KEM Konstruktion 03.2024
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TRENDS » Produktentwicklung<br />
Generative AI im Engineering<br />
ChatGPT & Co. revolutionieren<br />
die Produktentwicklung<br />
Generative Artificial Intelligence (GenAI) wird unsere Ingenieursarbeit umkrempeln. Das Fraunhofer IEM testet<br />
die aktuellen Tools derzeit auf Herz und Nieren – und fragt: Was können die AI-Tools für die Produktentwicklung<br />
leisten? Dabei entstehen spannende Visionen und sehr konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen,<br />
die durch den Einsatz von GenAI im Wettbewerb künftig vorn liegen wollen.<br />
Roman Dumitrescu, Tommy Falkowski, Aschot Hovemann und Rik Rasor, Fraunhofer IEM<br />
Vision: eine Engineering-Task-Force<br />
im<br />
Jahr 2050 – der<br />
GenAI-Assistant<br />
namens Michael führt<br />
die Ideen für ein neues<br />
Fahrzeugmodell blitzschnell<br />
aus.<br />
Eine Autostadt im Jahr 2050. Es trifft sich: Die Engineering-Task-Force<br />
für den neuen Electra<br />
Quantum X. “Kommen wir zum Motor”, sagt die<br />
Chefingenieurin. „Analysen zeigen: Die höchste Effizienz<br />
erreichen wir mit dieser Spulenwicklung.<br />
Michael, bitte nimm diese Anforderung und entwerfe<br />
uns zehn Designoptionen.“ Wenige Sekunden vergehen,<br />
dann erscheinen mitten im Raum realitätsnahe<br />
3D-Versionen der nächsten Electra-Quantum-Generation.<br />
Michael meldet sich zu Wort: „Voilà. Ich habe<br />
neben den Anpassungen am Motor auch die aktuellen<br />
Designs des Markts berücksichtigt und mache<br />
Vorschläge für ein innovatives und überraschendes<br />
Design. Laut Marktforschung treffen sie genau den<br />
Zeitgeist für unser geplantes Release in 2052.“ Der<br />
Raum, in dem sich die Task Force trifft: Warmes<br />
Licht, Sofas, ein Kicker. Jemand hat Band-Poster an<br />
die Wand gehängt. Jemand anderes züchtet Kakteen<br />
am Fenster. Keine Computer, keine Monitore. Nur die<br />
fünf Ingenieur:innen. Michael heißt keiner von ihnen.<br />
Bild: Midjourney / Fraunhofer IEM<br />
Die Geschichte des KI-Engineering-Assistenten<br />
Michael ist eine Vision, die das Fraunhofer IEM entwickelt<br />
hat, um die Chancen von Generative AI in<br />
der Produktentwicklung zu diskutieren. Grundlage<br />
ist eine intensive Beschäftigung mit Generative-AI-<br />
Tools, und zwar nicht erst seit dem Durchbruch von<br />
ChatGPT im November 2022. Die Wissenschaftler:innen<br />
probieren wir viel aus. Sie prüfen Generative<br />
AI aber auch real in Entwicklungsprojekten mit<br />
der Industrie.<br />
KI im Engineering nutzen<br />
Tatsächlich ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz<br />
in der industriellen Praxis seit vielen Jahren<br />
etabliert. Wir sprechen hier von diskriminativer<br />
Künstlicher Intelligenz, die auf Basis von Daten<br />
etwa Aussagen über einen Zustand ableiten kann.<br />
Die Einsatzfelder sind dabei meist sehr spezialisiert,<br />
beispielsweise eine automatische Erkennung von<br />
Fehlern an Bauteilen oder die Detektion von ungünstigen<br />
Prozessparametern eines Produktionsprozesses.<br />
Als das US-Unternehmen OpenAI der Öffentlichkeit<br />
den Chatbot ChatGPT zugänglich machte, ging ein<br />
Beben durch Wirtschaft und Gesellschaft. Mit einem<br />
Schlag offenbarte sich das Potenzial der neuen KI-<br />
Modelle, die zwei Eigenschaften mit wahrhaft revolutionärem<br />
Charakter aufweisen:<br />
Erstens wird Generative AI so trainiert, dass sie gänzlich<br />
neue Inhalte (Text, Bild, Audio oder Video)<br />
erschafft. Beispiel ChatGPT: Das zugrundeliegende<br />
Sprachmodell (engl. Large Language Model LLM)<br />
berechnet – auf Basis einer initialen Eingabe – die<br />
Wahrscheinlichkeiten für den darauffolgenden Text.<br />
Vereinfacht ausgedrückt: Es setzt ein Wort hinter das<br />
andere, erzeugt so aber Texte auf hohem sprachlichem<br />
Niveau und erläutert komplexe Zusammenhänge.<br />
Aber Vorsicht: Es kennt keinen Unterschied zwischen<br />
wahr und falsch; und versucht lediglich, die<br />
16 <strong>KEM</strong> <strong>Konstruktion</strong>|Automation » 03 | 2024