Spieltriebe - Burgtheater
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man den Drang, sich hervorzutun oder<br />
abzuheben. Wobei ich das Glück hatte,<br />
nicht der Kleinste, sondern nur der<br />
Zweitkleinste zu sein. Von daher hatte<br />
ich nie ein gebrochenes Selbstbewusstsein,<br />
aber doch den Antrieb, quasi auf<br />
den Putz zu hauen und Alarm zu machen.<br />
Mit dem Reden hat sich das eher zufällig<br />
ergeben. Ich habe ja noch im Osten<br />
ein Blasorchester mitbegründet, die so<br />
genannte »Bolschewistische Kurkapelle<br />
Schwarz-Rot«. Da ich kein Instrument<br />
spielen konnte und auch kein Organisationstalent<br />
bin, habe ich mir den Freiraum<br />
erobert, die Musiktitel anzusagen, die<br />
wir gespielt haben. Das waren immer so<br />
komische Cover-Versionen, Musik aus<br />
chinesischen Revolutionsopern oder das<br />
Einheitsfrontlied als Walzer. Ich hab die<br />
Titel angesagt und kommentiert, und das<br />
hat im Verlauf unserer Konzerte immer<br />
größeren Raum eingenommen. Auch zur<br />
Unzufriedenheit der Musikerkollegen,<br />
weil ich zehn Minuten erzählt habe,<br />
dann war wieder zwei Minuten Musik<br />
zu hören, dann habe ich wieder zehn<br />
Minuten gequatscht. Da entstand dieses<br />
Grundprinzip, Sachen aufzuladen, bedeutungsvoller<br />
zu machen und die Aufmerksamkeit<br />
zu organisieren. So funktioniert<br />
es bei den Videoschnipseln ja auch:<br />
Die Ausschnitte sind zwei, drei Minuten<br />
lang. Allerdings habe ich da auch noch<br />
eine andere Legitimation. Man muss sich<br />
ja nur überlegen, wie viel Arbeit in einem<br />
dreiminütigen Fernseh-Schnipsel steckt.<br />
Damit sind acht Leute einen Tag lang<br />
beschäftigt. Im Grunde müsste man eine<br />
Woche lang darüber reden, nur um dem<br />
Arbeitsaufwand, der da drin steckt, auf<br />
der Rezeptionsseite gerecht zu werden.<br />
Der Trick besteht darin, dass Du die<br />
Kommentare anbringst, bevor man den<br />
Ausschnitt sieht. Das heißt, der Blick und<br />
die Aufmerksamkeit auf Details werden<br />
von Dir manipuliert.<br />
Gucken kann man immer noch selbst. Natürlich<br />
lässt sich das als große Manipulation<br />
beschreiben, aber da bin ich dann doch<br />
Publikumsoptimist: alles, was ich sage, ist<br />
überprüfbar. Der Schnipsel kommt, und<br />
man kann widersprechen. Das Medium<br />
Saison 2007/2008<br />
Fernsehen hat einen eigentümlichen Verlauf<br />
in der Zeit. Wenn jemand Blödsinn<br />
schreibt, und man würde das am Ende der<br />
Seite merken, könnte man die betreffende<br />
Stelle noch einmal nachlesen und sagen:<br />
Der Ausgangspunkt war doch aber eigentlich<br />
ein ganz anderer… Im Fernsehen vergisst<br />
man das. Man vergisst, was jemand<br />
vor zehn Sekunden gesagt hat. Ich merke<br />
das als normaler Zuschauer ja auch nicht.<br />
Erst nachdem ich einen Schnipsel in der<br />
Vorbereitung so vier, fünf, achtmal gesehen<br />
habe, fallen mir diese Diskrepanzen<br />
auf: »Eben hat er noch das gesagt, jetzt<br />
landet er da… wie ist er denn dahin gekommen?«<br />
Man schaut noch mal nach<br />
und entdeckt diese ganzen rhetorischen<br />
Figuren, die da so selbstverständlich Platz<br />
nehmen, dass es zum Grausen ist.<br />
Wie gehst Du mit der wahnsinnigen Flut<br />
der Fernsehsendungen um, die es gibt?<br />
Akademietheater<br />
Wie kommst Du konkret zu deiner Auswahl<br />
für einen Abend?<br />
Ich schneide älteres Material blind mit.<br />
Das ist so, wie mit der Schrotflinte ins<br />
Dunkle schießen. Irgendetwas trifft man<br />
schon dabei. Wenn ich dann ein Thema<br />
für einen Abend bestimme, suche ich<br />
eher unsystematisch. Ich schaue rein und<br />
spring zehn Minuten weiter.<br />
Die Herausforderung für mich ist weniger,<br />
die Schnipsel zu finden, als die Fragestellung.<br />
Eine Fragestellung, die ich an<br />
das Material stellen kann, um zu sehen,<br />
wie beantwortet das Fernsehen meine<br />
Frage.<br />
Wir haben Dich gebeten, Dir für die<br />
Abende hier Deine Fragestellungen anhand<br />
unseres Spielplans zu suchen. Zu<br />
welchen haben Dich die Inszenierungen<br />
hier am Haus geführt?<br />
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