2007-1 - NaturFreunde Deutschlands
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viel gefl ogen wie 1990. Das bedeutet: Auch die<br />
Kohlendioxid-Emissionen des Luftverkehrs werden<br />
2012 doppelt so hoch sein wie 1990.<br />
Aber das kann sich die EU wegen des Kyoto-<br />
Protokolls nicht leisten. Schließlich hat Europa<br />
in diesem zugesagt, seinen CO 2-Ausstoß bis 2012<br />
im Vergleich zu 1990 um 8 Prozent zu senken.<br />
0,9 Prozent sind nach 15 Jahren Klimaschutz gerade<br />
mal geschafft. Und es bleiben nur noch fünf<br />
Jahre Zeit. Selbst Fachleute aus dem EU-Apparat<br />
bezweifeln, dass die fehlenden 7,1 Prozent noch<br />
zu schaffen sind: Würden alle Klimaschutzvorhaben<br />
rechtzeitig umgesetzt – wovon nicht auszugehen<br />
ist – wären laut den EU-Experten höchstens<br />
minus fünf Prozent erreichbar. Es muss also<br />
dringend etwas passieren.<br />
Politikbeobachter Jos Dings hat aber einen<br />
Gesinnungswandel in der EU-Kommission beobachtet.<br />
Wenn er sich da mal nicht zu sicher<br />
ist. Erstens haben sofort nach Bekanntwerden<br />
der Pläne alle EU-Kommissare heftigst durcheinander<br />
debattiert: Transkontinentalfl üge<br />
müssten vom Emissionshandel befreit werden.<br />
US-Airlines sowieso. Weil sonst über die Welthandelsorganisation<br />
WTO ein Handelskrieg mit<br />
Amerika ins Haus steht. Zweitens kann die EU<br />
ohne das OK der Nationalstaaten gar nichts<br />
machen. „Wir wollen die Pläne der EU-Kommission<br />
voranbringen“, hatte Anfang des Jahres<br />
zwar Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee<br />
erklärt. Das Wirtschaftsministerium aber<br />
sieht den Standort Deutschland durch einen<br />
Emissionshandel im Flugverkehr ernsthaft bedroht.<br />
Drittens schließlich ist entscheidend, wie<br />
der Emissionshandel im Flugverkehr eingerichtet<br />
wird (siehe Kasten).<br />
Dabei ist die Debatte um einen Emissionshandel<br />
im Flugverkehr nur eine Ersatz-Debatte:<br />
Fliegen ist einfach zu billig. Ab 19 Euro quer<br />
durch die Republik oder ins europäische Ausland:<br />
Solange Flugreisen billiger als eine Fahrt<br />
mit Bahn oder Auto bleiben, werden die Passagierzahlen<br />
weiter steigen. Daran ändert auch der<br />
Emissionshandel nichts: Um maximal vier Euro<br />
schätzen Experten würde dieser ein Flugticket<br />
verteuern.<br />
Flugtickets bleiben zu billig, so lange Fluggesellschaften<br />
für ihr Benzin keine Steuern zahlen<br />
müssen. Beim Kerosin greift der Staat, anders<br />
als bei Strom und Dieselbenzin für Lokomotiven<br />
oder Sprit für Autos, nicht zu. Durch die<br />
fehlende Flugbenzinsteuer entgehen den europäischen<br />
Regierungen Milliarden, die man zum<br />
Beispiel für die Entwicklungshilfe nutzen könnte.<br />
Andererseits gibt es überhaupt keinen Anreiz für<br />
die Fluggesellschaften, mit sparsamen Flugzeugen<br />
selbst Klimaschutz zu betreiben. Das ist der<br />
eigentliche Skandal: Die Debatte um den Emissionshandel<br />
lenkt davon nur ab.<br />
Die Rettung des Arktiseises ist also noch nicht<br />
in Sicht. Die Forscher begründen den schnellen<br />
CO 2-ZERTIFIKATE<br />
