PR 46 PariserCommune
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der Versailler neigte, blieb<br />
nur der proletarische Kern<br />
übrig. Marx betont gerade<br />
diesen proletarischen<br />
Charakter der Bewegung,<br />
sowohl der Zusammensetzung<br />
als auch den Maßnahmen<br />
nach. Ganz anders<br />
die Anarchisten. Bakunin<br />
polemisiert: „… bilden<br />
sich die Kommunisten ein,<br />
dieses Ziel (der sozialistischen<br />
Umgestaltung) erreichen<br />
zu können durch<br />
die Entwicklung und Organisation<br />
der politischen<br />
Macht der arbeitenden<br />
Klassen und besonders<br />
des städtischen Proletariats…“,<br />
während die Anarchisten<br />
„im Gegenteil<br />
denken, dass sie dieses Ziel<br />
nur durch die Entwicklung<br />
und Organisation der nicht<br />
politischen, sondern sozialen<br />
und folglich antipolitischen,<br />
der städtischen und<br />
ländlichen Arbeitermassen,<br />
erreichen können mit<br />
Einschluss aller Männer guten<br />
Willens aus den höheren<br />
Klassen, die, mit ihrer<br />
Vergangenheit brechend,<br />
sich ihnen offen anschließen…“<br />
Kropotkin begeistert<br />
sich gerade darüber,<br />
dass die Commune keinen<br />
ausgeprägten Klassencharakter<br />
gehabt hätte: „Woher<br />
stammt jene unwiderstehliche<br />
Kraft (der Commune)…?<br />
… Die Antwort<br />
ist leicht. Die Revolution<br />
von 1871 war in hervorragendem<br />
Maß eine volkstümliche<br />
Bewegung… Das<br />
war die Revolution des<br />
‚niederträchtigen’ Volkes.“<br />
So weit so gut, aber<br />
man kann die Entwicklung<br />
nicht verstehen ohne<br />
Analyse der Klassenbeziehungen<br />
in ihrem Inneren.<br />
Bei den Anarchisten gibt<br />
es alles Mögliche, „Volkskräfte“,<br />
„Volksgruppen“,<br />
„Volksvereinigungen“,<br />
„Menschen“ (unfreie oder<br />
freie), „Produzenten und<br />
Konsumenten“, Assoziationen<br />
und Föderationen,<br />
nur Klassen gibt es nicht.<br />
Auch am Beispiel der Commune<br />
sieht man, wie die<br />
Anarchisten, wo sie ausreichenden<br />
Einfl uss haben,<br />
zum Sargnagel einer revolutionären<br />
Bewegung werden<br />
können. In Paris 1871<br />
hatten sie diesen Einfl uss<br />
nicht, aber kurz darauf, im<br />
Sommer 1873, in Spanien<br />
schon und sie fuhren den<br />
Karren politisch, militärisch<br />
etc. in den Dreck (siehe<br />
Engels: „Die Bakunisten<br />
an der Arbeit“).<br />
Dessen ungeachtet muss<br />
man freilich hinzufügen,<br />
dass der Anarchismus sozusagen<br />
eine gewisse Berechtigung<br />
hatte gegenüber<br />
der Staatsgläubigkeit,<br />
die nicht nur bei einem<br />
Lassalle, sondern generell<br />
in weiten Teilen der Sozialdemokratie<br />
verbreitet war.<br />
Die absolute Bekämpfung<br />
der „Idee des Staates“ und<br />
die „Abschaffung des Staates“<br />
sind jedenfalls auch<br />
nicht schlimmer als diese<br />
Staats- und Obrigkeitsgläubigkeit.<br />
Lenin, der<br />
sich ja nicht mehr mit Bakunin,<br />
sondern mit Kautsky<br />
herumschlagen musste,<br />
hätte vielleicht - in Anlehnung<br />
an seine Äußerung<br />
zu d’Anunzio - gesagt, der<br />
aufgebrachte Blödsinn eines<br />
Bakunin sei ihm immer<br />
noch lieber als das preußische<br />
Philistertum eines<br />
Vollmar oder das widerliche<br />
Renegatentum eines<br />
Kautsky. Allerdings: In der<br />
Praxis läuft auch der Anarchismus<br />
auch auf nichts<br />
anderes hinaus, er ist Zwil-<br />
lingsbruder des Opportunismus,<br />
wie sich in jeder<br />
ernsten oder gar revolutionären<br />
Situation zeigt.<br />
Der Hass der Anarchisten<br />
gegen Kirche und Religion<br />
war ebenfalls völlig<br />
berechtigt, allerdings war<br />
es damals schon Unsinn,<br />
die Bourgeoisie und den<br />
bürgerlichen Staat mit<br />
der Kirche auf eine Stufe<br />
zu stellen oder die „Abschaffung<br />
der Religion“ zu<br />
verlangen. Die Commune<br />
realisierte die konsequente<br />
Trennung von Kirche<br />
und Staat, proklamierte<br />
aber nicht ein Verbot oder<br />
eine „Abschaffung“ der<br />
Religion. „Wir sind überzeugt,<br />
dass das Schädlichste<br />
für die Menschheit,<br />
für die Wahrheit und den<br />
Fortschritt, die Kirche ist.“<br />
(p.22) Das ist wohl ein bisschen<br />
einseitig, denn es<br />
benutzt nicht die Kirche<br />
die Bourgeoisie, sondern<br />
es benutzt umgekehrt die<br />
Bourgeoisie die Kirche.<br />
Wobei damals in concreto<br />
die Verhältnisse noch<br />
etwas anders waren als<br />
heute, was diesen - heute<br />
vielleicht zwar berechtigt,<br />
aber etwas exzessiv und<br />
einseitig erscheinenden -<br />
Hass auf die Kirche erklärt.<br />
Man fi ndet ihn genauso<br />
bei einem Blanqui („Ni<br />
dieu ni maître“, 1880).<br />
Auch seine Tiraden sind<br />
mit Genuss zu lesen, aber<br />
es hat seinen Grund, dass<br />
sich Marx und Engels mehr<br />
mit Politischer Ökonomie<br />
als mit der Anatomie der<br />
Kirche und des Christentums<br />
befasst haben.<br />
Nett jedenfalls das folgende<br />
Bonmot Bakunins: In<br />
Abwandlung der Worte<br />
Dantons, der nämlich 1792<br />
Proletarische Revolution <strong>46</strong><br />
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