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Verelendungstheorie – die hilflose Kapitalismuskritik

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schätzung der Wirtschaftsentwicklung und <strong>die</strong> Zielrichtung der Agitation mit den ersten Verlaut-<br />

barungen der Kommunistischen Internationale nach dem 1. Weltkrieg, dann kommt schon zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt der optimistischere und auf <strong>die</strong> positive Entwicklung vertrauende Zugang der<br />

SPD zur Geltung. So betonte der Berichterstatter der Programmkommission, Löbe, vordem Par-<br />

teitag:<br />

»Unsere Wirtschaft gleicht einem wogenden Meer, in dem <strong>die</strong> Wellen sich überstürzen. Lange wird es dauern, ehe<br />

sie sich beruhigen, und unser Schiff auf ruhigem Gewässer der Entwicklung dahingleitet. Deshalb legen wir es in<br />

unserem Programm klar und unzweideutig nieder, daß gerade <strong>die</strong> heutige Zeit beweist, wie <strong>die</strong> kapitalistische Pro-<br />

duktion und Austauschweise unfähig ist, das Leben der Kulturvölker zu sichern, daß der Sozialismus <strong>die</strong> Katastro-<br />

phe überwindet, [ ... ]« 96<br />

Die <strong>Verelendungstheorie</strong> wurde als Theorie der Mobilisierung und als Begründung für <strong>die</strong> Not-<br />

wendigkeit eines Sozialismus voll beibehalten, aber als Theorie über <strong>die</strong> notwendige Entwick-<br />

lung der Wirtschaft und der Lage der Arbeiter aufgegeben, denn es besteht ja <strong>die</strong> Aussicht, wenn<br />

auch in großer Ferne, auf <strong>die</strong> »ruhigen Gewässer der Entwicklung«.<br />

Erst im Heidelberger Programm von 1925 wurden <strong>die</strong> Sozialdemokratischen Folgerungen aus<br />

der Revisionismusdebatte in das Programm aufgenommen:<br />

»Ununterbrochen sind im Kapitalismus Tendenzen wirksam, <strong>die</strong> arbeitenden Schichten in ihrer Lebenshaltung zu<br />

drücken. Nur durch steten Kampf ist es ihnen möglich, sich vor zunehmender Erniedrigung zu bewahren und ihre<br />

Lage zu verbessern.« 97<br />

Die Tendenz zur Verelendung durch den Kapitalismus wurde also nicht bestritten, aber <strong>die</strong> Ar-<br />

beiterklasse könne durch ihren Kampf <strong>die</strong>ser Tendenz entgegenwirken und ihre Lage verbessern,<br />

und zwar schon unter dem Kapitalismus, und nicht erst im Sozialismus.<br />

Zugleich aber blieb <strong>die</strong> <strong>Verelendungstheorie</strong> als Theorie der Mobilisierung gegen den Kapitalis-<br />

mus unangetastet, wie <strong>die</strong>s auch im Revisionismusstreit von seiten Bernsteins nie in Frage ge-<br />

stellt worden war.<br />

»Doch mit dem Druck und den Gefahren des Hochkapitalismus steigt auch der Widerstand der stets wachsenden<br />

Arbeiterklasse, <strong>die</strong> durch den Mechanismus des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst sowie durch stete Ar-<br />

beit der Gewerkschaften und der Sozialdemokratischen Partei geschult und vereint wird. Immer größer wird <strong>die</strong><br />

Zahl der Proletarier, immer schroffer der Gegensatz zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, immer erbitterter der<br />

Klassenkampf zwischen den kapitalistischen Beherrschern der Wirtschaft und den Beherrschten.« 98<br />

Neben der Schulung durch Partei und Gewerkschaft wurde betont, daß der kapitalistische Pro-<br />

duktionsprozeß selbst <strong>die</strong> Arbeiter in ihrem Widerstand schule.<br />

96 S. 298 und 299.<br />

97 Programm der SPD, a.a.O., S. 92.<br />

98 Ebd., S. 92.<br />

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