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Rundbrief Nr. 75 - Albert-Schweitzer-Komitee eV Weimar-Startseite

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Die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben<br />

Gedanken zur Sterbehilfe<br />

Aus der Sicht der Ehrfurcht vor dem Leben<br />

Prof. Dr. Hartmut Kegler<br />

<strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-Freundeskreis Aschersleben<br />

im <strong>Albert</strong>-<strong>Schweitzer</strong>-<strong>Komitee</strong> e.V.<br />

Im Verlaufe der Geschichte hat sich die Lebenserwartung der Menschen vervielfacht.<br />

Wurde der Mensch in der Steinzeit nur 19 Jahre alt, so erreichte er in der<br />

Antike ein Alter von 30 Jahren. Noch im 19. Jahrhundert betrug im Deutschen<br />

Reich die mittlere Lebenserwartung nur 35,6 Jahre. In Abhängigkeit vom Geschlecht<br />

wurden die Deutschen im Jahr 1980 im Mittel 70-<strong>75</strong> Jahre alt.<br />

Als hauptsächliche Ursachen für die steigende Altersgrenze der Menschen in<br />

den Industrieländern sind deren relativ hoher materieller Wohlstand und die<br />

ständig verbesserte medizinische Betreuung anzusehen. Der hierfür „gezahlte“<br />

Preis sind zunehmende gesellschaftliche Kosten für die Altersversorgung sowie<br />

die altersbedingte Häufung schwerer Krankheiten.<br />

Mit diesen Problemen wurden Diskussionen über die Euthanasie und die Sterbehilfe<br />

neu entfacht. Sie führten in manchen Ländern zu gesetzlichen Regelungen,<br />

die nicht frei vom jeweils herrschenden ethisch-moralischen Zeitgeist waren<br />

und sind.<br />

In den USA hat es der Oberste Gerichtshof den einzelnen Bundesstaaten anheim<br />

gestellt, selbst zu entscheiden, ob sie die Euthanasie zulassen oder nicht.<br />

Denkbar ist dabei, dass Ärzte unter ökonomischem Zwang eigenverantwortlich<br />

entscheiden sollen, ob sie das Leben eines Patienten beenden oder verlängern.<br />

Nicht ausgeschlossen ist es in einer vom Geld beherrschten Gesellschaft, dass<br />

der Tod im Alter zur „heiligen Pflicht“ erklärt wird, um die jüngeren Generationen<br />

finanziell zu entlasten. Bereits heute unterbleiben in Großbritannien bei älteren<br />

Menschen bestimmte Operationen wie der Hüftgelenkersatz und werden<br />

teure Medikamente nicht mehr verschrieben. Auch in Deutschland wurde öffentlich<br />

diskutiert, ob man todkranke Menschen überhaupt noch medizinisch<br />

behandeln soll.<br />

Im Hinblick auf die Sterbehilfe gibt es ernsthafte Gründe, die dafür und dagegen<br />

sprechen. Umso wichtiger ist es, sich an ethischen Grundwerten zu orientieren<br />

und entsprechend zu handeln.<br />

Ein abschreckendes und warnendes Beispiel stellen die Euthanasie-Verbrechen<br />

in der Zeit des Nationalsozialismus dar. Der damals herrschenden Ideologie zufolge<br />

wurde zwischen „lebenswertem“ und „lebensunwertem“ Leben unterschieden.<br />

Als „lebensunwert“ wurden zum Beispiel geistig und körperlich behinderte<br />

Menschen erklärt. Sie wurden in bestimmte Einrichtungen der Psychiatrie eingeliefert<br />

und dort mit Hilfe von Giftgasen umgebracht. Die Massentötung erbkranker<br />

Menschen wurde durchgeführt, obwohl sie selbst nach den Gesetzen<br />

des „Dritten Reiches“ eindeutig als Mord deklariert und verboten war.<br />

So wies im Jahr 1941 Bischof Clemens August Graf von Galen in einer Predigt<br />

in der Lamberti-Kirche zu Münster auf diesen widersprüchlichen Sachverhalt<br />

hin, indem er sagte: „Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, das<br />

man den ‚unproduktiven’ Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn<br />

wir alt und altersschwach werden! Wenn man die ‚unproduktiven’ Menschen töten<br />

darf, dann wehe den Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft, ihre<br />

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