Rundbrief Nr. 75 - Albert-Schweitzer-Komitee eV Weimar-Startseite
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Die beiden Experten zeigten die Entwicklung des Orgelbaus anhand einer Fülle<br />
von Orgeln verschiedener Generationen, die mit dem Namen Jehmlich verbunden<br />
sind. Sie beeindruckten uns musikalische Laien vor allem auch mit der architektonischen<br />
Gestaltung des äußeren Gehäuses der Orgeln vom Barock bis<br />
in die Gegenwart, die in der komplizierten Entwicklung von Porzellanpfeifen gemeinsam<br />
mit der Meißner Manufaktur gipfelt.<br />
Gedanken zum Bild vom Menschen bei Bach und <strong>Schweitzer</strong><br />
Prof. Dr. Ernst Luther<br />
Über <strong>Schweitzer</strong>s Bachrezeption und die Beziehung Musik und Ethik findet man<br />
Studien bei Harald Schützeichel in seiner 1991 veröffentlichten Dissertation<br />
„Die Orgel im Leben und Denken <strong>Albert</strong> <strong>Schweitzer</strong>s“. Hier geht er auf die unterschiedliche<br />
Bewertung <strong>Schweitzer</strong>s als Musiker ein und verweist auf die direkten<br />
Zusammenhänge zum ethischen Denken. Am deutlichsten sieht er sie in<br />
der Zeit zwischen 1900 und 1908. Die frühe Kulturkritik findet er in den Predigten<br />
von 1902 bis 1911. Den Zusammenhang zwischen Musik und Ethik sieht<br />
Schützeichel besonders in der Moralerziehung. Bach werde zum Erzieher der<br />
Menschheit und erhalte damit auf musikalischem Gebiet eine Bedeutung, wie<br />
sie auf theologischem der Person Jesu zukomme. Und an anderer Stelle: ,,Deshalb<br />
ist die Musik Bachs wie keine andere geeignet, den Menschen zu einer elementaren<br />
Religiosität zu führen.“ Eine solche Sicht ist völlig legitim und wird<br />
gewiss von einer großen Zahl der Verehrer Bachs und <strong>Schweitzer</strong>s so geteilt. Es<br />
sei hier nur auf die zahlreichen Beiträge von Musikern und Musikwissenschaftlern,<br />
von Dichtern und Schriftstellern verwiesen, die in Friedrich Schorlemmers<br />
Anthologie ,,Lieben Sie Bach?“ mehrheitlich wie Wilhelm Furtwängler formulierten:<br />
,,Bach war und blieb in der Hauptsache religiöser Musiker.“<br />
Zu den wenigen, die weltliches und religiöses Schaffen bei Bach als eine Einheit<br />
betrachten, gehört Dimitri Schostakowitsch. Auf die Fragen: ,,Wovon hängt diese<br />
hervorragende Eigenschaft der Bachschen Musik ab, und wodurch wurde sie<br />
hervorgerufen? Was müssen wir von Bach lernen?“, antwortet er:<br />
,,Die tiefste Verbundenheit seiner Schöpfungen mit dem irdischen Menschenleben.<br />
Das Volkslied und der lutherische Choral sind der Urgrund der Bachschen<br />
Thematik. Das ist aber nur ein Teil dessen, was die Volkstümlichkeit Bachs bestimmt.<br />
Für ihn ist das Volkstümliche nicht nur das Volkslied, sondern überhaupt<br />
das gesamte musikalische Erbe seiner Zeit.“<br />
Als einziger der ca. fünfzig Persönlichkeiten, die sich zu Bach äußern, setzt sich<br />
Joachim Kaiser damit auseinander, wie es heute ,,wirkt, Heiliges und Profanes<br />
zu vermengen“.<br />
Ausführlich geht er auf Bachs Weihnachtsoratorium ein, in dem die Gegensätze<br />
zwischen weltlichem Jubel und himmlischer Freude nicht nur überbrückt, sondern<br />
förmlich getilgt sind. Die Musikwissenschaft hat herausgebracht, dass mindestens<br />
zwölf der vierundsechzig Nummern des Weihnachtsoratoriums aus<br />
anderen Werken stammen. Bach vollzieht da eine Oratorien-Taufe, die aus dem<br />
Heidenkind ein Christenkind macht - obwohl es scheinbar unverändert bleibt.<br />
Für <strong>Schweitzer</strong> ist Johann Sebastian Bach mehr als ein religiöser Komponist.<br />
Aber diese Sicht ergibt sich wesentlich durch seine Auseinandersetzung mit<br />
dem philosophischen und theologischen Denken - wozu er ja durch die Doktorarbeiten<br />
auch angehalten war - durch seine Studien über Kant und Jesus.<br />
Aber <strong>Schweitzer</strong> findet die Quelle für das Menschenbild auch in der Vielschichtigkeit<br />
der dem Leben zugewandten Persönlichkeit Johann Sebastian Bachs. Es<br />
sei deshalb auf den Aspekt im Leben beider Persönlichkeiten verwiesen, auf den<br />
ethischen, der seine Quelle im menschlichen Alltag findet, in der Freude am Le<br />
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