Verelendungstheorie – die hilflose Kapitalismuskritik

Erklärung, daß es zwischen Severing, Brüning und Hitler keinen Unterschied gebe, daß sie alle-
mal Faschisten seien, wurde in Wirklichkeit die Schlacht, »die noch gar nicht begonnen hatte, für
verloren« erklärt. 60
KPD und SPD wurden ohne breiten Widerstand zerschlagen. Trotzdem verkündete die Komin-
tern eine nachträgliche Rechtfertigung der politischen Linie der Partei als »completely correct«
und schob der SPD alle Schuld zu. 61
Erst 1935 wurden die Strategie und die theoretische Einschätzung umgestülpt und die Volksfront
der antifaschistischen Parteien als neue Linie ausgegeben, um so mit allen Mitteln die drohenden
Folgen der früheren Fehler abzuwenden. Die Politik der Komintern - selbst ihre überraschende
Auflösung - war nur noch davon bestimmt, die Folgen dieser früheren Fehler auszubügeln.
Die Veränderungen in der Strategiebestimmung und die Neufassung der Theorie über den bürger-
lichen Staat berührte aber überhaupt nicht die Vorherrschaft der Verelendungstheorie als Theorie
über die Entstehung massenhaften revolutionären Bewußtseins. In der Resolution der Brüsseler
Parteikonferenz der KPD vom Dezember 1935, in der die »antifaschistische Volksfront« gefor-
dert wird, der Schwenk der Komintem also auf Deutschland übertragen wird, heißt es wieder:
»Ein neuer Angriff auf die Lebenshaltung des werktätigen Volkes ist in Vorbereitung [ ... ] Der
neue Kurs wird zur weiteren Verschärfung der Ausbeutung, zur weiteren Verschlechterung der
Lage der werktätigen Massen, aber auch zur Verstärkung ihres Widerstandes führen.« 62
3. Die Verelendungstheorie in der Kapitalismusanalyse der DDR
Die Verelendungstheorie im Programm der SED von 1963
Direkt nach dem Krieg nahm die KPD in ihre Aufrufe, Proklamationen und Programmschriften
keine Analyse der Entwicklung des Kapitalismus und seiner Auswirkungen für die Lage und das
Bewußtsein des Proletariats auf, wie das sonst in allen Programmschriften vorher und nachher
üblich war. Ohne ausführliche Analyse der >objektiven Entwicklung< wurde direkt an den politi-
schen Willen appelliert und das gan-
60 So argumentierte Trotzki, der sich dieser ganzen Politik mit verzweifelter und unermüdlicher, aber völlig folgenlo-
ser Energie entgegenwarf; vgl. Deutscher, Trotzki, a.a.O., Bd. 111, 5. 136.
61 The Communist International, a.a.O., Resolution of the ECCI Presidium on the Situation in Germany, April 1933,
S. 254 ff.
62 Zit. nach: Revolutionäre deutsche Parteiprogramme, a.a.O., S. 136 (Hervorh. W. W.).
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