PR 46 PariserCommune

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Pariser Commune 26 im Gegenteil organisiert werden durch die Kommunalverfassung; sie sollte eine Wirklichkeit werden durch Vernichtung jener Staatsmacht, welche sich für die Verkörperung dieser Einheit ausgab, aber … doch nur ein Schmarotzerauswuchs war.“ Und: „Das bloße Bestehn der Commune führte, als etwas Selbstverständliches, die lokale Selbstregierung mit sich, aber nun nicht mehr als Gegengewicht gegen die, jetzt überfl üssig gemachte, (Anm.: bürgerliche zentralistische) Staatsmacht.“ („Der Bürgerkrieg in Frankreich“, MEW 17, p.340ff.) Die Anarchisten (und nicht nur sie) verwechseln den Widerspruch zwischen bürgerlicher und proletarischer Staatsmacht, bürgerlichem und proletarischem Staat einerseits mit dem Widerspruch zwischen Volk und Staat überhaupt (also eigentlich der „Idee des Staates“) und andererseits mit dem Widerspruch zwischen Zentralismus und Föderalismus. Wie man sieht, lag es Marx fern, Zentralismus und Föderalismus in der Manier der Anarchisten einander entgegenzustellen. Die wirkliche Fragestellung ist die Notwendigkeit der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats und dessen Ersatz durch den proletarischen Staat, der so organisiert sein muss, dass das Proletariat seine Diktatur tatsächlich ausüben kann, also demokratisch und in Gestalt von Räten, wie sie die Commune erstmals in Keim- formen hervorgebracht hatte, aber zugleich bei aller notwendigen zentralen Zusammenfassung der Klassen- und Volkskräfte. Notwendig nach dem siegreichen Aufstand ist nicht die Schwächung, sondern die Stärkung der proletarischen Staatsmacht (z.B. Aufbau einer Roten Armee), aber eben nicht die Stärkung eines vom Volk abgehobenen und es unterdrückenden Staatsapparats, sondern einer Staatsmacht auf rätedemokratischerGrundlage. Paris durfte sich - nach den Anarchisten - keinesfalls zum „Herren über die Provinz“ aufschwingen. Es sollte im Zug der Revolution auch gar nicht tätig werden gegenüber der Provinz. Jede Stadt, jede Gemeinde sollte ihre eigene „Revolution“ machen. Es war aber gerade ein (allerdings angesichts der militärischen Lage und der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit unvermeidlicher) Fehler der Commune, praktisch nichts getan zu haben, um die Revolution auch in der (außer einer Skizze einer auf eine kommunale Organisation gestützten Staatsgliederung) zu befördern. In ihrem Aberglauben über die Bösartigkeit und Schädlichkeit jeder politischen und ergo staatlichen Organisation, in ihrem Horror vor dem Geistwesen „Staat“ und jeder bösen „Zentralgewalt“, treten die Anarchisten für die Vertiefung dieses verhängnisvollen Fehlers ein, der an der Niederlage mitschuldig war. Die Anarchisten stellen sich vor, man müsste einfach die Macht ergreifen (und dies am ehesten in einer blanquistischen Art) und sofort per feierlicher Deklaration Kirche und Staat für abgeschafft erklären. Dann bräuchte man sich um diese, da ja abgeschafft, nicht mehr weiter kümmern, politisch wäre nicht mehr viel zu tun und man könne und müsse sich sofort auf die „soziale Revolution“ werfen. (Schönes Beispiel dafür Art.4 der Lyoner Programms, wobei einige Skepsis über die eigenen Maßnahmen mitschwingt: „Nachdem (!) der Staat abgeschafft ist, wird er keine Privatschulden mehr eintreiben können.“) Ganz anders die Commune. „Stattdessen, so Kropotkin, suchte (man) erst die Commune sicherzustellen (Anm.: also schon wieder eine Staatsmacht befestigen!), um später auf die soziale Revolution zurückzukommen, während der einzige richtige Weg gewesen wäre, die Commune durch die soziale Revolution zu sichern.“ (p.29) Tatsächlich aber hatte die Commune keine Zeit zu verlieren, um sich die notwendige staatliche und militärische Organisation zu geben. Das war weit wichtiger, als ein paar anarchistische Phrasen zu deklamieren. „Ganz ebenso, schreibt er weiter, stand es um das Herrschaftsprinzip. Mit der freien Kommune proklamierte das Volk von Paris ein wesentlich anarchistisches Prinzip...“ Doch oje! „… aber nachdem in jener Epoche die
