MACHER Menschen + Märkte - April 2024
MACHER Menschen + Märkte - Ausgabe vom 12.04.2024
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APRIL <strong>2024</strong><br />
<strong>MACHER</strong>, MENSCHEN + MÄRKTE | INTERVIEW 15<br />
wird. Vor kurzem war in der Presse zu lesen, dass Eltern mit ihrem<br />
zweijährigen Kind auf den Mount Everest gestiegen sind. Da gab es<br />
dann auch gleich noch Familien-Schnappschüsse auf Instagram zu<br />
sehen. Da, finde ich, kommt man dann schon schnell zu ethischen<br />
Fragen.<br />
Hat die ZDF-Sendung „Traumschiff“ die Kreuzfahrtschiff-Nachfrage<br />
gefördert?<br />
Sommerlad: Mediale Formate wirken ganz stark auf unser Reiseverhalten.<br />
Es gibt Forschung direkt zum Traumschiff, die zeigt,<br />
dass die Serie ein bisschen wie ein Reiseführer für Destinationen<br />
auf der ganzen Welt funktioniert. Das Traumschiff lebt die Reise<br />
vor und zeigt gleich die Orte, die man auf jeden Fall besuchen soll.<br />
Ich selbst forsche zum Phänomen Medientourismus, also der Frage,<br />
wie Filme, Videospiele, oder auch Instagram Reisen beeinflussen.<br />
Ich finde es spannend zu hinterfragen, welche Herausforderungen<br />
Medientourismus für einzelne Destinationen mit sich<br />
bringt. Gerade beschäftige ich mich auch mit der Darstellung von<br />
Mauritius in unterschiedlichen Traumschiff-Folgen, denn dort<br />
wurden schon einige gedreht. Ich bin noch nicht fertig mit der<br />
Analyse, aber es zeigt sich bereits, wie sich der Blick auf die Insel<br />
über die Jahre hinweg verändert. Zu Beginn ging es vor allem darum,<br />
sich am Strand aufzuhalten, ein bisschen Sega-Folklore anzuschauen<br />
und vielleicht noch einen Cocktail zu trinken. In der Folge<br />
vom letzten Jahr aber geht der Kapitän mit der Schiffsärztin wandern<br />
und steigt auch auf den Le Morne Brabant. Das ist eine Aktivität,<br />
die tatsächlich von der lokalen Tourismusbranche derzeit sehr<br />
forciert wird. Es soll nicht mehr nur der Strand-Tourismus im Fokus<br />
stehen, sondern es wird stark auf Erlebnis- oder Ökotourismus<br />
gesetzt. Das spiegelt sich auch in Fernsehserien.<br />
Ist Mauritius noch ein Geheimtipp?<br />
Sommerlad: Ich glaube nicht, dass Mauritius noch als Geheimtipp<br />
zu bewerten ist. Vor Corona gab es ungefähr eine Million Touristen<br />
pro Jahr bei einer Einwohnerzahl von rund 1,3 Million <strong>Menschen</strong><br />
– und man möchte noch mehr Reisende gewinnen. Mauritius wird<br />
sehr intensiv als tropische Paradiesinsel in den Medien, nicht nur<br />
„Ich glaube nicht,<br />
dass Mauritius noch<br />
als Geheimtipp zu<br />
bewerten ist“<br />
Dr. Elisabath Sommerlad<br />
im Traumschiff, imaginiert. Das erzeugt natürlich Sehnsüchte.<br />
Welche Herausforderungen bringt das für die Insel mit sich?<br />
Sommerlad: Die gleichen, die auch andere Destinationen im globalen<br />
Süden umtreibt, die wirtschaftlich vom Tourismus abhängen.<br />
Auf der einen Seite braucht man ihn, auf der anderen Seite<br />
bringt er viele Herausforderungen mit sich und ist ein Treiber des<br />
Klimawandels. Gerade für kleine Inseln ist das wirklich eine ambivalente<br />
Situation. Das zeigt sich auch schon sehr stark. Zu Beginn<br />
dieses Jahres ist Zyklon Belal über Mauritius gefegt und hat sehr<br />
viel Unheil angerichtet: Überschwemmungen, Stranderosion, zerstörte<br />
Infrastruktur. Aber in den touristischen Foren haben dann<br />
viele Reisende direkt gefragt, wann man wieder an den Strand gehen<br />
kann. Die Bedeutung für die Insel-Umwelt und die lokalen<br />
Communities hat viele anscheinend wenig interessiert. Als Forschende<br />
ist es unsere Aufgabe, dieses Spannungsfeld kritisch in<br />
den Blick zu nehmen und zu hinterfragen.<br />
Können Sie noch mehr über die Wirkung von Medientourismus<br />
erzählen?<br />
Sommerlad: Medien beeinflussen unseren Blick auf die Welt, sie<br />
bringen imaginäre Geographien hervor. Diese Vorstellungen haben<br />
wiederum Auswirkungen darauf, wie beispielsweise ein Ort<br />
gestaltet und erlebt wird. In der Forschung geht es unter anderem<br />
darum zu verstehen, wie zum Beispiel eine Film-Location für den<br />
Tourismus genutzt wird und wie Reisende solche Orte erleben.<br />
Spannend ist auch, dass es mittlerweile viele touristische Destinationen<br />
gibt, die zum Beispiel Steuererleichterungen schaffen, um<br />
gezielt große Filmproduktionen anzulocken, da das den Tourismus<br />
fördern kann – Film wird Teil des Marketing-Mixes. In meiner Vorlesung<br />
habe ich neulich über Mexiko gesprochen, wo der James<br />
Bond-Film „Spectre“ gedreht wurde, oder auch über die Arabischen<br />
Emirate.<br />
Waren deshalb auf einmal Dubai-Reisen so angesagt?<br />
Sommerlad: Dubai setzt aufgrund seiner ökonomischen Diversifizierungsstrategie<br />
sehr stark auf Tourismus und versteht sich als<br />
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