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Verelendungstheorie – die hilflose Kapitalismuskritik

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einer »Abstumpfung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit«. Der vergesellschaftete<br />

Produktionsprozeß in seiner kapitalistischen Form sei bloß »in begrifflichem und nicht in histori-<br />

schem Sinne« Voraussetzung des Sozialismus, denn das Klassenbewußtsein - der »aktive Faktor«<br />

unter den drei Ergebnissen - kann nur noch »bloßes Ideal« sein, »dessen Überzeugungskraft auf<br />

seiner eigenen ihm zugedachten Vollkommenheit« beruht, weil es durch »<strong>die</strong> Anpassungsmittel«<br />

und <strong>die</strong> »Abstumpfung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit« eben nicht mehr »der<br />

einfache geistige Widerschein der sich immer mehr zuspitzenden Widersprüche des Kapitalismus<br />

und seines bevorstehenden Untergangs« sei. 21 Für Rosa Luxemburg bedeutete also <strong>die</strong> Ver-<br />

schlechterung in der Lage der Arbeiterklasse den entscheidenden Aspekt der Krise, »dessen Ge-<br />

genstück der Aufschwung des politischen und sozialistischen Klassenkampfes sein muß« 22 . In<br />

der Zusammenbruchstheorie ist daher gar nicht der quasi automatische Zusammenbruch des Ka-<br />

pitalismus als bloß ökonomisches Scheitern an den rein ökonomischen Widersprüchen gemeint,<br />

denn lange vor <strong>die</strong>sem Punkt werde das Proletariat gegen <strong>die</strong> Unhaltbarkeit der Zustände revol-<br />

tieren.<br />

Auch Bernstein verstand unter dem, was er als <strong>die</strong> >Zusammenbruchstheorie< der Sozialdemo-<br />

kratie bezeichnete, keinen mechanischen, bloß ökonomischen Zusammenbruch, sondern das Zu-<br />

sammenspiel von Verelendung des Proletariats in einer umfassenden Geschäftskrisis und dem<br />

durch <strong>die</strong>se Verelendung erzeugten revolutionären Klassenbewußtsein:<br />

»Nach <strong>die</strong>ser Auffassung wird früher oder später eine Geschäftskrisis von gewaltiger Stärke und Ausdehnung durch<br />

das Elend, das sie erzeugt, <strong>die</strong> Gemüther so leidenschaftlich gegen das kapitalistische Wirtschaftssystemen entflam-<br />

men, <strong>die</strong> Volksmassen so eindringlich von der Unmöglichkeit überzeugen, unter der Herrschaft <strong>die</strong>ses Systems <strong>die</strong><br />

gegebenen Produktivkräfte zum Wohle der Gesamtheit zu leiten, daß <strong>die</strong> gegen <strong>die</strong>ses System gerichtete Bewegung<br />

unwiderstehliche Kraft annimmt und unter ihrem Andrängen <strong>die</strong>ses selbst hoffnungslos zusammenbricht.« 23<br />

Insgesamt kann man sagen, daß <strong>die</strong> Revisionismusdebatte letztlich eine Diskussion um, <strong>die</strong> Vere-<br />

lendungstheorie war. 24 Bernstein versuchte mit Hilfe empirischer Daten nachzuweisen, daß <strong>die</strong><br />

erwartete Verelendung nicht stattfand, daß <strong>die</strong> wirtschaftliche Entwicklung nicht, wie im Erfurter<br />

Programm prognostiziert, mit immer schärfer werdenden und immer en-<br />

21 Alle Zitate ebd., S. 4.<br />

22 Ebd., S, 14.<br />

23 Eduard Bernstein, Der Kampf der Sozialdemokratie und <strong>die</strong> Revolution der Gesellschaft, in: Neue Zeit, j. 16,1;<br />

1897, S. 549<br />

24 Zu <strong>die</strong>sem Ergebnis kommt auch Peter Gay, Das Dilemma des demokratischen Sozialismus - Eduard Bernsteins<br />

Auseinandersetzung mit Marx, Nürnberg (Nest) 1954, S. 208 f: Die revisionistische Taktik »beruhte vor allem auf<br />

den revisionistischen Modifikationen der marxistischen Verelendungs- und Krisentheorie«.<br />

23

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