anarchistischen Ideen nur sehr spärlich in die Geister eingedrungen waren, blieb man auf halbem Wege stehen und leistete im Inneren der Kommune noch dem autoritären Prinzip Vorschub…“ Wie das? „… indem man sich einen Kommunalrat gab.“ Also, indem man sich organisiert, leistet man dem „autoritären Prinzip“ Vorschub. Man sollte sich also nicht organisieren und der spontanen Föderierung und Selbstentfaltung von unten freien Lauf lassen. Man kann darüber diskutieren, ob die Commune nicht - in der gegebenen Situation - Zeit verloren hat damit, Wahlen abzuhalten und die politische Macht von der Nationalgarde auf die Commune zu übertragen, man hätte das vielleicht auch verschieben können, aber man kann nicht dagegen auftreten, dass überhaupt eine - über das Militärische hinausgehende - politische Räteorganisation ins Leben gerufen wird. Kropotkin und Bakunin sind erbitterte Kritiker der Wahlen zur Commune, aber nicht aus solchen taktischen Überlegungen, sondern weil sie überhaupt gegen jede politische Organisation sind. „Im Gegensatz zur Idee der autoritären Kommunisten, die ich für ganz irrig halte, dass eine soziale Revolution von einer Diktatur oder einer aus einer politischen Revolution hervorgegangenen konstituierenden Versammlung (Anm.: wie der Commune) dekretiert und organisiert werden könnte“ setzt Bakunin mehr auf „die spontane und fortgesetzte Aktion der Massen, der Volksgruppen und Volksvereinigungen“. Es sei auch theoretisch ganz unmöglich, dass sich die Arbeiterklasse oder das Volk politisch organisieren, denn es sei unmöglich, „die unendliche Vielfältigkeit und Verschiedenheit der wirklichen Interessen, Aspirationen, Wünsche und Bedürfnisse zu umfassen, deren Summe den gemeinsamen Willen eines Volkes bildet, und eine soziale Organisation zu erfi nden, die imstande wäre, alle zu befriedigen“ (p.15). Daher geht’s nur in „freier Föderierung und Assoziierung“. Wieso es dort im Kleinen allerdings anders sein soll als im Ganzen, sei dahingestellt. Bemerkenswert, wie hier der „Idee des Staates“ die „Idee des Volkes“ gegenübergestellt wird, wieder ganz ohne Klassen und ohne Geschichte. Ganz schlecht ist es auch, wenn eine Massenbewegung eine Führung hat. Wo es gerade ein Mangel war, dass die Commune aus einer spontanen Massenbewegung entstanden war, ohne über eine gut organisierte, entsprechend vorbereitete Führung und halbwegs klare programmatische Vorstellungen zu verfügen, fi ndet Bakunin das als das eigentlich Gute an der Commune: „Die einzelnen konnten nichts anderes tun, als dem Volksinstinkt entsprechende Ideen auszuarbeiten, klarzulegen und zu verbreiten, und ferner beständig bemüht zu sein, die natürliche (?) Macht der Massen revolutionär zu organisieren - nicht aber darüber hinauszugehen; alles übrige könne und solle nur durch das Volk selbst gemacht werden. Sonst gelange man zur politischen Diktatur, d.h. zur Wiederbildung des Staates…“ (p.14) Außerdem sei es gut, dass man sehr „gegen die fortgesetzte Initiative derselben Personen voreingenommen“ gewesen sei, „gegen die von superioren Individualitäten ausgeübte Herrschaft“. Letzteres wird einem der bedeutendsten Revolutionäre der Commune, Eugène Varlin, in den Mund gelegt, Mitglied der Internationale, Mitglied des ZK der Nationalgarde, eine der hervorragendsten „superioren Individualitäten“. „1871 machte das Volk von Paris … den ersten Versuch, gegen das Regierungssystem als solches zu revoltieren.“ Das ist richtig in dem Sinn, als nicht nur irgendeine bestimmte Regierung, sondern das bürgerliche „Regierungssystem“, die bürgerliche Staatsmacht gestürzt wurde und eine neue proletarische Staatsmacht errichtet wurde. Kropotkin ist aber auch gegen diese neue Staatsmacht, er ist gegen jede Staatsmacht, er ist dagegen, dass das im Aufstand siegreiche Proletariat sich als neue Staatsmacht organisiert. „Es ließ sich aber leicht wieder vom Regierungs-Aberglauben hinreißen und gab sich selbst eine Regierung. Die Konsequenzen sind sattsam bekannt… “ Die Commune hätte, indem sie sich organisierte, die Volksinitiative von unten Proletarische Revolution <strong>46</strong> 27
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