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2007-1 - NaturFreunde Deutschlands

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THEMA<br />

TECHNOLOGIETRANSFER<br />

Keine Patente für den Klimaschutz<br />

Entwicklungsländer fordern kostenlos moderne Energietechnik aus dem Norden<br />

bBundesumweltminister Sigmar Gabriel<br />

wird im Mai voraussichtlich die UN-Welt-Klimakonferenz<br />

in Bonn eröffnen. Im letzten Mai hat<br />

er das auch schon getan. Allerdings nahm damals<br />

kaum jemand davon Notiz.<br />

Ganz anders die UN-Weltklimakonferenz im<br />

Herbst 2006: „660 Journalisten haben aus Nairobi<br />

berichtet, wir hatten mit 200 gerechnet“,<br />

sagt John Hay, Sprecher des UN-Klimasekretariats.<br />

Eine Klimakonferenz<br />

im Frühjahr, eine Klimakonferenz im<br />

Herbst – schon seit Jahren trifft sich<br />

die Weltklimadiplomatie zweimal<br />

pro Jahr. „Die Frühjahrstagung wird<br />

aber komischerweise immer unterschätzt“,<br />

sagt John Hay, Sprecher<br />

des UN-Klimasekretariats. Diese Behörde<br />

hat ihren Sitz in Bonn. Deshalb<br />

wird hier jährlich im Frühjahr<br />

zwei Wochen lang getagt.<br />

Vielleicht liegt das mediale Desinteresse<br />

ja auch daran, dass nach<br />

Bonn „nur“ die Umweltdiplomaten<br />

kommen. Zum Herbstgipfel reisen<br />

auch Staatschefs, Nobelpreisträger<br />

und Wirtschaftsbosse. Zum Beispiel<br />

die Klimakonferenz 2006 in Nairobi:<br />

Natürlich ließ es sich der damalige<br />

UN-Generalsekretär Kofi Annan<br />

nicht nehmen, die Eröffnungsrede<br />

zu halten. Und wahrscheinlich wird<br />

es sich der neue UN-Generalsekretär<br />

Ban Ki-Moon nicht nehmen lassen,<br />

in Bali die diesjährige Herbsttagung<br />

zu eröffnen. In Bonn spricht<br />

Yvo de Boer, Chef des UN-Klimasekretariats.<br />

Notiz wird wieder keiner<br />

nehmen. „Dabei werden hier wichtige<br />

Fragen beraten“, so Hay.<br />

Zum Beispiel der Schrecken von RWE, Enercon<br />

und Co.: Die Entwicklungsländer haben in<br />

Nairobi die Industriestaaten zur Herausgabe ihres<br />

technologischen Knowhows gefordert. „Es<br />

kann doch nicht sein, dass uns die Industriestaaten<br />

zuerst das Klimaproblem exportieren,<br />

um uns nun ihre Windräder zu exportieren“,<br />

begründet ein G77-Vertreter. Nein, man wolle<br />

selbst von der Wertschöpfung profitieren. „Es<br />

ist schon deshalb sinnvoll, Programme für er-<br />

neuerbare Energien in Afrika aufzulegen, weil<br />

dadurch Arbeitsplätze in Deutschland entstehen“,<br />

hatte der SPD-Abgeordnete Axel Berg in<br />

Nairobi erklärt. Genau darum geht es den G77:<br />

Nicht mehr Objekt des technologischen Klimaschutzes<br />

zu sein, sondern Subjekt zu werden.<br />

Dazu allerdings bräuchten sie die Technologie.<br />

Die Industriestaaten sollen Geld in einen Fond<br />

I Entwicklungsländer wollen deutsche Windräder kostenlos.<br />

zahlen, um dann in ihren Ländern die Patente<br />

für moderne Energieanlagen von Enercon, AEG<br />

oder Conergy aufzukaufen. Diese Patente sollten<br />

dann kostenlos zur Verfügung gestellt werde.<br />

Derart, so die G77, würden die Schwellen-<br />

und Entwicklungsländer automatisch auf grüne<br />

Technik umstellen – und so das Klima retten.<br />

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nennt<br />

diese Forderung „in Zeiten des globalen Kapitalismus<br />

eine aberwitzige Idee“. Er präferiert statt<br />

dessen ein 80 Millionen Euro teures EU-Risikokapitalprogramm.<br />

Das soll künftig Kleinkredite<br />

absichern, etwa für den Bau eines Windrades in<br />

Afrika. Die Banken scheuen bisher solche Mittelvergabe,<br />

weil sie das Ausfallrisiko für zu groß<br />

halten. Die 80 Millionen Euro Risikomittel sollen<br />

Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro absichern.<br />

Aber genau das macht die Afrikaner so misstrauisch:<br />

Deutsche Arbeitskräfte, die mit deutschen<br />

Krediten finanzierte deutsche Windräder<br />

bauen. „Moralisch“, sagt Christoph Bals, Geschäftsführer<br />

von Germanwatch, „hat diese Argumentation<br />

natürlich etwas für sich. Das ist<br />

aber eine moralisch-ökonomisch-politische Frage.“<br />

Schließlich sei es ebenso unmoralisch, geistiges<br />

Kapital von Unternehmern zu enteignen.<br />

Germanwatch hält dagegen ein anderes Modell<br />

für überlegenswert: Die reichen Industriestaaten<br />

könnten einen Lizenzfond<br />

gründen, der die Gestattungsproduktion<br />

finanziert. Vor Ort<br />

könnte China dann „in deutscher Lizenz“<br />

Windräder bauen, die Lizenzkosten<br />

kämen aus dem Fond.<br />

Allerdings fürchten deutsche Firmen<br />

gerade China: Binnen drei Jahren<br />

ist das eigene Produkt kopiert<br />

und unter anderem Namen auf den<br />

Markt gebracht. Billiger produzieren<br />

kann China sowieso, der deutsche<br />

Lizenzgeber stünde ziemlich<br />

schnell vor dem Bankrott. „Es muss<br />

deshalb in den kommenden Verhandlungen<br />

darum gehen, Spielregeln<br />

zu finden, die das verhindern“,<br />

sagt Bals.<br />

Auch er hat keine Idee, wie diese<br />

Regeln aussehen könnten. „Aber bei<br />

den Zukunftsverhandlungen wird<br />

die Frage des Technologietransfers<br />

besonders für die erstarkten<br />

Schwellenländer eine zentrale Rolle<br />

spielen.“ Und die haben beste Argumente:<br />

Nach den neuesten Emissionszahlen<br />

liegt der weltweite Ausstoß<br />

von Klimakillern heute 28 Prozent<br />

über dem vom Kyotobasisjahr<br />

1990. Und während die Industriestaaten<br />

wenigstens versuchen, ihre Emissionen<br />

zu vermindern, explodieren sie nahezu in den<br />

Schwellenländern. Es wird also hoch hergehen,<br />

auf der Klimakonferenz in Bonn.c NICK REIMER<br />

Anfang Februar erschien der UN-Bericht „Climate Chance<br />

<strong>2007</strong>“ zu Stand, Prognose und Gefahren der steigenden<br />

Erderwärmung. Zusammenfassung unter: www.awi.de<br />

SEITE 12 NATURFREUNDiN 1-<strong>2007</strong>

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