Rundbrief Nr. 75 - Albert-Schweitzer-Komitee eV Weimar-Startseite
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kommen. Der Fürst Leopold von Anhalt-Köthen hatte ihm den Posten eines Hofkapellmeisters<br />
angetragen. Sein bisheriger Dienstherr, Wilhelm Ernst von <strong>Weimar</strong>,<br />
verübelte ihm die Eile und sperrte seinen Hoforganisten und<br />
Kammermusikus erst einmal vom 2. November bis zum 2. Dezember in den Arrest.<br />
Weihnachten 1717 begann für Johann Sebastian Bach in der kleinen Residenz<br />
Köthen eine Zeit, die ihn über die sechs Jahre, die er hier wirkte, mit dem<br />
Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen verbindet, und die <strong>Schweitzer</strong> als die angenehmsten<br />
Jahre in Bachs ganzer Laufbahn benennt. Er schränkt allerdings ein,<br />
dass die Stelle keine volle künstlerische Befriedigung bot. Bedenkt man aber,<br />
unter welch unwürdigen Umständen Bach seinen Vertrag 1723 in Leipzig unterschreiben<br />
musste und wie er 1720 eine Anstellung in Hamburg verlor, weil sein<br />
Kontrahent aus Erkenntlichkeit für die Wahl viertausend Mark an die Kirchenkasse<br />
bezahlt hatte, so wog in Köthen die Freundschaft mit dem jungen Fürsten<br />
viel auf.<br />
Es fällt in die Köthener Zeit 1720 der Tod seiner Frau Maria Barbara, die ihm<br />
sieben Kinder geboren hatte, von denen vier überlebten. Jedoch rettete ihn aus<br />
der Not die einundzwanzigjährige Anna Magdalena. Sie wurde eine liebende<br />
Mutter, herausragende Schülerin und Helferin; mit ihr führte er eine glückliche<br />
Ehe.<br />
Im Unterschied zu <strong>Weimar</strong> hatte Bach in Köthen wenig Gelegenheit zu kirchlicher<br />
Musik, so schuf er weltliche Kantaten, die dann später Grundlage für kirchliche<br />
Musik wurden.<br />
<strong>Schweitzer</strong> berichtet, wie die Geburtstagsmusik ,,Durchlauchtster Leopold“, die<br />
Bach gleich im ersten Jahr seiner Tätigkeit schrieb, später Grundlage für die<br />
Kantate auf Pfingstmontag ,,Erhöhtes Fleisch und Blut“ verwendet wird.<br />
<strong>Schweitzer</strong> stellt die Umdichtung (von Bach selbst verfasst) mit dem ersten Rezitativ<br />
vor:<br />
Weltliche Kantate: Pfingstmontagskantate:<br />
Durchlaucht'ster Leopold, Erhöhtes Fleisch und Blut,<br />
Es singet Anhalts Welt Das Gott selbst an sich nimmt,<br />
Von neuem mit Vergnügen, Dem er schon hier auf Erden<br />
Dein Cöthen sich dir stellt, Ein himmlisch Heil bestimmt<br />
Um sich vor dir zu biegen, Des Höchsten Kind zu werden,<br />
Durchlaucht'ster Leopold. Erhöhtes Fleisch und Blut.<br />
Eine weitere interessante Gegenüberstellung ist ein Auszug aus dem Drama per<br />
musica ,,Herkules auf dem Scheidewege“, das Bach am 5. September 1733 in<br />
Dresden in der Telemannschen Gesellschaft zum 11. Geburtstag des sächsischen<br />
Kurfürsten aufführte, mit dem 1734 komponierten Weihnachtsoratorium.<br />
Herkules - so berichtet die Geschichte - muss sich zwischen der Wollust und der<br />
Tugend entscheiden, und er entscheidet sich für die Tugend. Für Herkules setzt<br />
Bach den jungen Prinzen ein.<br />
Aus der Gegenüberstellung der Texte greift <strong>Schweitzer</strong> wieder die erste Strophe<br />
heraus:<br />
Die Wahl des Herkules- Die Wollust:<br />
,,Schlafe mein Lieber und pflege der Ruh',<br />
folge der Lockung entbrannter Gedanken.<br />
Schmecke die Lust der lüsternen Brust<br />
und erkenne keine Schranken.“<br />
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