Der Handel mit Verschmutzungsrechten<br />
Mit dem Emissionshandel soll CO 2 eingespart werden<br />
bEmissionshandel, der Handel mit Kohlendioxid-Zertifi<br />
katen, ist eine ziemlich komplizierte<br />
Materie. Kohlendioxid ist das Gas,<br />
dass die Erderwärmung verursacht, und damit<br />
das Klima durcheinanderbringt. Kohlendioxid<br />
entsteht überall dort, wo Energie verbraucht<br />
wird: beim Autofahren, beim Heizen<br />
oder Fernsehen. Sogar beim Laufen entsteht<br />
Kohlendioxid - Sauerstoff aus der Luft wird<br />
eingeatmet, Kohlendioxid ausgeatmet.<br />
Bis Anfang des letzten Jahrhunderts war das<br />
Gleichgewicht stabil: Die Photosynthese der<br />
Pfl anzen wandelt das Kohlendioxid wieder in<br />
Sauerstoff um. Seit aber die Menschheit massenhaft<br />
wächst und zudem noch ihr Energiehunger<br />
unermesslich steigt, ist dieses Gleichgewicht<br />
aus den Fugen geraten. Steigender<br />
Energieverbrauch bedeutet einen steigenden<br />
Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid.<br />
Der Emissionshandel wurde eingeführt,<br />
um den massenhaften Ausstoß zu bekämpfen.<br />
Zu diesem Zweck wurden Verschmutzungsaktien<br />
ausgegeben - so genannte Zertifi -<br />
1-<strong>2007</strong> NATURFREUNDiN SEITE 5<br />
TITEL<br />
I Zum Arbeitsessen nach Köln: Seit Anfang der<br />
90er Jahre hat sich der Flugverkehr verdoppelt<br />
Rückgang mit einem sich selbst verstärkenden<br />
Effekt: Offene, dunkle Wasserfl ächen nehmen<br />
Wärme des Sonnenlichts stärker auf als helles<br />
Eis. Anders formuliert: Je mehr Eis schmilzt, um<br />
so stärker erwärmt sich das Meer.<br />
Fakt ist: Die Europäer müssen deutlich mehr<br />
zur Rettung des Arktiseises tun. Das war auch<br />
das Signal des letztjährigen UN-Klimagipfels in<br />
Kenias Hauptstadt Nairobi: Die Entwicklungsländer<br />
sind allenfalls dann bereit, über eigene Klimaschutzbemühungen<br />
nachzudenken, wenn die<br />
Industrieländer mehr tun. Mit einem bisschen<br />
Emissionshandel im Luftverkehr ist es also nicht<br />
getan.c NICK REIMER<br />
kate. So bekommt zum Beispiel ein Kraftwerk<br />
eine bestimmte Zahl von diesen Verschmutzungsaktien<br />
zugeteilt - kostenlos vom Staat.<br />
Diese Aktien berechtigen, die Luft mit Kohlendioxid<br />
zu verpesten. Wer jetzt in Klimaschutz<br />
investiert, spart Aktien - und kann sie auf<br />
dem Markt verkaufen. Wer mehr verschmutzt<br />
als er darf, muss dafür zahlen.<br />
Allerdings funktioniert das 2005 eingeführte<br />
System noch nicht: Staaten wie die Bundesrepublik<br />
haben viel zu viele Aktien ausgegeben.<br />
Auch Bundesumweltminister Sigmar<br />
Gabriel wollte der Industrie viel mehr Verschmutzungsrechte<br />
schenken, als diese selbst<br />
annoncierte. Und zwar kostenlos: Die Zeche<br />
zahlt der Verbraucher. Denn der Kraftwerksbetreiber<br />
preist die Zertifi kate in seinen Strompreis<br />
ein. Was er kostenlos vom Staat bekam,<br />
bescherte den Energiekonzernen allein im letzten<br />
Jahr knapp drei Milliarden Euro Extragewinn.<br />
Aus unseren Taschen. Allerdings musste<br />
Gabriel nachgeben: Die EU setzte Deutschland<br />
ein vernünftiges Ziel.c NICK REIMER