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Galerien<br />
Max Scheler<br />
Mit Schelers Blick auf die Welt bleibt<br />
das damals lebendig<br />
Immer wieder zog es den Photographen<br />
Max Scheler ins Ausland. Seinem<br />
sicheren gesellschaftlichen Auftreten,<br />
seiner Vielsprachigkeit und seiner<br />
grundsätzlichen Neugier auf die Welt<br />
verdankte er das Privileg, dass ihn die<br />
Verantwortlichen der Magazine überall<br />
auf der Welt einsetzten. So hat Scheler,<br />
gemessen an den wenigen Jahren<br />
seines photographischen Schaffens, ein<br />
Werk hinterlassen, das zu den bedeutendsten<br />
der Nachkriegszeit gehört. Es<br />
verbindet Tagesaktualität mit langfristig<br />
angelegten Bildessays, und hinter<br />
der Dokumentation steckt gelegentlich<br />
auch Interpretation.<br />
Zunächst geschult an der Bildsprache<br />
von Herbert List, der für ihn seit den<br />
1940er Jahren eine Art Vaterrolle übernommen<br />
hatte, begann Scheler nach<br />
ein paar Semestern Studium der Kunstgeschichte<br />
und Literatur um 1950 mit<br />
der eigenen Photographie und assistierte<br />
List bei der Dunkelkammerarbeit.<br />
Eine professionelle Ausbildung<br />
zum Photographen hatte Scheler nicht,<br />
aber auch List und einige von Schelers<br />
gleichaltrigen Kollegen waren Autodidakten.<br />
Anfang der fünfziger Jahre entstanden<br />
erste Aufnahmen, die bereits<br />
den eigenen Stil vorbereiteten. Gelegentlich<br />
ging die Rolleiflex auch von<br />
Hand zu Hand, wie man anhand einiger<br />
Kontaktbögen sehen kann, so dass<br />
man heute nicht mehr mit Sicherheit<br />
sagen kann, wer bei manchen Aufnahmen<br />
definitiv der Bildautor war, Scheler<br />
oder List. Dieser befand sich seinerzeit<br />
auf dem Zenit seiner Karriere,<br />
auch wenn die meisten Bücher über<br />
sein photographisches Werk erst später<br />
erscheinen sollten, posthum veröffentlicht<br />
von Max Scheler.<br />
Die Mittelformatkamera Rolleiflex<br />
tauschte Scheler jedoch bald gegen<br />
die leichtere und schnellere Leica ein.<br />
1953 entstand ein Schlüsselbild für<br />
beider Werk, dass das Lehrer-Schüler-Verhältnis<br />
aufbrach: List photographierte<br />
im römischen Trastevere, wo er<br />
den inzwischen weltgewandten Max<br />
12 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Max Scheler, »Imbissstube an der Karl-Marx-Allee«, Ost-Berlin 1963<br />
Scheler besuchte, vorbeieilende Passanten<br />
auf der Piazza vor dem Haus; »Blick<br />
aus dem Fenster« wurde zum deskriptiven<br />
Titel der Serie. Erstmals benutzte List<br />
eine Kleinbildkamera, Schelers Leica,<br />
inklusive Teleoptik.<br />
Ein Jahr zuvor traf der erst 24jährige Scheler<br />
in Paris Robert Capa und wurde Junior-<br />
Mitglied der legendären Photographenkooperative<br />
Magnum. Dadurch war er<br />
bei den ganz Großen angekommen,<br />
und so veröffentlichte er seine Momentaufnahmen<br />
auch in LOOK und LIFE.<br />
Zuhause in Deutschland entwickelte<br />
Scheler seinen kritischen Blick: Bilder<br />
aus dieser Zeit zeigen weniger die Verheißungen<br />
des Wirtschaftswunders als<br />
vielmehr die harte Arbeit der Werktätigen,<br />
in den Stahlwerken im Ruhrgebiet<br />
oder den Bergwerken im Saarland.<br />
Das Amerika der fünfziger Jahre wirkte<br />
auf Scheler wie eine Befreiung. Für ihn<br />
war die »Neue Welt«, was für List Griechenland<br />
war: Flucht- und Sehnsuchtsort.<br />
Aus den USA berichtete Scheler über<br />
die unterschiedlichsten Themen, über<br />
Armut und Reichtum, von der Bigotterie<br />
der Weißen und dem Stolz der Schwarzen,<br />
vom hegemonialen Anspruch der<br />
Militärmacht und den vergessenen Indianern<br />
in den Reservaten. Scheler war<br />
ein begeisterter Anhänger des »American<br />
Way of Life«, und das zu einer Zeit,<br />
als andere das Land des »Kalten Krieges«<br />
beschuldigten und wegen der Brutalität<br />
der amerikanischen Soldaten in Vietnam<br />
heftig kritisierten. Doch auch er zeigte<br />
nicht nur die Sonnenseiten, sondern<br />
© Max Scheler, »Retusche«, Peking 1967<br />
auch deren Schatten. Amerikanische<br />
Politiker gehören zu Schelers bekanntesten<br />
Motiven, so porträtierte er John<br />
F. Kennedy während seiner kurzen Präsidentschaft<br />
im »Oval Office« des Weißen<br />
Hauses, und er photographierte<br />
dessen Trauerfeier und Beisetzung nur<br />
einige Monate später, im November<br />
1963. Immer wieder taucht auch die<br />
damalige »First Lady«, Jacqueline Bouvier<br />
Kennedy, in seinen Bildern auf. Sie<br />
wurde gleich nach dem Amtsantritt von<br />
»JFK« in vielen Medien zur Stilikone und<br />
durch ihre Heirat mit Aristoteles Onassis<br />
1968 zu »Jackie O.«, einer Kultfigur