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Festspielzeit Frühling 2024

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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SPIEL AUF DEM SEE<br />

DER PODCAST DER<br />

BREGENZER FESTSPIELE<br />

HÖR-SPIELE<br />

Untermalt mit der emotionsgeladenen<br />

und packenden Musik bietet<br />

diese Podcast-Folge einen Einblick<br />

in Webers Der Freischütz. Dramaturg<br />

Florian Amort beleuchtet die Entstehung<br />

und die zentralen Themen<br />

der schaurig-schönen Oper.<br />

der Weihnacht auf ein Kruzifix geschossen<br />

haben. Dadurch erhielt er<br />

treffsichere Freikugeln, mit denen<br />

er jedes Wild erlegen konnte.<br />

Vermutlich zeitgleich entstand<br />

die Überzeugung, man könne Freikugeln<br />

auch zu bestimmten Nächten<br />

und mit besonderen Zutaten<br />

wie Menschenblut, Tierherzen,<br />

Blei von Friedhofskreuzen oder<br />

Kirchenfenstereinfassungen herstellen.<br />

Eine der ersten literarischen<br />

Verarbeitungen des Gießens<br />

von Freikugeln ist in dem Buch<br />

Unterredungen von dem Reiche<br />

der Geister zwischen Andrenio und<br />

Pneumatophilo aus dem Jahr 1730<br />

zu finden. Verfasst hat es der in<br />

Innsbruck geborene und am preußischen<br />

Hof wirkende Schriftsteller<br />

Otto von Graben zum Stein. Die darin<br />

geschilderte Episode von einem<br />

Freischütz geht wiederum auf einen<br />

Gerichtsprozess zurück, der 1710 in<br />

Taus (heute: Domažlice, Tschechien)<br />

geführt wurde. Angeklagt war ein<br />

18-jähriger Schreiber namens Georg<br />

Schmid, der gemeinsam mit einem<br />

zauberkundigen Jäger insgesamt<br />

63 Freikugeln gegossen haben soll.<br />

Während des Vorgangs wurde er<br />

Zeuge verschiedener Erscheinungen,<br />

zuletzt erblickte er den Teufel selbst.<br />

Er brach ohnmächtig zusammen,<br />

wurde gefunden, nach seinem<br />

Geständnis festgenommen und zum<br />

Tode verurteilt, später allerdings<br />

aufgrund seines jugendlichen<br />

Alters begnadigt und stattdessen<br />

zu einer sechsjährigen Haftstrafe<br />

und Zwangsarbeit verurteilt. Diese<br />

Geschichte, verbunden mit dem Topos<br />

einer Brautwerbung, bildet die<br />

Grundlage für Apels Erzählung vom<br />

Freischütz, die wiederum von Kind<br />

für Weber dramatisiert und von der<br />

Gegenwart in die Zeit kurz nach der<br />

Beendigung des Dreißigjährigen<br />

Krieges zurückverlegt wurde.<br />

Als Ende Mai 1817 die zweite<br />

Librettofassung vorlag, schrieb<br />

Weber euphorisch an seine Verlobte,<br />

die Schauspielerin Caroline<br />

Brandt: »Die Oper ist wirklich<br />

trefflich geworden durch die neue<br />

Bearbeitung. Kurz, gedrängt, schönes<br />

Finale und andere Ensemble<br />

Stücke, und nun glaube ich, daß in<br />

dieser Gattung noch keine existirt.<br />

Gott gebe seinen Segen dazu, es<br />

sind entsetzliche Aufgaben darin,<br />

und mein Kopferl wird mir oft brummen,<br />

schadt aber nitz.« Dabei war<br />

es vor allem das Religiöse, an dem<br />

sich das Duo Kind-Weber im Streit<br />

entzweite. Einig waren sie sich noch,<br />

dass das pessimistisch-tragische<br />

Ende der Vorlage – der Schreiber<br />

Wilhelm tötet beim Probeschuss<br />

seine Braut Klärchen und verfällt<br />

dem Wahnsinn – kein geeigneter<br />

Schluss für ihr Projekt war. Kind<br />

fügte deshalb, wie übrigens schon<br />

1812 Franz Xaver von Caspar und<br />

Carl Borromäus Neuner in ihrer<br />

Version, dem Drama die Figur des<br />

Eremiten hinzu: Zu Beginn der Oper<br />

überreicht er Agathe – ein Zeichen<br />

ihrer Unschuld – weiße Rosen, jene<br />

weiße Rosen, die später zum Brautkranz<br />

gebunden sie von der Teufelskugel<br />

schützen wird. Doch diese<br />

Auftakt-Szene wurde von Weber<br />

auf Anraten seiner Verlobten und<br />

zum Leidwesen von Kind ersatzlos<br />

gestrichen.<br />

Geblieben ist jedoch das versöhnliche<br />

Ende: Wie ein Deus ex machina<br />

aus der Barockoper tritt der Eremit<br />

als religiöse Autorität und Konfliktlöser<br />

für den Schützen Max ein und<br />

führt in einer nicht unheiklen Kehrtwende<br />

die Sache doch noch zum<br />

Guten: Ein Liebesglück sollte nicht<br />

von einem Probeschuss abhängig<br />

sein. Der archaische Brauch gehöre<br />

abgeschafft und Max sollte eine<br />

Bewährungsfrist von einem Jahr<br />

bekommen. Bestehe er sie, könne er<br />

die Erbförsterei übernehmen und<br />

Agathe heiraten. Der Fürst ist einverstanden<br />

und verzichtet auf seine<br />

Bestrafung, großer Jubel am Ende.<br />

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