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MACHER Menschen + Märkte - April 2024

MACHER Menschen + Märkte - Ausgabe vom 12.04.2024

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16 <strong>MACHER</strong>, MENSCHEN + MÄRKTE | INTERVIEW<br />

APRIL <strong>2024</strong><br />

touristisches „Hub“ in der Region. Dazu gehören auch mediale<br />

Strategien. Die Stadt wurde schon sehr oft in Hollywoodfilmen als<br />

Kulisse genutzt. In „Mission Impossible“ klettert Tom Cruise zum<br />

Beispiel außen am über 500 Meter hohen Burj Khalifa. Das liefert<br />

natürlich spektakuläre Bilder von der Architektur und der Skyline<br />

von Dubai. Ich war im vergangenen Jahr für meine Forschung dort<br />

und habe den Burj Khalifa selbst besucht: Im Aufzug werden bereits<br />

diese Filmszenen gezeigt, da vermischt sich die Wirklichkeit<br />

mit medialer Fiktion untrennbar zu einer „Hyperrealität“ – solche<br />

Settings schüren oft den Wunsch, auch mal etwas „wie im Film“ zu<br />

erleben.<br />

Werden Maßnahmen wie in Venedig und Paris zunehmen?<br />

Sommerlad: Es gibt ja bereits viele punktuelle Maßnahmen. Aber<br />

die ändern nichts an den großen Herausforderungen des Tourismus.<br />

Aktuelle Studien zeigen, dass für <strong>Menschen</strong> Nachhaltigkeit<br />

auf Reisen immer wichtiger wird. Aber die Zahlen zur tatsächlichen<br />

Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf Reisen sind<br />

erstaunlich niedrig. In der Forschung sprechen wir von einem Attitude-Behavior-Gap.<br />

Die Bereitschaft etwas am eigenen Verhalten<br />

zu ändern, scheint nicht groß zu sein – oder aber es fehlt oft an<br />

Angeboten. Tourismus müsste sich in puncto Nachhaltigkeit systemisch<br />

ändern. Solange er fast ausschließlich als ökonomische<br />

Wachstumsmaschine gesehen wird, bleibt alles beim Alten. Es gibt<br />

Kolleginnen und Kollegen, die in ihrer Forschung alternative Modelle<br />

in Richtung Postwachstum beziehungsweise Degrowth im<br />

Tourismus entwickeln, das ist wichtig. Es geht darum, wie wir Alternativen<br />

zu einem immerwährenden Wachstumsgedanken schaffen<br />

können. Damit einher können Strategien gehen, die stärker auf<br />

die Qualität von Reisen oder auch auf alternative Reiseformate<br />

setzen. Wenn Tourismus nachhaltiger werden soll, steht nicht die<br />

Flugreise oder die Kreuzfahrt an erster Stelle.<br />

Was bedeutet das? Nur noch mit der Bahn reisen?<br />

Sommerlad: Was Fortbewegungsmittel betrifft, müssen wir uns<br />

alle selbst an die Nase fassen. Also vielleicht einmal mehr den<br />

ÖPNV nutzen, auch wenn die Bahn manchmal Verspätung hat,<br />

statt aus Bequemlichkeit ins Auto steigen. Klar, einige Urlaubsziele<br />

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Zur Person<br />

Dr. Elisabeth Sommerlad ist<br />

Humangeographin und<br />

forscht an der Schnittstelle<br />

von Sozial-, Medien- und<br />

Tourismusgeographie. Sie<br />

vertritt die Professur für<br />

Freizeit- und Tourismusgeographie<br />

an der Universität<br />

Trier.<br />

sind dann nicht gut erreichbar. Oder auch hinterfragen, ob nachhaltiger<br />

Ökotourismus an manchen Destinationen überhaupt<br />

möglich ist, wenn man erst einmal einen Langstreckenflug dorthin<br />

nehmen muss. Oder auch die Summe der Reisen bedenken – nach<br />

dem Motto „weniger ist mehr“.<br />

Jeder schaut durch seine Brille und hält sich eben für den „besten“<br />

Touristen.<br />

Sommerlad: Auf Mauritius gibt es zum Beispiel auch schon kleine<br />

Ökotourismus-Resorts, wo man für sehr viel Geld pro Nacht nachhaltig<br />

urlauben kann. Aber auch dem geht dann eine mindestens<br />

zwölfstündige Flugreise voraus – da kann die Ökobilanz unterm<br />

Strich nicht nachhaltig sein und wir sind wieder bei dem Widerspruch<br />

von Wunsch und Wirklichkeit.<br />

Sie fliegen öfter nach Mauritius. Wie verantworten Sie das?<br />

Sommerlad: Meinen ökologischen Fußabdruck rede ich mir nicht<br />

schön. Ich mache mir sehr viele Gedanken darüber. Kann ich überhaupt<br />

meine Forschung im Globalen Süden aus Nachhaltigkeitsgründen<br />

so durchführen, wie ich es gerne möchte? Aber ich möchte<br />

als empirische Sozialwissenschaftlerin auch mit den <strong>Menschen</strong><br />

vor Ort ins Gespräch kommen. Das funktioniert nicht vom Schreibtisch<br />

aus. Ich fliege möglichst selten und bleibe dann so lange wie<br />

möglich, anstatt vieler kurzer Reisen. Ich bin mir da meiner eigenen<br />

Verantwortung sehr bewusst. Privat achte ich sehr darauf,<br />

möglichst nicht in den Urlaub zu fliegen.<br />

Stellt sich abschließend die Frage, ob jeder überall gewesen sein<br />

muss?<br />

Sommerlad: Damit sind wir wieder bei der Frage, was der Grund<br />

für unser Reisen ist – und medial reisen wir ja ohnehin schon überall<br />

hin. Mir geht es aber nicht darum, dogmatisch zu sagen, dass<br />

wir alle nicht mehr reisen dürfen. Mir ist es wichtig, kritisch eigene<br />

Praktiken zu hinterfragen, eigenes Verhalten immer wieder selbst<br />

abzuwägen. Wenn jeder bei sich selbst anfängt, verantwortungsbewusst<br />

zu handeln und zu reisen, lässt sich am Ende vielleicht<br />

etwas bewegen. ///<br />

HAUS<br />

EINLADUNG<br />

18.-19. APRIL<br />

INNOVATIONEN<br />

SCHULUNGEN<br />

VORFÜHRUNGEN<br />

INSPIRATION

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