brennpunkt 2-2011 .indd - Edition dibue
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Galerien<br />
Amin El Dib<br />
»empty rooms«<br />
Der experimentelle Ausstellungsraum<br />
»in our empty rooms«, einer Textzeile<br />
aus T.S. Eliots »The Waste Land« entlehnt<br />
und später zu »empty rooms«<br />
verknappt, bestand in Berlin-Kreuzberg<br />
von 1996 bis 1999. Der Berliner<br />
Kunsthistoriker Matthias Harder und<br />
der griechische Künstler Thrafia Daniylopoulos<br />
initiierten den Raum in dessen<br />
Privatwohnung, später kamen als Kuratoren<br />
noch Sotirios Bahtsetzis, Gritta<br />
Ewald und Sarah Canarutto hinzu. Die<br />
Idee war eine Art Salon mit sonntäglichen<br />
Vernissagen und Finissagen. Der<br />
Ausstellungsschwerpunkt lag auf dem<br />
Medium Installation, doch auch Objektkunst<br />
oder Photographie wurde für die<br />
monatlich wechselnden Präsentationen<br />
ausgewählt.<br />
Amin El Dib hat mit seiner Bildserie<br />
der Künstler und Kuratoren von »empty<br />
rooms« etwas Interessantes versucht –<br />
und es ihm gelungen: Eine unkonventionelle<br />
Dokumentation kreativer Menschen,<br />
die – jenseits einer mimetischen<br />
Ähnlichkeit des Menschen mit sich<br />
selbst – eine Art künstlerische Selbstrepräsentation<br />
im privaten Kontext darstellt.<br />
Der Berliner Photograph verwandelt<br />
die Wohnungen oder Studios<br />
der Protagonisten gewissermaßen in<br />
eine Bühne; er selbst wird zum Regisseur<br />
eines seltsamen Schauspiels. Die<br />
Künstler und Kuratoren werden mehrfach<br />
aufgenommen und schließlich<br />
(meist) in Triptychen vorgestellt. Es sind<br />
drei völlig unterschiedliche Szenen, ja<br />
Akte eines Stückes, das sich der Photograph<br />
individuell und teilweise spontan<br />
für sie ausgedacht hat. Es geht ihm wohl<br />
auch um die Aufhebung der traditionellen<br />
Verbindung von Künstler und Werk<br />
im Künstlerbildnis. So entstanden in den<br />
vielen Einzelsitzungen über einen Zeitraum<br />
von mehreren Jahren keine Repräsentationsporträts.<br />
Gleichzeitig erscheinen<br />
die Künstler in ihrem Arbeitskontext<br />
oder im Ausstellungsraum, teilweise<br />
mit oder vor den von ihnen verwendeten<br />
oder herumliegenden Materialien:<br />
Karin Rosenberg beispielsweise verschwindet<br />
hinter einer Bahn Luftpols-<br />
20 <strong>brennpunkt</strong> 2/<strong>2011</strong><br />
© Amin El Dib, »Brigitte Waldach«<br />
terfolie, Catrin Otto unter einem Sitzsack,<br />
manche werden über Körperdetails,<br />
vorzugsweise über Hände, oder<br />
über Spiegelungen ihrer Körper charakterisiert,<br />
einige Künstler blicken<br />
konzentriert und andere beiläufig in<br />
die Kamera.<br />
In Gänze betrachtet, mutet die Zusammenstellung<br />
der hier als Bildnisse versammelten<br />
Menschen möglicherweise<br />
etwas willkürlich an – doch der verbindende<br />
Punkt bleibt »empty rooms«,<br />
eine lockere Vereinigung von kulturell<br />
Gleichgesinnten und Überzeugungstätern,<br />
vergleichbar einer Produzentengalerie,<br />
die als Institution einige Zeit später<br />
in Berlin bekanntlich Hochkonjunktur<br />
hatte. Es war ein internationales Projekt,<br />
das bereits damals die Internationalität<br />
der in Berlin lebenden Künstler<br />
offenbarte, verbunden mit einer Londoner<br />
Partnerinstitution, dem Museum of<br />
Installation.<br />
Von den raumbezogenen Arbeiten<br />
selbst sieht man in diesen S/W Photographien<br />
nichts, es geht Amin El Dib<br />
schließlich auch nicht um Kunstdokumentation,<br />
sondern um die Künstler und<br />
Organisatoren dahinter. »empty rooms«<br />
war bezüglich Besucherresonanz und<br />
Medienecho ein großer Erfolg, ökonomisch<br />
jedoch ein Desaster, denn alles<br />
wurde auf eigene Kosten ohne jegliche<br />
Drittmittelfinanzierung organisiert. Das<br />
konnte natürlich keine Zukunft haben,<br />
und so starb das Projekt in zwei Schritten:<br />
zunächst, als »empty rooms« 1999<br />
aus der Kreuzberger Linienstraße (später:<br />
Axel-Springer-Straße) aus- und in die<br />
Studiogalerie im Haus am Lützowplatz<br />
einzog und gänzlich, nachdem die fünf<br />
dort verabredeten Ausstellungen organisiert<br />
waren. In dieser Umbruchphase<br />
jedoch entstanden die meisten Porträts<br />
von Amin El Dib.<br />
Es sind häufig Grenzbereiche, die der<br />
Photograph betritt und die uns nicht<br />
unbeeindruckt lassen, ja teilweise verstören<br />
können. Auch in den Porträts der<br />
26teiligen »empty rooms«-Serie irritieren<br />
uns die mitunter radikalen, durch<br />
den Bildrand determinierten Schnitte<br />
durch die Köpfe der Künstler – ein künstlerisches<br />
Stilmittel, das seit der damals<br />
avantgardistischen Photographie des<br />
»Neuen Sehens« Verwendung findet.<br />
Jenseits von Aufträgen und somit Zwängen<br />
seitens Zeitschriften oder der Porträtierten<br />
sind Amin El Dibs Bildnisse<br />
im wahrsten Wortsinn freie Arbeiten. So<br />
etwas kann nur im engen Zusammenspiel<br />
zwischen dem Photographen und<br />
seinem Gegenüber entstehen, indem<br />
die Protagonisten nämlich auf die ungewöhnlichen<br />
Bildideen eingehen und<br />
gleichsam mitspielen. Das Echo der<br />
Kunst, repräsentiert durch die Künstler<br />
und Kuratoren, hallt in den Photographien<br />
von Amin El Dib vielfach und<br />
subtil wider.<br />
Matthias Harder<br />
Vernissage: 13. April <strong>2011</strong>, 19 Uhr<br />
14. April bis 22. Mai <strong>2011</strong><br />
PHOTOPLATZ<br />
im Hotel Bogota<br />
Schlüterstraße 45<br />
10707 Berlin-Charlottenburg<br />
Mo – So 11 – 23 Uhr