste bewältigt werden: der Bau eines neuen Bühnenbildes parallel zum laufenden Abriss und Wiederaufbau der gesamten Seebühne. Der sogenannte Betonkern – die eigentliche Seebühne – wurde komplett erneuert, die Hinterbühne abgerissen. Wie baut man ein Bühnenbild, wenn es keine Bühne gibt? Die Lösung: Man nutzt den Raum, sprich den See, zwischen Tribüne und Baustelle. Während hinten noch am Betonkern gearbeitet wurde, entstand davor ein riesiges Wasserbecken für das Bühnendorf. Hinter diesem Dorf wird sich dann eine Hügellandschaft über den neuen Bühnenkern ziehen. So wird Der Freischütz nicht nur über dem Wasser, sondern auch im Wasser gespielt. Einiges an Tüfteln und Probieren im extra dafür gefertigten Testbecken sei da schon notwendig gewesen, sagt Wolfgang Urstadt: »Wir haben zwar viel Erfahrung mit Technik unter Wasser, aber die ganze Bühnentechnik, die Hydraulik, die Elektromotoren in ein künstliches Becken einzubauen, das war Neuland für uns.« Auch für die Künstler:innen wird die Arbeit ungewohnt nass. Sie stecken quasi knöcheltief im Wasser. Entsprechend müssen die Kostüme der Darsteller:innen präpariert und zum Teil aus Neopren gefertigt werden. 25 Zentimeter tief ist das Becken an den meisten Stellen, doch es verbirgt auch Gänge, seichtere und tiefere Bereiche. Wolfgang Urstadt: »Da werden Darsteller:innen plötzlich verschwinden und woanders wieder auftauchen.« Unsichtbare Verbindungsgänge machen es möglich. Damit nichts passieren kann, wird das 1.400 Quadratmeter große Becken, nachdem alle Kabel und Zuleitungen verlegt sind, rutschsicher ausgekleidet. Gefüllt wird das Becken mit 500.000 Liter Seewasser, das zweimal täglich mit Pumpen umgewälzt wird, Keramikfilter hal- DER FREISCHÜTZ 156 Holzstämme, sogenannte Piloten, wurden für den Aufbau des Holzbeckens in den See gerammt. Über die gesamte Breite des Zuschauerraums zieht sich das künstliche Gewässer, aus dem in den nächsten Monaten das Dorf von Agathe und Max wachsen wird. Acht Holzhäuser werden zurzeit in der Montagehalle der Bregenzer Festspiele gebaut. Darunter das Wirtshaus, eine Mühle mit einem sich drehenden Mühlrad, Agathes kleines Häuschen und der schiefe Kirchturm, mit zehn Metern das höchste Gebäude. Sie sind Schauplätze mit Überraschungseffekten, verbergen aber auch Lautsprecher und Bühnentechnik. Wenn sich zur Premiere am 17. Juli zum ersten Mal die Zeiger der Uhr auf dem aus dem Wasser ragenden Kirchturm rückwärts bewegen und den Beginn einer Zeitreise Direkt vor der ersten Reihe der Seetribüne entsteht als Teil des Bühnenbilds ein 1.400 Quadramteter großes Wasserbecken. Im April wird das Bassin geflutet, um die Freischütz-Szenerie mit dem Bodensee verschmelzen zu lassen. 9