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PR 46 PariserCommune

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Pariser Commune<br />

20<br />

die Communards politisch<br />

schlecht bis gar nicht auf<br />

sie vorbereitet waren, sogar<br />

die in der Internationale<br />

organisierten Revolutionäre<br />

keine politische<br />

Einheit darstellten. Die<br />

Communards wurden in<br />

die Revolution hineingeworfen<br />

und haben sich in<br />

deren Verlauf unter dem<br />

Zwang der Ereignisse radikalisiert.<br />

Sie schreckten zu<br />

Beginn sehr und auch später<br />

noch ziemlich vor der<br />

Offensive gegen die Reaktion<br />

zurück, scheuten sich,<br />

Kapital und Eigentum anzutasten,<br />

wollten den Bürgerkrieg<br />

eher vermeiden<br />

oder abmildern. Aber der<br />

Gang der Dinge zwang sie<br />

zu einer immer radikalen<br />

konsequenteren Gangart.<br />

Kautsky jedoch lobt gerade<br />

die Schwächen. Für<br />

Kautsky ist das unschuldige<br />

Verwickeltwerden<br />

in einen unvermeidbaren<br />

Aufstand verzeihbar, dessen<br />

planmäßige Vorbereitung<br />

und „rücksichtsloseste“<br />

Durchführung aber<br />

schrecklich. So konstruiert<br />

er - denn darum geht es<br />

ihm ja eigentlich - einen<br />

angeblichen Widerspruch<br />

zwischen dem Vorgehen<br />

der Bolschewiki und dem,<br />

was angeblich so schön an<br />

der Commune gewesen<br />

sei. Und das soll selbstredend<br />

einen Widerspruch<br />

zwischen Marx und Lenin<br />

nahe legen.<br />

Kautsky freut sich auch<br />

und lobt die (anfängliche)<br />

„Humanität“ und Milde<br />

der Commune ihren<br />

Gegnern gegenüber und<br />

wünscht sich, dass das so<br />

geblieben wäre. Es ist das<br />

eine häufi g anzutreffende<br />

Erscheinung am Beginn<br />

einer Revolution ist, bis<br />

die Kämpfenden merken,<br />

dass sie auf diese Weise,<br />

mit Nachsicht, Schonung<br />

etc. untergehen und abgeschlachtet<br />

werden, und ihren<br />

Kurs ändern. Kautsky<br />

zitiert begeistert eine sehr<br />

frühe der Sache nach völlig<br />

richtige, aber sehr defensive<br />

Erklärung der Nationalgarde<br />

vom 19.3. („Niemals<br />

wurde von uns eine Exekution<br />

beschlossen, niemals<br />

haben wir an der Ausübung<br />

eines Verbrechens<br />

teilgenommen.“) und<br />

vergisst völlig die nachfolgenden<br />

Maßnahmen der<br />

Commune, namentlich die<br />

Einrichtung eines „Wohlfahrtsausschusses“,<br />

der<br />

den „Gegenterror“ gegen<br />

Spione der Versailler Reaktion<br />

in Paris, Saboteure,<br />

Verräter, Geiselnahmen<br />

etc. organisierte. Darüber<br />

zu berichten, würde natürlich<br />

das Bild der Commune<br />

als „Deckchensticken“ 2<br />

befl ecken. Lavrov 3 dazu:<br />

„Gerade die Menschen,<br />

die Menschenleben, Menschenblut<br />

schätzen, müssen<br />

… möglichst schnell<br />

und energisch handeln,<br />

um die Feinde zu unterdrücken,<br />

da nur auf diesem<br />

Wege das Minimum<br />

an Blutvergießen erreicht<br />

werden kann.“<br />

Auch die bürgerliche<br />

„Rechtsstaatlichkeit“ darf<br />

bei Kautsky nicht fehlen.<br />

Schon während der Commune<br />

und genauso nachher<br />

liefen überall die Vollmars<br />

und Kautskys herum<br />

und betonten, dass der<br />

Sieg der Commune und<br />

überhaupt der Sieg jeder<br />

Revolution in allererster<br />

Linie ein „moralischer<br />

Sieg“ sein müsse, dass man<br />

alle Welt „überzeugen“<br />

müsse, als ob es keine<br />

Klasseninteressen gäbe,.<br />

Er muss aber in allererster<br />

Linie und kann auch nur<br />

ein militärischer sein. Wer<br />

den militärischen Kampf<br />

und Sieg nicht will, ihn<br />

nicht vorbereitet, wer seine<br />

Notwendigkeit und Unvermeidlichkeit<br />

wegredet<br />

oder sogar kritisiert, ist<br />

eben gegen jede wirkliche<br />

Revolution. Kautsky hebt<br />

auch die „moralische“<br />

Kraft und Bedeutung der<br />

Commune hervor und<br />

verdreht und vertuscht<br />

zugleich ihre wirkliche historische<br />

Bedeutung und<br />

ihre Lehren, wie sie Marx<br />

herausgearbeitet hat.<br />

Kautsky kommt dann zur<br />

bürgerlichen „repräsentativen<br />

Demokratie“ und<br />

behandelt das Verhältnis<br />

zwischen der Nationalgarde<br />

(und ihrem ZK) und<br />

der gewählten Commune:<br />

„Das ZK versuchte nie, das<br />

Prinzip anzutasten, dass<br />

den Erwählten des allgemeinen<br />

Stimmrechts die<br />

oberste Macht gebühre. In<br />

diesem Punkte war die Pariser<br />

Commune das gerade<br />

Gegenteil der russischen<br />

Sowjetrepublik.“ Abgesehen<br />

davon, dass das bezüglich<br />

der Commune so<br />

nicht stimmt und es viel<br />

Unstimmigkeit, Doppelgleisigkeit,<br />

Kontroverse<br />

und Widerspruch in der<br />

Praxis (z.B. der Ausfallversuch<br />

der Nationalgarde in<br />

Richtung Versailles vom<br />

3.April 1871) zwischen ZK<br />

der Nationalgarde und der<br />

Commune, teilweise direkt<br />

eine Art Doppelherrschaft<br />

gab, geht es hier weniger<br />

um historische Fakten,<br />

sondern darum, dass Kautsky<br />

hier die parlamentarisch-bürgerlicheDemokratie<br />

verherrlicht und das

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